Lithium im Radar nationaler Rohstoff-Strategien
Lithium-Nationalismus in Lateinamerika
Die wachsende strategische Bedeutung von Lithium für die Energiespeicherung macht es zu einem strategischen Rohstoff und dadurch zu einem regulatorischen ,,Objekt der Begierde‘‘. Die regionale Konzentration der Lithium-Lagerstätten in Lateinamerika könnte in Kombination mit den hohen wirtschaftlichen und sozialen Kosten der Corona-Pandemie zu einem zusätzlichen Preisrisiko auf dem Weltmarkt werden.
Die stärkere Bindung der Rohstoffförderung an nationale Interessen ist keine neue Idee auf der Suche nach Möglichkeiten, die nationale Wohlfahrt zu steigern. Fällt das Interesse aber auf strategische Rohstoffe, die als limitierender Faktor ganzer volkswirtschaftlicher Entwicklungsszenarien fungieren, steigt damit auch der Einsatz im Regulierungs-Poker.
Die von der Corona-Pandemie schwer getroffene Region Lateinamerika ist das jüngste Beispiel für eine neue Dynamik, die die Regulierung von ins Zentrum von Wohlfahrtsgewinnen stellt.
In Lateinamerika lagern nach aktuellem Kenntnisstand rund die Hälfte der weltweiten Lithium-Ressourcen. Mit der politischen Priorisierung der Abkehr von fossilen Rohstoffen steigt der strategische Wert aller Basis-Rohstoffe, die für diesen ,,grünen Umbau‘‘ der Weltwirtschaft im Allgemeinen und der Energiespeicherung im Besonderen notwendig sind.
In Argentinien beginnen bereits Staatsunternehmen, in die Lithiumförderung einzusteigen, und in Chile könnte die neue Verfassung zu strikteren Förderbedingungen für Bergbau-Unternehmen führen. In Mexiko schließlich prüft die Regierung aktuell die Möglichkeiten, die Lithium-Lagerstätten zu nationalisieren.
Je mehr allerdings die soziale Ungleichheit nicht zuletzt ausgelöst durch die Corona-Lockdown-Maßnahmen, zunimmt, umso stärker dürfte der politische Druck für eine Umverteilung bzw. Vergesellschaftung der mineralischen Ressourcen im Inland werden.
Die Diversifizierung in das Wachstumsfeld der erneuerbaren Energien ist dabei für sich genommen noch kein Ressourcen-Nationalismus. Es bleibt deshalb abzuwarten, wie der Eintritt der staatlichen argentinischen Ölgesellschaft YPF SA die Marktbedingungen in diesem Bereich verändert.
Dies beginnt bei der Finanzierung, betrifft aber auch die Beschaffung, die Preispolitik, den Export des geförderten Lithiums und schließlich die Weiterverarbeitung entlang der gesamten Wertschöpfungskette lithiumbasierter Energiespeicher mit Staatshilfe.
Argentinien stützt sich bei seinen Plänen nicht zuletzt auf den großen Kreditgeber und Exportmarkt China. In Buenos Aires regt dies die Wachstumsfantasie für die lokale Produktion lithium-basierter Batterien und von Elektro-Autos an. Argentinien befindet sich diesbezüglich in Gesprächen mit der chinesischen Gotion High-Tech Co. Und der Ganfeng Lithium Co.
Bislang war der politische Druck auf Lithium-Förderunternehmen zu Investitionen in die nachgelagerte Lithium-Verarbeitung in Lateinamerika wenig erfolgreich. Zu weit entfernt waren die Abnehmer und zu restriktiv die politischen Vorgaben. In Bolivien etwa sind die Auflagen für ,,Downstream-Investitionen‘‘ eines der großen Hindernisse, um das Lithium überhaupt erst einmal zu fördern.
Und was ist das Fazit?
Die regionale Ungleichverteilung bei den derzeitig bekannten Lithium-Lagerstätten verschafft der Region Lateinamerika einen strategischen Vorteil, der in der strategischen Handelspolitik von großer Bedeutung ist. Strategische Handelspolitik umfasst dabei alle wirtschafts- und unternehmenspolitischen Maßnahmen, die den Markteintritt und die Marktposition nationalen Anbieter insbesondere in entwicklungsstrategisch wichtige Technologien wie der Energiespeicherung sichern.
Die Corona-Pandemie ist aus dieser Perspektive ein Push-Faktor für Bestrebungen zur staatlichen Regulierung des Ressourcen-Reichtums, da es den politischen Druck zur Umverteilung erhöht. Sollten diese politischen Bestrebungen insbesondere in Argentinien, Chile und Bolivien zu einer politisch induzierten Verknappung der Lithium-Versorgung führen, dürfte dies zu einer zusätzlichen Sensitivität des Lithium-Preises in Bezug auf die politische Regulierung der Lithium-Förderung führen.
30.06.2026 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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