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Süßer Zankapfel Zucker

Ein Bericht von Arndt Kümpel

 

Eigentlich ist es ja ganz einfach: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Aber bei Agrarrohstoffen, und hier insbesondere bei Zucker, gelten oftmals andere Argumente als politisch wichtiger.

 

Die EU als Hochpreisinsel

 

Dies trifft vor allem auf die EU zu. Denn bis Oktober 2017 galt die langjährige EU-Zuckermarktordnung mit Produktionsbeschränkungen (Quoten), Mindestrübenpreis und Exportbeschränkungen, die die europäischen Rübenbauern und damit vor allem französische und deutsche Landwirte schützte. So war festgelegt, dass mindestens 85 % des in der EU vermarkteten Zuckers in der EU erzeugt sein müssen. Die Produktion in der EU war auf 13,5 Mio. Tonnen jährlich beschränkt, und die Zuckerproduzenten mussten den Rübenbauern einen Mindestpreis zahlen. Seither gilt zwar keine Quote mehr und ein zuckerpreisabhängiger Rübenpreis, aber weiterhin Zollschutz für den EU-Zuckermarkt.

Der Weltmarktpreis für Zucker lag in Euro gemessen dabei mit Ausnahme des Jahres 2011 deutlich darunter. Dort wird Zucker in US-Pfund (rund 454 Gramm) gehandelt und liegt seit Längerem bei rund 0,12 US-Cent, aktuell bei 0,1143 US-Cent (s. Grafik). Gleichwohl ist der niedrige Zuckerpreis für viele Marktteilnehmer eine Herausforderung, nicht zuletzt die europäischen Zuckerproduzenten. Dabei tragen zwar in Europa auch geänderte Konsumgewohnheiten dazu bei, dass die Konsumgüterhersteller verstärkt neue Produkte mit geringerem Zuckergehalt anbieten. Noch stärker wirkt sich aber nach Aufhebung der Produktionsquoten der Anstieg der EU-Zuckerproduktion aus. Im Ergebnis stagniert der Zuckerverbrauch in der EU seit Jahren, die Überschüsse drängen auf den Weltmarkt und drücken den Preis.

 

Der raue Weltmarkt

 

Da wären aber noch die vielen anderen Produzenten und Verbraucher. Weltweit hat Indien im Zuckerwirtschaftsjahr 2017-2018 mit einer Produktionssteigerung um knapp 60 % auf 35,3 Mio. Tonnen erstmals seit der Jahrtausendwende Brasilien mit 32,7 Mio. Tonnen von der Spitze verdrängt und ist gleichzeitig mit einem Konsum von 27,7 Mio. Tonnen weit vor der EU mit 18,6 Mio. Tonnen und China mit 17 Mio. Tonnen der größte Verbraucher.

Brasilien hingegen verarbeitete einen deutlich höheren Anteil seiner Zuckerrohrernte zu Ethanol und hat seine Zuckerproduktion 2018 um rund 25 % gegenüber dem Vorjahr reduziert. Wesentliche Ursache hierfür ist das anhaltend niedrige Preisniveau auf den internationalen Zuckermärkten. Hinzu kommt, dass in der Landwirtschaft Brasiliens so ziemlich alles erlaubt ist, was in der EU verboten ist. Dies dürfte perspektivisch Wasser auf die Mühlen der Gegner des EU-Mercosur-Abkommens sein, dessen Ratifizierung dadurch erschwert wird.

 

WTO & Co.

 

Derweil versucht Indien, seine Zuckerüberschüsse ebenfalls loszuwerden, und stützt dabei auf verschiedenen Wegen seine Bauern. Es plant den Export von bis zu 8 Mio. Tonnen Zucker, was die Zuckerlobby anderer großer Zuckerproduzenten auf den Plan ruft und zu einem Schiedsverfahren Australiens, Brasiliens und Guatemalas vor der WTO gegen die indische Zuckersubventionspolitik geführt hat. Denn auch Australien mit knapp 5 Mio. Tonnen Jahresproduktion hat das Ziel, bis 2030 Agrargüter im Wert von 100 Mrd. australischen Dollar zu produzieren. Es hält die WTO Regeln ein, sieht dies im Falle Indiens aber nicht gewährleistet. Denn diese sehen eine Subvention bis maximal 10 % des Produktionswertes vor, während Indien bis zu 100 % stützt. Ende offen!

Diese Gemengelage wird insbesondere im Weltmarktpreis für Rohzucker sichtbar. Die Überschüsse der letzten beiden Zuckerwirtschaftsjahre müssen abgebaut werden, während gleichzeitig keine Regierung ihre Bauern hängenlassen will, die nicht nur in der EU, sondern auch in Brasilien, Australien und Indien über eine effektive Lobby verfügen.

 

Zucker monatlich

 

Das alles drückt auf den Preis, der sich seit dem Hoch im Februar 2011 faktisch gedrittelt hat. Die Widerstandszone bei 0,134 US-Dollar ist stark, zumal sich der Zuckerpreis seit dem kurzen Rutsch unter die Marke von 1 US-Dollar im August 2018 nun anscheinend anschickt, dieses Zwischentief nochmals zu testen.

Fazit: Der Zuckerpreis leidet weiter an einem Überangebot aus Altbeständen und Überproduktion. Nationale Exportsubventionsstrategien, insbesondere Indiens, führen zu zunehmenden Spannungen innerhalb der WTO, wobei vor allem Brasilien eine gütliche Einigung anstrebt. Bis dahin bleibt abzuwarten, ob die Zuckerproduzenten dem Marktdruck standhalten können. Überraschungen wie etwa Missernten können diese Gleichung allerdings schnell wieder durcheinanderwirbeln. Von einem Engagement in Zucker ist deshalb derzeit abzuraten.

 

18.07.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de





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