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Gute und schlechte Begründungen für Negativzinsen

Bargeld, Negativzinsen und Public Policy

NTG24 - Gute und schlechte Begründungen für Negativzinsen

 

Es ist bekannt, dass Kenneth Rogoff einer der Hauptverfechter negativer Zinsen ist. Er ist als Ökonom wie als Schachgroßmeister hochdekoriert, lehrt seit 1999 Public Policy an der Universität Harvard und war auch schon mal Chefvolkswirt des IWF. Er ist ein neoliberaler Ökonom, der den Monetarismus vertritt.

Er vertritt die Ansicht, dass man das Bargeld abschaffen sollte, weil es die Kriminalität begünstige.  Man möchte Prof. Rogoff in Deutschland gerne mal fragen, wie er das empirisch begründet.

 

Bargeld, Geldwäsche und ,,kleine Anfragen''

 

Im Zuge der Absenkung der Meldeschwelle für Edelmetallkäufe zum Jahreswechsel 2019/2020, die explizit mit dem Kampf gegen die Geldwäsche begründet wurde, erbrachte eine Anfrage der FDP im Zuge der Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie Erstaunliches. Denn danach ist die Rechtfertigungsgrundlage für die darin enthaltenen drastischen Maßnahmen mehr als dünn. Dies zeigt die Antwort der Bundesregierung vom 03.09.2019 auf die kleinen Anfrage der FDP-Fraktion vom 16.08.2019.

Darin fragt die FDP-Fraktion die Bundesregierung, wie hoch die Zahlen der Verdachtsfälle sowie die Zahl der tatsächlich strafrechtlich verfolgten Meldefälle in den Jahren 2017 und 2018 waren. Ergebnis: 2017 wurden 59.845 Fälle gemeldet, von denen es in 474 Fällen zu Anklageschriften, Strafbefehlen und Urteilen kam. 2018 waren es dann bei 77.252 Verdachtsfällen und bislang 275 weiterführende Fälle. Bezug zu Edelmetallen bestand in nur ab 26.06.2017 erfassten, weitergeführten Fällen 64 Mal bzw. annualisiert 132 Fällen, und 2018 lag der Anteil der Fälle mit Edelmetallbezug bei 175.

Annualisiert 132 Fälle im Jahr 2017 und 175 Fälle im Jahr 2018 bilden die Datenbasis für die Absenkung der Meldeschwelle bei Edelmetallkäufen. Die Relevanzquote beträgt für 2017 annualisiert 0,22 % der Verdachtsfälle und für 2018 0,23 %.

 

Verhältnismäßigkeit sieht anders aus

 

Und es zeigt auch, dass die steile These von Rogoff in Deutschland auf empirischem Treibsand steht. Im Mai 2020 argumentiert Rogoff an dieser Stelle schon offener. Denn die Fragilität der Weltwirtschaft stellt die Frage, wer die abzusehende riesige Rechnung bezahlen soll, immer dringender, in Washington wie in Frankfurt. Die Reaktion von EZB-Präsidentin Lagarde in einer ihrer letzten Pressekonferenzen zur Frage, wie die EZB die Interessen der Sparer bei Negativzinsen schützen würde, ist dabei mehr als erhellend!

In einem aktuellen Beitrag fragt Rogoff: ,,Was ist, wenn es – wie zu vermuten ist – Jahre dauert, bis sich die US- und die Weltwirtschaft wieder auf das Niveau von 2019 zurückgekämpft haben? In diesem Fall besteht kaum Hoffnung, dass alle Unternehmen lebensfähig oder alle Einzelstaaten oder Kommunen solvent bleiben. Vernünftiger ist es, davon auszugehen, dass nichts mehr sein wird wie vorher. Es wird zur Vernichtung von Vermögen im katastrophalen Umfang kommen, und die Politik wird einen Weg finden müssen, um sicherzustellen, dass die Gläubiger zumindest in einigen Fällen einen Teil der Verluste tragen – ein Prozess, der jahrelange Verhandlungen und Gerichtsverfahren beinhalten wird.‘‘

