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Der Silberpreis – zu tief, um wahr zu sein?

Ein Marktbericht von Arndt Kümpel

 

Silberinvestoren mussten in den letzten Jahren einiges ertragen. Denn der Silberpreis hat seit seinem Zyklushoch im April 2011 bei 49,83 US-Dollar bis zu seinem folgenden Zyklustief im Dezember 2015 bei 13,65 US-Dollar stattliche 72,6 % abgegeben, nachdem er sich zuvor von November 2001 bei 4,05 US-Dollar bis April 2011 mehr als verzwölffacht hatte. Eine echte Achterbahnfahrt also.

 

Silber in USD

 

Für eine Einschätzung der Perspektiven des Silberpreises sind zum einen das reale Silberangebot und die reale Silbernachfrage, aber auch die Positionierung wichtiger Akteure am Silber-Terminmarkt von Bedeutung. Zum anderen enthalten die Kursverläufe Informationen, die zwar die grundsätzliche Offenheit der Zukunft nicht streng infrage stellen. Die Erkenntnisse jedoch, die Behavioral Finance bereitstellt, stützen aber zumindest die Vermutung, dass sich charakteristische menschliche Entscheidungsheuristiken und grundsätzliche psychische Reaktionsmuster auf Schocks im Kursverlauf widerspiegeln. Ein Blick nach kumulierten Ähnlichkeiten im Kursverlauf ist deshalb durchaus von Interesse.

 

Einflussfaktoren eines nachhaltigen Trendwechsels

 

Welche Einflussfaktoren können nun aber zu einem nachhaltigen Trendwechsel bei Silber führen? Zunächst wächst die Wertschätzung der Tatsache, dass Silber wie auch Gold kein Gegenparteienrisiko hat, immer dann umso mehr, je größer das Gegenparteienrisiko der Anlageklassen wird, mit denen Silber konkurriert. In Zeiten ultrabilligen Geldes und einem 500-Jahres-Zinstief muss man allerdings auch nicht lange suchen, um einen Grund zum Kauf von Anleihen und Aktien zu finden. Die damit aufgehende Schere zwischen Preis und Wert führt dabei zu einer Über- oder Unterbewertung, die zumindest im langjährigen Mittel auf ihren Durchschnitt zurückläuft.

Der physische Silbermarkt wird darüber hinaus von lang- und kurzfristigen Angebots- und Nachfrageüberschüssen oder -defiziten beeinflusst. Der sinkende Silberpreis ließ in den letzten Jahren zum einen die Menge recycelten Silbers schrumpfen. Zum anderen dämpfte er die Entwicklungsaktivitäten der reinen Silberminen, wobei nur wenige neue Lagerstätten mit signifikanten Reserven entdeckt wurden. Beides begrenzt mittelfristig das Silberangebot und macht es vor allem preisunelastisch!

Da das Metall mit der Ordnungszahl 47 zu rund 70 % zusammen mit Zink-, Blei- und Kupfer- und Golderzen abgebaut wird, hat auch deren Förderwürdigkeit einen Einfluss auf den Silberpreis. Wie schon in den vergangenen Jahren ist auch 2019 mit einem Angebotsdefizit bei Silber zu rechnen. Rund die Hälfte des Silberangebots stammt aus den drei Ländern Mexiko, Peru und China, wobei alleine Mexiko mit rund 180 Mio. Unzen für rund 20 % der Fördermenge steht. Die Nachfrage hingegen schwankt stärker, weil die Komponente der Investmentnachfrage preiselastisch ist. Da jedoch die Zahl der Anwendungen von Silber stetig in immer breitere, relativ unkorrelierte Produktklassen vordringt, puffert dies tendenziell den Silberpreis nach unten. Auch wenn die Unsicherheit im Handelskonflikt zwischen den USA und China durchaus das Zeug hat, die Silbernachfrage zu dämpfen, sollte diese aus heutiger Sicht durch die höhere Investmentnachfrage ausgeglichen werden.

