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Bundesbankpräsident Jens Weidmann tritt zurück

Präsident der Deutschen Bundesbank tritt zum Jahreswechsel ab

NTG24 - Bundesbankpräsident Jens Weidmann tritt zurück

 

Dr. Jens Weidmann hat heute bei Bundespräsident Steinmeier um seine Entlassung aus dem Amt des Bundesbank-Präsidenten zum 31.12.2021 gebeten. Der deutschen stabilitätsorientierten Geldpolitik könnte damit unter einer neuen Regierung eine Neuausrichtung bevorstehen.

Der seit 2011 amtierende Bundesbankpräsident Dr. Jens Weidmann hat am heutigen Mittwoch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus persönlichen Gründen um seine Entlassung aus dem Amt zum 31.12.2021 gebeten.

In einem Brief an die Bundesbankmitarbeiter schreibt er: „Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass mehr als 10 Jahre ein gutes Zeitmaß sind, um ein neues Kapitel aufzuschlagen – für die Bundesbank, aber auch für mich persönlich. … Die Finanzkrise, die Staatsschuldenkrise und zuletzt die Pandemie haben in Politik und Geldpolitik zu Entscheidungen geführt, die lange nachwirken werden. Mir war es dabei immer wichtig, dass die klare, stabilitätsorientierte Stimme der Bundesbank deutlich hörbar bleibt‘‘.

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Werbebanner ZB-SeminarDr. Weidmann war in der Spätphase der Turbulenzen der Finanzkrise 2008/2009 und in der heißen Phase über ein mögliches Ausscheiden Griechenlands aus dem Euroraum 2011 mit 43 Jahren der jüngste Präsident der Bundesbank geworden, nachdem sein Vorgänger, der heutige Verwaltungsratspräsident der schweizerischen Großbank UBS, im Streit über die Geldpolitik der EZB zurückgetreten war.

 

In seiner damaligen Antrittsrede mahnte er an: „In der Geldpolitik geht es um den Ausstieg aus den krisenbedingten Sondermaßnahmen sowie um eine klare Trennung der Verantwortlichkeiten von Geld- und Fiskalpolitik.‘‘

Im Juli 2011 äußerte Weidmann deutliche Kritik an der deutschen Politik und sprach sich gegen den Aufkauf von Staatsanleihen durch den europäischen Rettungsfonds aus. Im September 2011 distanzierte sich Weidmann von der Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank EZB, die mit ihren geldpolitischen Maßnahmen zur Beruhigung der Märkte beträchtliche Risiken in ihre Bilanz genommen habe, an deren Haftung der deutsche Steuerzahler einen Anteil von 27 % habe.

Im September 2012 stimmte Weidmann in einer EZB-Ratsabstimmung als Einziger mit „Nein“ gegen einen Beschluss, unter bestimmten Bedingungen unbegrenzt Staatsanleihen der Mitgliedsländer zu kaufen.

Diese Splitter seiner geldpolitischen und stabilitätspolitischen Positionierung verdeutlichen, dass Jens Weidmann ein ,,geldpolitischer Falke‘‘ ist, der die Risiken einer extrem expansiven und auf weichen Regeln basierenden Geldpolitik sehr kritisch gegenübersteht.

In seiner heutigen Stellungnahme auf dem Internetauftritt der Bundesbank betont Weidmann nun, dass es bei der Umsetzung der neuen geldpolitischen Strategie der EZB entscheidend sein wird, nicht einseitig auf Deflationsrisiken zu fokussieren, sondern auch perspektivische Inflationsgefahren nicht aus dem Blick zu verlieren.

Nach seiner festen Überzeugung werde eine stabilitätsorientierte Geldpolitik auf Dauer nur möglich sein, ,,wenn der Ordnungsrahmen der Währungsunion weiterhin die Einheit von Handeln und Haften sichere, die Geldpolitik ihr enges Mandat achte und nicht ins Schlepptau der Fiskalpolitik oder der Finanzmärkte gerate.‘‘

 

Was steht zwischen den Zeilen?

