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Corona-Krise – ein guter Zeitpunkt zum Umbau der EU?

Deutscher Finanzminister - Gemeinsame Schuldenaufnahme in EU wird bleiben

NTG24 - Corona-Krise – ein guter Zeitpunkt zum Umbau der EU?

 

Die jüngsten Einlassungen des deutschen Finanzministers Scholz zur Frage, wie die Schuldenaufnahme im Zuge des Corona-Wiederaufbaufonds zu bewerten sind, lassen tief blicken.

Bundesfinanzminister Scholz sagte nach Informationen des Nachrichtenportals ,,EU-info.de‘‘ von gestern, dass es ein Fortschritt sei, der sich nicht mehr zurückdrehen lässt.

 

Fortschritt in eine gewünschte oder auch legitimierbare Richtung?

 

Angesichts des massiven Widerstandes auf EU-Mitgliedsstaaten-Ebene und den großen ungelösten Verfassungsfragen bei der ,,Weiterentwicklung‘‘ der EU in Richtung eines Bundesstaats mit Steuerhoheit fragt man sich wirklich, wie Herr Scholz für Deutschland sprechen kann.

Herr Scholz sagt nun, die im Zuge der Corona-Krise vereinbarte gemeinsame Schuldenaufnahme in Europa sei ,,keine krisenbedingte Eintagsfliege‘‘. Danach ist Scholz der Ansicht, dass ,,der Wiederaufbaufonds ein echter Fortschritt für Deutschland und Europa ist, der sich nicht mehr zurückdrehen lässt.‘‘

Die EU nehme erstmals gemeinsame Schulden auf, setze diese gezielt gegen die Krise ein und verpflichte sich, bald mit der Rückzahlung zu beginnen. All dies seien tiefgreifende Veränderungen, vielleicht die größten Veränderungen seit Einführung des Euro.

Es mag ja im Drehbuch eines SPD-Kanzlerkandidaten stehen, dass man in diese Richtung argumentiert. Aber wird Herr Scholz auch seiner Verantwortung für die nationalen Interessen Deutschlands gerecht, die scheinbar im Rettungsgetöse aus allen medialen Seiten unterzugehen scheinen?

Ja, es ist möglich, dass die Kompetenzverschiebung auch bei der Steuerhoheit in Richtung EU Teil eines Planes ist, die Staatsqualität der EU von oben ohne hinreichende demokratische Legitimation herbeizuführen. Das aber darf (immer noch) zu Recht Widerspruch auslösen.

Dies ruft verständlicherweise aufseiten des Koalitionspartners CDU heftige Kritik hervor. So sagte der Haushaltsexperte der CDU, Eckhardt Rehberg, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: ,,Herr Scholz gibt immer mehr den Kanzlerkandidaten der SPD als den verantwortungsvollen Bundesfinanzminister,‘‘ und fügte hinzu: ,,Mit uns sind keine gemeinsamen europäischen Schulden zu machen und auch keine Eurobonds‘‘.

Und auch mit der CDU-Fraktion im Bundestag hat Herr Scholz seinen Vorstoß nicht abgestimmt. ,,Das ist umso erstaunlicher, als der Bundestag ja in den kommenden Wochen den Eigenmittelbeschluss zur Finanzierung des europäischen Wiederaufbaufonds fassen muss‘‘, so Rehberg.

 

Wo ist die öffentliche Debatte zur Finalität der EU?

 

Deutschland hat sich jahrelang gegen eine gemeinsame Schuldenaufnahme und Finanzhilfen an überschuldete Länder wie Italien und Spanien gewehrt.

In der Corona-Krise aber haben Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Scholz nach Abstimmung mit Frankreich einen Richtungswechsel eingeleitet.

Das kann man unter der Flagge der Weiterentwicklung der EU gut finden. Man muss es aber nicht, und man darf auch entschieden dagegen sein, ohne dass man auch nur die Spur gegen die Idee Europas ist!

Denn die eklatanten juristischen und demokratischen Defizite bleiben bestehen und dürften auch nicht von alleine kleiner werden.

Denn die Rechtfertigung von Herrn Scholz, dass man mit der Schuldenaufnahme nun auch zwangsläufig über gemeinsame Einnahmen der EU muss, welches die Handlungsfähigkeit der EU verbessere, ist keine Rechtfertigung für das Auslassen einer tiefen Debatte der Finalität Europas.

Hier lohnt sich, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nachzulesen, und zwar nicht nur die letzte wichtige Entscheidung vom 05.05.2020!

Die Corona-Krise wird nun aber faktisch dazu genutzt, genau diese Debatte, die die eigentliche Legitimierung der EU darstellt, zu umgehen und mit dem Corona-Krisenmodus zu unterdrücken.

Da hilft es auch nicht, dass Scholz zu Recht betont, dass die Frage der Rückzahlung der Gelder aus dem Rettungsfonds schnell relevant werden kann. Denn dies solle nicht zulasten des regulären EU-Haushalts gehen. Deshalb seien eigene EU-Einnahmen sinnvoll, etwa durch den Emissionshandel im Schiffs- und Luftverkehr, bei der Besteuerung von Finanztransaktionen oder digitalen Plattformen.

Und weil man nun anscheinend dabei ist, einen EU-Bundesstaat ,,by Design‘‘ aus der Taufe zu heben, will Herr Scholz auch gleich noch zur Steigerung der ,,schnelleren Handlungsfähigkeit‘‘ die Abstimmungsregeln in den EU-Räten ändern. ,,Die EU braucht die Möglichkeit, gemeinsam zu handeln. Dafür braucht es aber qualifizierte Mehrheitsentscheidungen bei der Außen-, Fiskal- oder Steuerpolitik statt dem Zwang zur Einstimmigkeit in den EU-Räten‘‘, so Scholz.

Die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsländer hatten sich vor einigen Wochen ein Corona-Krisenprogramm im Umfang von 750 Mrd. Euro beschlossen. 390 Mrd. Euro sollen als direkte Zuschüsse und 360 Mrd. Euro als Kredite gewährt werden. Außerdem wird die EU-Kommission erstmals europäische Schulden an den Finanzmärkten aufnehmen, die bis 2058 zurückgezahlt werden sollen.

 

Fazit

 

Es bleibt über die wahltaktischen Überlegungen von Herrn Scholz hinaus festzustellen, dass die Corona-Krise die Legitimationsschwäche der EU-Strukturen offengelegt hat. Die Steuerungsmacht von medialen Narrativen schafft eine gefährliche Möglichkeit, konstitutive Diskussionen zu umgehen. Die strategisch fatale Rechtfertigung mit der Macht des Faktischen im Krisenmodus schafft dabei neue demokratische und juristische Risiken, nicht nur für Deutschland, sondern auch für die EU selbst. Auch wenn der Einwand seine Berechtigung hat, dass die EU in Krisen gewachsen ist und am Ende der Befriedung Europas dient, bleibt ebenso richtig, dass sämtliche institutionellen Gebilde, seien es europäische wie auch nationale, am Ende zwingend vom ,,generalisierten Vertrauen‘‘ seiner Bürger abhängen. Werden die Erhaltungsbedingungen für dieses institutionelle Vertrauen zerstört, hat man eine kleine Krise gegen eine große getauscht. Dann aber dürften auch keine modellierten Narrative mehr helfen.

Und wie steht eigentlich die zentrale Figur der deutschen Politik, Bundeskanzlerin Merkel, dazu?

Man darf auf den nächsten Bundestagswahlkampf gespannt sein!

 

24.08.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de

 

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