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So geht es nicht, Tesla & Co.– nachteilige Software-Updates am Fahrzeug sind unzulässig!

Eine Urteilsbesprechung und Einordnung des TESLA-Urteils des Landgerichts München I vom 13.09.2021 – Az. 34 O 15883/20

NTG24 - So geht es nicht, Tesla & Co.– nachteilige Software-Updates am Fahrzeug sind unzulässig!

 

Einwirkungsmöglichkeiten der Hersteller durch Softwareupdates - Moderne Fahrzeuge und insbesondere Elektroautos sind rollende Computer. Die Software der Fahrzeuge spielt eine immer tragendere Rolle, sowohl im Hinblick auf den Wettbewerb als auch das Fahrerlebnis. Unter den Fahrzeugherstellern ist TESLA Technologieführer, denn die Fahrzeuge des US-Konzerns werden mit Softwareupdates „over the air“, das heißt über Mobilfunk oder WLAN upgedated. Doch mit diesem komfortablen Produktmerkmal ergeben sich auch massive Einwirkungsmöglichkeiten des Herstellers auf das Fahrzeug.

Solange alle Updates das Fahrzeug lediglich verbessern, werden sich die Kunden kaum daran stören. Was aber, wenn das Fahrzeug durch ein Software-Update spürbar verschlechtert wird oder in andere Rechtspositionen des Eigentümers eingreift? Das war bislang in der Rechtsprechung noch eine reichlich grüne Wiese. Umso wichtiger ist es, dass mit Endurteil des LG München I vom 13.09.2021, Az. 34 O 15883/20 nun eine erste Entscheidung vorliegt, die zeigt, dass die Hersteller verantwortungsvoll handeln müssen.

 

Die Entscheidung

 

Dem Urteil des LG München I lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin erwarb am 18.09.2018 ein Tesla Model X P100D zum Preis von 154.430,00 €. Vom Kaufvertrag umfasst und mit entsprechendem Betrag ausgewiesen war das „Enhanced Autopilot“ Paket und das Fahrzeug war mit einer höhenverstellbaren Luftfederung ausgestattet.

Die Klägerin bemängelte innerhalb des ersten Jahres „bei starken Beschleunigungen ein laut klackendes Geräusch“, welches klägerseits mit einem Mangel an der vorderen Antriebswelle in Verbindung gebracht wurde. Ein selbständiges Beweisverfahren sollte hier für Klarheit sorgen. Ein gerichtlich beauftragter Sachverständiger sollte ermitteln, wie sich das klackende Geräusch in den unterschiedlichen Höhenstufen des Luftfahrwerks äußert und was die Ursache hierfür darstellt.

Doch während des Verfahrens wurde seitens TESLA ein Softwareupate für das Fahrzeug bereitgestellt. Die Klägerin ließ das Update durch Bestätigung auf dem Display aufspielen. Was die Klägerin zu diesem Zeitpunkt mangels Information durch TESLA jedoch nicht wusste war, dass durch dieses Update die Höhenverstellbarkeit des Luftfahrwerks erheblich beschnitten wurde. Die Klägerin hatte weder Kenntnis vom Inhalt noch von den Auswirkungen des Updates. Vielmehr war sie von einem Update im Zusammenhang mit dem zusätzlich erworbenen „Enhanced Autopilot“ Paket ausgegangen. Eine Aufforderung gegenüber der Beklagten, das Fahrzeug in den ursprünglichen Zustand zu versetzen, blieb erfolglos. Daraufhin erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Dem Grunde nach wurde im Laufe des anschließenden Klageverfahrens auch seitens TESLA zugegeben, dass die Höhenverstellbarkeit zur Serienausstattung des streitgegenständlichen Modells gehörte und nach dem Update nicht mehr so gegeben sein wird wie zum Zeitpunkt der Auslieferung des Fahrzeugs.

 

Die Analyse des Urteils

 

Das Landgericht München I hat in der Entscheidung einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB sowie aus § 826 BGB anerkannt. TESLA wurde zur Rücknahme des Fahrzeugs gegen Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsersatzes verurteilt.

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Werbebanner ISIN-WatchlistZahlreichen Verteidigungsstrategien seitens TESLA hat das Gericht dabei eine Absage erteilt: So ist das Gericht der Argumentation der Beklagten, das Update habe lediglich das Freischalten von bereits vorhandenen Funktionalitäten beinhaltet, nicht gefolgt. Vielmehr sah das „Enhanced Autopilot“ Paket vor, auch in der Zukunft weitere Funktionen zur „verbesserten Tesla Autopilot-Funktionalität“ aufzuspielen, wodurch der Vorwurf eines Mitverschuldens der Klägerin durch den Klick auf das Update nicht griff. Die Beklagte versäumte es über die Funktion des angebotenen Updates vorab aufzuklären, und so beging sie eine Pflichtverletzung. Denn eine Aufklärung wäre erforderlich gewesen, da ein Eingriff in die Höhenverstellbarkeit ein wesentlicher Gesichtspunkt bei einem Fahrzeug ist. Gleichsam stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kaufvertrag Merkmale eines Dauerschuldverhältnisses beinhaltet, da die Beklagte mit dem „Enhanced Autopilot“ Paket weitere zukünftige Leistungen vertraglich zugesichert hatte und zwischen Klägerin und Beklagten auch ein gesondertes Schuldverhältnis durch die Vornahme ständiger Softwareupdates zustande gekommen ist. Insofern war die Beklagte nach § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Klägerin verpflichtet. Über einen Eingriff in die Höhenverstellbarkeit hätte insofern vorab gesondert aufgeklärt werden müssen. Der Inhalt des Updates war für die Klägerin jedoch überraschend. Damit musste sie nicht rechnen.

