US-Ölförderung und der WTI-Ölpreis
Öl: Saudi-Arabien und Russland überholen die USA
Die Corona-Krise hat auch auf dem Ölmarkt die Verteilung der Marktanteile aufgemischt. Waren die USA zu Beginn des Jahres noch weltgrößter Ölförderer, so hat sich das Bild mit dem Corona-Lockdown und den Folgen deutlich geändert.
Mit dem Absturz der Ölnachfrage und im Zuge dessen auch des Ölpreises befinden sich viele Ölförderer in den USA am Rande der Zahlungsunfähigkeit.
Ein Blick auf die Entwicklung des Ölpreises der Sorte WTI (Western Texas Intermediate) zeigt, dass sich der Ölpreis, nachdem er im April auf null und für einige Ölsorten sogar unter null gefallen war, inzwischen wieder deutlich erholt hat.
Allerdings zeigt ein Blick auf Wochencandle-Basis, dass dem Ölpreis, der auch von einem kurzfristig schwächeren Dollar profitiere, inzwischen wieder die Luft auszugehen scheint.
Es sollte deshalb niemanden überraschen, wenn der Ölpreis wieder den Weg nach Süden einschlägt, insbesondere dann, wenn der US-Dollar erneut erstarkt.
Die Ölbranche schiebt derweil ihre strukturellen Probleme vor sich her. Der Ölförder-Boom in den vergangenen Jahren, der die USA zum weltgrößten Ölförderer machte, hat die Verschuldung der Unternehmen extrem ansteigen lassen.
Die Unternehmen, welche Fracking-Fördertürmen betreiben, mussten in den vergangenen Wochen rund 80 % der Anlagen stilllegen. Nach Angaben des US-Energieministeriums sind derzeit nur noch 169 Förderanlagen aktiv. Denn auch der derzeitige Ölpreis liegt für viele Fracking-Unternehmen noch unter dem Break-Even-Point, also der Gewinnschwelle.
Ergebnis: Nach einer Schätzung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte sind 30 % der Unternehmen technisch zahlungsunfähig. Rund 20 % der Unternehmen leiden unter ,,gestressten Finanzen‘‘. Zudem droht eine Abschreibung von Vermögenswerten von über 300 Mrd. Dollar.
Einhergehen dürfte damit aber auch ein starker Einbruch der US-Ölförderung. Wegen erheblicher Vorlaufzeiten ist zu erwarten, dass sich der Produktionsrückgang bis weit ins Jahr 2021 erstreckt.
Dagegen haben Russland und Saudi-Arabien ihre Produktion im Zuge der Bemühungen von OPEC+, den Ölpreis zu stabilisieren, verringert, ein Anstieg der Produktion auf rund 11 Mio. Barrel pro Tag ist aber ohne größere Probleme möglich.
Die US-Fracking-Ölproduktion ist seit Mai bereits um mehr als eine Mio. Barrel pro Tag gefallen, und die US-Ölproduktion insgesamt dürfte aktuell bei rund 10,5 Mio. Barrel liegen. Nach Analystenschätzungen könnte die Produktion aber bis Mitte 2021 auf 8 Mio. Barrel.
Fazit
Die Frackingindustrie in den USA steckt zwischen Baum und Borke. Der politische Gegenwind der Ökologie-Bewegung könnte sich im Falle einer Wahlniederlage von US-Präsident Trump deutlich verstärken. Aus historischer Perspektive wäre dann die Dominanz der USA in der Ölproduktion nur ein flüchtiges Phänomen gewesen. Aber so weit ist es noch nicht, und vor November 2020 wird die politische Unsicherheit über den zukünftigen US-Präsidenten weiter bestehen bleiben. Bis dahin dürfte aber ebenso entscheidend sein, ob es zu einer neuen Corona-Welle kommt und wie die Realwirtschaft darauf reagiert. Ein erneuter Lockdown dürfte allerdings die US-Fracking-Industrie noch weiter in Richtung Zahlungsunfähigkeit treiben. Rufe nach Rettungsmaßnahmen dieser ,,strategisch wichtigen‘‘ Branche kann man sich da leicht vorstellen.
25.06.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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