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Bundesverfassungsgericht hält dagegen

Bundesverfassungsgericht mit Rückgrat

NTG24 - Bundesverfassungsgericht hält dagegen

 

Das ist der verfassungsrechtliche Knaller des Tages! Das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe veröffentlichte heute sein Urteil über die Klagen gegen das OMT-Programm der EZB. Wir hatten in unserem Beitrag vom 24.04.2020 mit dem Titel ,,EZB Geldpolitik und der Geist der deutschen Verfassung‘‘ bereits auf die Brisanz dieses Verfassungskonfliktes und der Herausforderung für die verfassungswahrende Rechtsprechung des BVG im Kontext der Europafreundlichkeit der deutschen Verfassung hingewiesen.

Nun hat also der 2. Senat des BVG um Gerichtspräsident Voßkuhle gezeigt, dass es Grenzen gibt, unter der Flagge der Europafreundlichkeit den Wesensgehalt der deutschen Verfassung solange zu verwässern, bis aus Wein mit Wasser Wasser mit Wein geworden ist.

Die Entscheidung erging mit 7:1 Stimmen. Mit dem Urteil hat das BVG mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das Staatsanleihekaufprogramm (Public Sector Purchase Programme – PSPP) stattgegeben. Danach haben Bundesregierung und Deutscher Bundestag die Beschwerdeführer in ihrem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verletzt, indem sie es unterlassen haben, dagegen vorzugehen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) in den für die Einführung und Durchführung des PSPP erlassenen Beschlüssen weder geprüft noch dargelegt hat, dass die hierbei getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig sind.

Dem steht das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 11. Dezember 2018 nicht entgegen, da es im Hinblick auf die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit der zur Durchführung des PSPP erlassenen Beschlüsse schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und damit ebenfalls ultra vires ergangen ist. Einen Verstoß gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung konnte der Senat jedoch nicht feststellen.

Besonders brisant ist die Feststellung des BVG zur Beurteilung durch den Europäischen Gerichtshof, dem das BVG den Fall zuvor zur Prüfung vorgelegt hatte.

In dem heutigen Urteil stellt das BVG eine Kompetenzüberschreitung durch den EuGH fest. Das BVG kritisiert insbesondere, dass die vom EuGH vorgenommene Auslegung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und die darauf gestützte Bestimmung des Mandats des ESZB das ihm in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV erteilte Mandat überschreiten. Die Selbstbeschränkung seiner gerichtlichen Prüfung darauf, ob ein „offensichtlicher“ Beurteilungsfehler der EZB vorliegt, ob eine Maßnahme „offensichtlich“ über das zur Erreichung des Ziels Erforderliche hinausgeht oder ob deren Nachteile „offensichtlich“ außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen, vermag die auf die Währungspolitik begrenzte Zuständigkeit der EZB nicht einzuhegen. Sie gesteht ihr vielmehr selbstbestimmte, schleichende Kompetenzerweiterungen zu oder erklärt diese jedenfalls für gerichtlich nicht oder nur sehr eingeschränkt überprüfbar. Die Wahrung der kompetenziellen Grundlagen der Europäischen Union hat jedoch entscheidende Bedeutung für die Gewährleistung des demokratischen Prinzips und die rechtliche Verfasstheit der Europäischen Union. 

 

Das hat gesessen!

 

Daraus folgert das BVG, dass es somit nicht an die Entscheidung des Gerichtshofs gebunden ist und eigenständig zu beurteilen hat, ob das Eurosystem mit den Beschlüssen zur Errichtung und Durchführung des PSPP noch innerhalb der ihm primärrechtlich eingeräumten Kompetenzen gehandelt hat. Das ist mangels hinreichender Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit nicht der Fall.

 

Bundestag

Bildnachweis: © Fotograf - Alana Harris

 

Rechtsfolge: Bundesregierung und Deutscher Bundestag sind aufgrund der ihnen obliegenden Integrationsverantwortung verpflichtet, der bisherigen Handhabung des PSPP entgegenzutreten. Konkret bedeutet dies, dass die Bundesregierung und der Bundestag aufgrund ihrer Integrationsverantwortung verpflichtet sind, auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die EZB hinzuwirken. Entsprechendes gilt für die am 1. Januar 2019 begonnene Reinvestitionsphase des PSPP und seine Wiederaufnahme zum 1. November 2019. Insoweit dauert auch die Pflicht, die Entscheidungen des Eurosystems über Ankäufe von Staatsanleihen unter dem PSPP zu beobachten und mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln auf die Einhaltung des dem ESZB zugewiesenen Mandats hinzuwirken, fort.

Zudem: Deutsche Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte dürfen weder am Zustandekommen noch an Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung von Ultra-vires-Akten mitwirken. Der Bundesbank ist es daher untersagt, nach einer für die Abstimmung im Eurosystem notwendigen Übergangsfrist von höchstens drei Monaten an Umsetzung und Vollzug der verfahrensgegenständlichen Beschlüsse mitzuwirken, wenn nicht der EZB-Rat in einem neuen Beschluss nachvollziehbar darlegt, dass die mit dem PSPP angestrebten währungspolitischen Ziele nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen wirtschafts- und fiskalpolitischen Auswirkungen stehen. Unter derselben Voraussetzung ist die Bundesbank verpflichtet, für eine im Rahmen des Eurosystems abgestimmte – auch langfristig angelegte – Rückführung der Bestände an Staatsanleihen Sorge zu tragen.

 

Fazit

 

Die Karlsruher Richter haben endlich das von vielen lang herbeigesehnte verfassungsrechtliche Rückgrat gezeigt. Das Prinzip des EuGH ,,steter Tropfen höhlt den Stein‘‘ kann nun nicht einfach fortgeschrieben werden. Man darf gespannt sein, auf welchen Wegen nun die Geldpolitik durchgeführt wird, inklusive der anstehenden Bankenrettungen und der bald noch klammeren Staaten, die es nach der Finanzkrise über ein Jahrzehnt versäumt haben, die wirtschaftsstrukturellen Vorbedingungen für nachhaltiges Wachstum zu schaffen.

 

05.05.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de

 

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