 

Dass Dr. Jens Weidmann mit aktuell 53 Jahren noch einmal eine neue Herausforderung annehmen könnte, ist sehr plausibel. Das macht die zur Begründung angeführten persönlichen Gründe glaubhaft.

Dass er damit bis nach der deutschen Bundestagswahl abgewartet hat spricht für taktisches Gefühl. Denn nun ist klar, dass eine stabilitätsorientierte Geldpolitik noch schwerer werden dürfte als sie es bislang ohnehin schon war.

Sein Vorgänger Axel Weber hatte die Bundesbank bereits vorzeitig verlassen, und auch die ebenfalls als ,,geldpolitischer Falke‘‘ geltende frühere Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank von 2011 bis 2014 und Direktorin der EZB von 2014 bis 2019, Sabine Lautenschläger, galt als kritisch gegenüber der extrem expansiven Geldpolitik der EZB. Kurz vor Beginn der letzten geldpolitischen Sitzung der Notenbank, die ihrem Rücktritt voranging, hatte sie sich gegen einen Neustart des EZB-Anleihekaufprogramms ausgesprochen.

Die Betonung des Ordnungsrahmens der europäischen Geldpolitik fällt in eine Zeit, in der die immer geforderte Trennung von Geld- und Fiskalpolitik immer unschärfer wird. Die Mahnung, die Inflationsgefahren im Euroraum nicht zu unterschätzen, stellt Weidmann ganz in die Grundposition der geldwertstabilitätsorientierten Deutschen Bundesbank.

Diese Erinnerung im Kontext der Betonung der Unabhängigkeit der EZB zeigt, dass Weidmann das Risiko zu sehen scheint, dass die EZB zur monetären Staatsfinanzierung missbraucht werden könnte.

Dass dieselbe EZB unter der französischen Ex-Ministerin Lagarde nun nicht nur eine höhere Inflation in Kauf nimmt, sondern auch unter der Flagge des Umweltschutzes viel mehr macht als nur Geldpolitik, ist dabei mehr als nur eine Randglosse. Denn die EZB hat nach ihren Gründungsverträgen kein Mandat zur Finanzierung der Umweltpolitik.

Ohnehin besitzt die EZB nach den jahrelangen und von Jens Weidmann wiederholt kritisierten Anleihe-Ankaufprogrammen inzwischen die faktische Rolle eines Nachfrage-Oligopolisten am Markt für Euro-Staatsanleihen. Wie die EZB aus dieser ,,Marktecke‘‘ wieder herauskommen will, hat sie bislang nicht verraten. Die Antwort könnte interessant werden, vor allem wenn die Inflationsraten nicht nur vorübergehend steigen und der Markt nicht mehr bereit ist, die durch die EZB-Ankaufstrategie niedrig gehaltenen Zinsen zu akzeptieren.

Weidmann mag das alles nicht gewollt haben und hat dies auch zum Ausdruck gebracht. Geändert hat es im Ergebnis wenig.

 

Und was ist das Fazit?

 

Der Abschied von Dr. Jens Weidmann als Präsident der Deutschen Bundesbank könnte auch in Deutschland zu einer geldpolitischen Zäsur führen. Nämlich dann, wenn die neue deutsche Regierung keinen ,,Falken‘‘, sondern eine geldpolitische ,,Taube‘‘ zum neuen Präsidenten beruft. Diese trifft allerdings auf eine Institution, in deren ,,DNA‘‘ der Geist der Geldwertstabilität eingewoben ist. Konflikte dürften damit auch Bundesbank-intern vorprogrammiert sein.

Mit Dr. Jens Weidmann dürfte allerdings weiter zu rechnen sein. Er ist in den besten Jahren, hat eine enorme Reputation, deren Basis auch der Zweitgutachter seiner Doktorarbeit und Vorgänger, Prof. Dr. Axel Weber, bereits erkannte.

Aus dieser Perspektive ist eine Aufgabe vorstellbar, in der Weidmann wirkungsvoller für geldpolitische Stabilität wirken kann. Man darf auf seinen weiteren Lebensweg gespannt sein, auch für das Wohl Deutschlands!

 

20.10.2021 - Arndt Kümpel

Unterschrift - Arndt Kümpel

 

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