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Notenbanken in der Zwickmühle

Ein Marktbericht von Arndt Kümpel

 

Diese Woche steigt die Ereignisdichte der Geldpolitik weltweit. Denn es treten sowohl die US-Notenbank wie auch die Bank of Japan zusammen. Bereits heute baute EZB-Präsident Draghi im Zuge der zuletzt deutlich abgeschwächten Wachstumsdynamik in der Eurozone schon mal vor und machte klar, dass schon bei der letzten Sitzung des EZB-Rates vor 2 Wochen neue Maßnahmen besprochen wurden – etwa mehr Anleihekäufe, aber auch eine Verschärfung des Zinses für Bankeinlagen. Die Zielgröße der Inflation von nahe 2 % liegt inzwischen in immer größerer Entfernung, und für Draghi steigt damit das Risiko für die Preisstabilität im Euroraum.

 

Mal kurz gefragt: Warum brauchen wir eigentlich 2 % Inflation?

 

Die Begründung, die Notenbanken hätten eine bessere Ausgangsbasis bei der Verhinderung einer Deflation hat rein instrumentellen, aber keinen fundamentalen Charakter. Denn mit einem Inflationsziel von 0 % wäre die Notenbanken ziemlich schnell an der Schwelle zur Hilflosigkeit, weil deflationäre Tendenzen rasch zur Geldhordung und damit zu einer Abwärtsspirale der Preise führen können, zumal die Notenbank die Nachfrage nicht mehr mit einer Zinssenkung stimulieren könnte. Negativzinsen würden erst recht zu verstärkter Bargeldhaltung und dem Kauf von Edelmetallen führen, was die aktuellen Diskussionen um die Abschaffung des Bargeldes erklärt.

Nun sind die Gründe für die offensichtlich in den nächsten Wochen anstehende geldpolitische Lockerung realwirtschaftlicher und realpolitischer Natur. Die Plausibilität der Wirksamkeit von Geldpolitik beruht auf der Annahme, dass schlechte Nachrichten in der realen Welt gute für billigeres Geld sind und dieses schon wachstumsstimulierend wirken werde.

 

Aber sind schlechte Nachrichten wirklich gute Nachrichten?

 

Auch wenn die Märkte die Ankündigung der EZB zur Lockerung ihrer Geldpolitik feiern, bleibt sie überzeugende Argumente schuldig. Warum sollen niedrige Zinsen in einer überschuldeten Welt genauso oder überhaupt wirken wie in einer viel niedriger verschuldeten? Und warum soll das Vertrauen in die erste Situation ähnlich hoch sein wie in die zweite? Und warum schließlich soll eine Notenbank diese Situation noch stützen, anstatt die Auslese von Zombiefirmen, die bei risikoadäquater Kreditbepreisung schon lange insolvent wären, zu erschweren?

Die US-Notenbank steht unter großem Druck von US-Präsident Trump, die Zinsen zu senken und den Bilanzabbau zu beenden. Und dieser wird, sollte ihm die Wiederwahl nächstes Jahr gelingen, die Notenbank durch seine Personalauswahl für den FED-Board of Governors prägen. Von seiner Kritik an der ,,big fat ugly bubble‘‘ am Aktienmarkt, auf die er in seinem Wahlkampf stets anspielte, will er heute nicht nur mehr nichts wissen, sondern er braucht sie auch, um seiner Politik den Anschein von Erfolg zu geben. Es bleibt also abzuwarten, welche konkreten Ergebnisse dieser Vorwahlkampf in der Geldpolitik zeitigen wird.

Denn Dot-Plot hin, ,,geduldig, aber stets bereit‘‘ her: die Gefahr besteht, dass das Fed den Markt enttäuscht. Das Spiel, mit billigem Geld eigene Aktien zurückzukaufen, damit den Gewinn je Aktie aufzuhübschen und dann aufgrund der smarten Aktienkursentwicklung seinen eigenen Mehrwert zu maximieren ist eben nicht das, was reale Arbeitsplätze schafft und der Volkswirtschaft insgesamt guttut. Und damit hilft das FED eben gerade nicht, die massive Verschuldung zu senken, sondern erschwert dies letztendlich.

Die heutige indirekte Ankündigung einer geldpolitischen Lockerung durch die EZB könnte dem FED morgen die Möglichkeit eröffnen, für Juli eine Zinssenkung zu avisieren, ohne den US-Dollar relativ zum Euro zu stark zu schwächen. Denn das letzte, was die USA bei einer Zinssenkung bräuchten, sind steigende Inflationsraten.

 

US-Staatsanleihe 10 Jahre

 

Die 10-jährige US-Staatsanleihe signalisiert derzeit ein Fehlsignal des Zinsausbruches nach oben, denn die Rendite ist wieder unter den im Januar 2018 gebrochenen Abwärtstrend gefallen. Ebenfalls möglich ist ein größeres Umkehrmuster wie das eines Doppelbodens mit kurzer Schulterbildung (vgl. Rechtecke und Symmetrieachse in der Grafik). Sollte das FED das Unterscheiten des 2 %-Inflationsziel wirklich als temporär ansehen und sich die Aussichten auf eine Entschärfung des Handelskonfliktes mit China in finalen Verträgen konkretisieren, könnte die FED im Juli die Zinssenkungshoffnungen der Märkte enttäuschen. Sollte sich aber die makroökonomische oder weltpolitische Lage zuspitzen, ist eine schnelle geldpolitische Lockerung diesseits und jenseits des Atlantiks zu erwarten. Und dann wird sich zeigen, ob die Notenbanken noch die Kontrolle über die Geldpolitik haben.

 

18.06.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de





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Bewertungen, Kommentare und Fragen an den Redakteur

 

  • Arndt Kümpel - 20.06.2019 13:33:26 Uhr

    Hallo Hektor, nach der Entscheidung der FED gestern Abend wird eine geldpolitische Lockerung im Juli deutlich wahrscheinlicher. Ein stärkerer Zinsrückgang ist nun durchaus möglich. Zur möglichen Umkehrformation des Doppelbodens: Wenn die Zinsen der 10-jährigen US-Staatsanleihe die Symmetrieunterstützung bei 2,04% und dann auch ihr vorheriges Tief von 1,34 % vom Juli 2016 unterschreiten, ist diese Interpretation obsolet und es sind neue Zinstiefs zu erwarten. Der bestehende Abwärtstrendkanal weist dabei deutlich in den negativen Bereich! Von welchem Zinsniveau die dann zu erwartende, stark steigende Staatsverschuldung der USA die Zinsen wieder nach oben zieht, bleibt einstweilen schwer abzuschätzen. Die nächsten signifikanten Widerstände liegen bei rund 3%, 4% und 5%. Der Zeithorizont ist unsicher, ebenso der Zeitpunkt, an dem die Märkte, anders als derzeit, eine wie auch immer geartete Inflationserwartung einpreisen. VG Arndt Kümpel


  • H. S. Berlin - 19.06.2019 21:20:48 Uhr

    Hallo Herr Kümpel, für wie wahrscheinlich halten Sie denn eine Doppelbodenbildung bei den 10 jährigen US-Staatsanleihen? Und wenn man hier Chartregeln anwendet, wie hoch könnte der Zins denn danach auf Sicht von 1-3 Jahren steigen? VG Hektor S.


 

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