Interessant ist die Entscheidung des Gerichts auch hinsichtlich der Konzerneigenschaft der Beklagten. Die Beklagte hatte sich darauf berufen, das Update sei nicht von ihr, sondern von ihrem Mutterunternehmen veranlasst worden. Das Mutterunternehmen Tesla Inc. wurde jedoch nach Auffassung des Gerichts im Rahmen der gesonderten Verpflichtung „Enhanced Autopilot“ als Erfüllungsgehilfe der Beklagten tätig. Die Konzerneigenschaft zwischen der Verkäuferin und der Anbieterin des Updates kann sich insofern auch nach § 242 BGB nicht zum Nachteil des Verbrauchers auswirken.

Zur Frage der Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB hat das Gericht zudem den spannenden Umstand der Beweisvereitelung durch Updates herangezogen. Denn das Update erfolgte während des laufenden Beweissicherungsverfahrens – und damit bzw. insbesondere mit der Weigerung seitens TESLA das Update rückgängig zu machen wurde eine Klärung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen unmöglich gemacht. Hieraus ergibt sich die Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB. Insbesondere hat die Beklagte in unlauterer Art und Weise in das Eigentum der Klägerin eingegriffen bzw. in sittenwidriger Weise nicht darauf Einfluss genommen, dass das Mutterunternehmen das Update nicht verhindert hat.

 

Fazit & Ausblick

 

Das Urteil des LG München I ist begrüßenswert und von enormer praktischer Relevanz. Immer mehr Fahrzeuge auf dem Markt können durch Updates „Over-the-air“ verändert werden. Diese Thematik wird aufgrund des rasanten technischen Fortschritts immer relevanter werden, den grundsätzlich lassen sich im Rahmen der Hardware des Fahrzeugs alles Funktionen durch Softwareupdates verändern: Leistung, Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit, Verbrauch, Ladeleistung, Kapazität, um nur einige wichtige Parameter zu nennen. Dass die Hersteller diese Möglichkeit nicht immer zum Vorteil des Kunden nutzen, zeigt die vorliegende Entscheidung.

Es ist demnach wichtig, dass eine rechtliche Handhabe gegen solche Eingriffe für die Eigentümer der Fahrzeuge besteht, da es nicht möglich sein darf, dass Hersteller nachträglich nach Belieben Veränderungen am Fahrzeug vornehmen. Wer regelmäßig Softwareupdates auf bereits verkaufte Fahrzeuge aufspielt handelt nicht im „rechtsfreien Raum“.

Im Gegenteil: Die Entscheidung zeigt, dass bevor solch gravierende Eingriffe am Fahrzeug durch Softwareupdates vorgenommen werden, die Freigabe des Eigentümers des eingeholt werden muss. Tut der Hersteller dies nicht, macht er sich schadensersatzpflichtig.

Erfreulich ist außerdem, dass klargestellt wurde, dass die Verantwortung für das Softwareupdate in vorliegender Entscheidung nicht auf den amerikanischen Mutterkonzern abgewälzt werden kann, sondern die deutsche Vertriebs- und Servicegesellschaft von TESLA rechtliche Vernatwortung trägt. Wer in Deutschland und in der Europäischen Union Fahrzeuge verkauft, kann sich demnach nicht einfach darauf berufen, dass das Update in Amerika entwickelt wurde und man angeblich nichts von den Eingriffen gewusst habe.

Es bleibt nun abzuwarten, wie sich die Situation weiter entwickeln wird. Denn das Urteil ist nicht nur für den Eingriff in die Höhenverstellung des Fahrzeugs bedeutsam. Vielmehr ist die Entscheidung grundsätzlich auch auf andere Eingriffe übertragbar. So steht der Hersteller TESLA beispielsweise hier und auch in anderen Ländern bereits in Verdacht durch Softwareupdates in die Akkuleistung der Fahrzeuge eingegriffen zu haben. Auch für solche Fälle ist die Entscheidung ein deutliches Signal.

Festzuhalten ist jedenfalls, dass sich Hersteller in Zukunft genau überlegen müssen, welche Eingriffe sie an den bereits verkaufen Fahrzeugen vornehmen und bei welchen sie zuerst das Einverständnis des Eigentümers einholen müssen, um sich nicht schadensersatzpflichtig zu machen. Wer von nachteiligen Software-Updates am eigenen Fahrzeug betroffen ist, hat mit dieser Entscheidung nunmehr gute Erfolgschancen, Schadensersatz geltend zu machen.

 

20.09.2021 - RAin Jennifer Hofmann, LL.M.; Dipl. Jur. (Univ.) Lukas Binner und RA Dr. Christoph Lindner - kanzlei@lindnerrecht.de

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Die Autor:innen des Beitrags sind Teil des „Emobility Litigation Teams“ der Kanzlei Dr. Lindner Rechtsanwälte in Rosenheim. Dort befasst sich mittlerweile ein sechsköpfiges Team tagtäglich mit den rechtlichen Herausforderungen der E-Mobilität. Weitere Informationen und der Kontakt zur Kanzlei ist unter www.teslaanwalt.de abrufbar.

 

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