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EZB-Urteil und die Europäische Rechtsgemeinschaft

Von der Leyen erwägt Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland

NTG24 - EZB-Urteil und die Europäische Rechtsgemeinschaft

 

Erst am Dienstag hatte das Bundesverfassungsgericht die Staatsanleihenkäufe der EZB beanstandet und sich damit deutlich gegen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs positioniert. Damit stehen sich das BVerfG in Karlsruhe und das oberste EU-Gericht in Luxemburg im Widerspruch gegenüber. Doch stellt sich jetzt die Frage, welche Auswirkungen dieses Urteil für die EU haben könnte, die selbst immer mehr in Hinblick auf ihren eigenen Zusammenhalt zu kämpfen hat.

Grundsätzlich gelte zwar, dass der EuGH keine Urteile nationaler Gerichte kommentiert, jedoch stellt dieser zeitgleich klar, dass solche Urteile das Justizsystem der EU gefährden können. Denn dass die Handlung eines EU-Organs gegen EU-Recht verstoße, dürfe nur der EuGH feststellen.

Und grundsätzlich hält sich das BVerfG tatsächlich weitgehend aus derartigen Angelegenheiten heraus. Nur wenn das Grundgesetzes im innersten Kern verletzt zu sein scheint und wenn ein EU-Organ sich Kompetenzen herausnimmt, die ihm nie übertragen wurden, werden Ausnahmen gemacht.

Doch bereits 2014 unterbreitete das BVerfG dem EuGH seine Bedenken bezüglich der milliardenschweren Staatsanleihenkäufe, 2017 folgte der zweite Anstoß. Aber der EuGH gab dem Kaufprogramm dann doch seine Zustimmung. Das wollten die deutschen Richter nicht hinnehmen und entschieden alleine, dass die EZB ihr Mandat für die Geldpolitik ausgereizt habe.

Diese Entscheidung hat auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen alarmiert und gibt sich in einem Brief an den Grünen-Europapolitiker Sven Giegold entschlossen, der zuvor aufgefordert hatte, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Sie nehme die Sache sehr ernst und in dem Schreiben hält sie fest, dass die Kommission das Urteil derzeit analysiere und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland erwäge. In Betracht kommt ein Verfahren wegen der Nicht-Befolgung des EuGH-Urteils und auch wegen der Verletzung der Unabhängigkeit der Notenbank. Ein derartiges Verfahren wird dann eingeleitet, wenn ein Land gegen EU-Recht zu verstoßen scheint. Wenn schriftliche Schlichtungsversuche nicht wirken, kann die EU-Kommission das Land vor dem EuGH verklagen. Wird der Rechtsverstoß bestätigt, können Sanktionen gegen das Land beantragt werden.

Doch was könnten zunächst die tatsächlichen Auswirkungen dieses Konflikts sein? Wenn das BVerfG sich gegen den EuGH stellt, dann könnten andere Gerichte nachziehen. Ein guter Kandidat dafür ist Polen, wo die nationalkonservative PiS-Regierung das Justizwesen schon länger umkrempelt und wo das Urteil jetzt sogar gelobt wird. Der EuGH schritt schon häufig ein und musste dort bereits mehrfach um seine Autorität kämpfen. Auch die Regierungen anderer Staaten könnten künftig auf das BVerfG zurückgreifen und meinen, EuGH-Urteile seien nicht bindend. Das gemeinsame Recht ist für den Zusammenhalt der EU entscheidend und wenn dies nicht mehr gegeben ist, könnte der EU seine wohl wichtigste Grundlage entzogen werden.

Nun bleibt jedoch erst einmal abzuwarten, wie sich dieser Konflikt weiterentwickeln wird und welche Maßnahmen eventuell ergriffen werden.

 

10.05.2020 - Ann-Kathrin Wellen - akw@ntg24.de

 

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