 

Der Silberterminmarkt - vom Schwanz und seinem Hund

 

Ein wesentlicher Einflussfaktor ist neben dem kleinen und dadurch sehr volatilen Spotmarkt der Terminmarkt für Silber. Dort herrscht die weltweit höchste Konzentration von Marktpositionen, allen voran die US-Investmentbank JP Morgan. Dort ist der Verkauf nicht vorhandenen Silbers möglich, was in Verbindung mit der niedrigen Marktgröße zu systematischen Preisverzerrungen führen kann. Die früher beabsichtigte Nutzung dieser Kontrakte zur Absicherung des Preisrisikos ist durch den Barausgleich dem Spekulationsmotiv gewichen. Und so wedelt der Schwanz (Terminmarkt) weiter viel zu oft mit dem Hund (Sportmarkt)!

Dies alles sollte aber nicht den strategischen Blick auf das Edelmetall verstellen, denn es sei daran erinnert, dass Silber entmonetarisiert wurde, weil es ,,strategisch‘‘ zu wertvoll war. Der Vormarsch von Handelsplätzen, die von einem Barausgleich zu einer physischen Unterlegungspflicht von verkauften Futurekontrakten gewechselt sind und damit zunehmend Liquidität anziehen, deutet auf eine steigende Wertschätzung des physischen Besitzes von Silber gegenüber der Barzahlung hin.

Alle genannten und weiteren Einflussfaktoren spiegeln sich im wichtigsten Preischart für Silber, der in US-Dollar notiert und damit den Blick von der Tatsache ablenkt, dass Silber wie Gold in vielen Weltwährungen deutlich höher notiert. Der Silberpreischart in US-Dollar ist durch die zu Beginn genannten Extrempunkte gekennzeichnet, wobei die Struktur des 2011 erreichten Höchstpreises und die Chartstruktur bis zu seinem Zyklustief im Dezember 2015 seither in kleiner Skale in ähnlicher Form erneut auftrat. Wichtiges Detail: Die jeweiligen Tiefstkurse auf kleiner Skale liegen jeweils über dem vom Dezember 2015 und fügen sich damit in eine Gesamtstruktur selbstähnlicher Muster (Fraktale) ein. Dies geht über die Messung von Korrekturzonen durch Fibonacci-Retracements hinaus und lässt damit frühere Mustervermutungen und das Setzen von sensibleren Handlungsschwellenwerten zu.

Fazit: Silber hat durch ein strukturelles Angebotsdefizit bei wachsenden Anwendungsfeldern mittelfristig Rückenwind. Hinzu kommt das Argument hoher relativer Attraktivität gegenüber Gold, denn das derzeitige Gold-Silber-Verhältnis von 90 verkennt die Tatsache, dass nur rund 9 mal mehr Silber als Gold gefördert wird und es nur rund 15 Mal häufiger in der Erdkruste vorkommt.

Die zunehmende Bedeutung physischen Besitzes von Silber sollte den Einfluss rein bargeldbasierten Settlements von Terminmarktkontrakten auf Silber und damit von leerverkauften Kontrakten in Zukunft verringern. Dies gilt umso mehr, je breiter Silber als Deckungsmetall für Kryptowährungen Anwendung findet.

Die fraktale Struktur des Preischarts von Silber in US-Dollar deutet jedenfalls darauf hin, dass sich seit 2013 deutlicher struktureller Aufwärtsdruck im Silberkessel gebildet hat. Ein nochmaliger Rückgang des Silberpreises dient aus fraktaler Sicht solange als Musterbestätigung, solange er über der Marke von 13,90 US-Dollar liegt. Das Chance-Risiko-Verhältnis ist damit in mehrfacher Hinsicht attraktiv, was von einer disziplinierten Risikobegrenzung unterhalb des genannten Niveaus nicht abhalten sollte.

 

06.06.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de





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