 

Ausblick

Bildnachweis: © Deutsche Lufthansa AG

 

Dieser Ansatz macht die Hartnäckigkeit, mit der Rogoff für Negativzinsen und gleichzeitige Abschaffung des Bargeldes eintritt, schon viel plausibler. Es geht im Grunde nämlich gar nicht um Geldwäsche von Kriminellen, sondern um einen Weg, private Ersparnisse zur Absorbierung von Verlusten zu nutzen.

 

Aber wie kann das gehen?

 

Er beschreibt dies konkret: ,,Wäre es also – bevor man chirurgische Maßnahmen zur Umstrukturierung sämtlicher Schulden durchführt – nicht besser, eine Dosis normaler geldpolitischer Impulse auszuprobieren? Eine Anzahl wichtiger Schritte sind erforderlich, um stark negative Zinsen praktikabel und wirksam zu machen. Der Wichtigste davon, den bisher keine Notenbank (einschließlich der EZB) ergriffen hat, ist, zu verhindern, dass Finanzunternehmen, Rentenkassen und Versicherungsgesellschaften in großem Umfang Bargeld horten. Dies sollte durch verschiedene Kombinationen aus Regulierung, zeitlich variablen Gebühren für großumfängliche Wiedereinlagen von Geld bei der Notenbank und der allmählichen Einziehung von Banknoten mit hohem Nennwert gelingen.‘‘

 

Dazu kann man nur sagen: Der eine ist vorher klüger, der andere hinterher.

 

Und so schlussfolgert Rogoff: ,, Wenn das Horten von Bargeld in großem Umfang vom Tisch ist, wäre das Problem, die negativen Zinsen an die Einleger der Banken weiterzureichen – die fühlbarste Sorge – gelöst. Selbst ohne ein derartiges Horten komplett zu verhindern (was riskant und teuer ist), sind die europäischen Banken zunehmend imstande, Negativzinsen an Großeinleger weiterzugeben. Und die Regierungen würden nicht viel aufgeben, indem sie Kleinanleger völlig vor negativen Zinssätzen schützen. Um es noch einmal zu sagen: Mit ausreichend Zeit und Planung ist dies nicht schwierig.‘‘

Und da macht es sich doch gut, wenn Negativzinsen in den Industrieländern wenigstens für die Entwicklungsländer ,,ein Segen‘‘ sind. ,, Eine Politik stark negativer Zinssätze in den hochentwickelten Volkswirtschaften wäre zudem ein enormer Segen für die Schwellen- und Entwicklungsländer, die stark unter fallenden Rohstoffpreise, Kapitalflucht, hohen Schulden und schwachen Wechselkursen leiden – von den frühen Stufen der Pandemie gar nicht zu reden. Selbst mit Negativzinsen würden viele Länder noch immer ein Schuldenmoratorium brauchen. Doch ein schwächerer Dollar, ein stärkeres weltweites Wachstum und eine Verringerung der Kapitalflucht würden helfen, insbesondere was die großen Schwellenmärkte angeht.‘‘

 

Fazit

 

Der Ökonom Rogoff skizziert eine Politik, die kaum diskutiert wird, deren Einführung aber, wie obiger Exkurs zum deutschen Geldwäschegesetz, bereits in vollem Gange ist. Aus dieser Perspektive gewinnen Edelmetalle noch zusätzlichen Charme, denn sie vermeiden nicht nur Negativzinsen, sondern Gold und Silber sind zudem auch noch hochliquide Anlagen und global in vielen Augen Geld. Es bleibt einstweilen die Unsicherheit, wann die oben beschriebenen Argumente mehrheitsfähig werden. Bis dahin bleibt nur die Botschaft – hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott!

 

05.05.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de

 

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