Der Ölpreis könnte weiter steigen
Der Ölpreis, Sanktionen und die OPEC + Gruppendisziplin
In unserem Beitrag zum Ölpreis am 03.03.2021 hatten wir darauf hingewiesen, dass sich dieser nach dem schnellen Anstieg seit Anfang Februar nun seinem seit der Krim- bzw. Ukraine-Krise 2014 laufenden Abwärtstrend nähert. Und inzwischen hat er an diesem auch ,,gekratzt‘‘, was signalisiert, dass die Aufwärtskräfte auch nach dem Anstieg von rund 55 Dollar auf über 70 Dollar weiterhin stark sind. Inzwischen hat der Brent-Ölpreis wieder etwas von diesen Gewinnen abgegeben und diese damit konsolidiert. An dem ,,big picture‘‘ hat sich allerdings wenig geändert.
Der Ölpreis hat nun zwar auf die anhaltende Blockade des Suezkanals durch einen gestrandeten Containerfrachter nur wenig reagiert. Darunter liegend ist ein Teil der Zuversicht auf der Nachfrageseite des Ölmarktes im Zuge der wieder verschärften Lockdowns vor allem in Europa entwichen.
Auffällig ist aber auch etwas anderes. Zum einen zeigt die seit Beginn der Corona-Pandemie im Vergleich zu früher relativ hohe Disziplin des OPEC+ Kartells, dass man dort bereit ist, Opfer zu bringen, damit das gemeinschaftliche Ziel höher Ölpreise erreicht wird. Zum anderen stehen bedeutende Teile der weltweiten Ölversorgung unter politischen Sanktionsdruck, allen voran die Ölförderung Venezuelas und des Iran. Diese Gemengelage trifft auf den anhaltenden Bedarf seitens Chinas.
In diesem Umfeld scheinen sich nun aber auch die Inflationserwartungen zu bewegen, und zwar nach oben, wie die langen US-Zinsen signalisieren. Sieht man einmal von einer Nachfrageinflation ab, die in der derzeitigen Corona-Krise ohnehin unwahrscheinlicher geworden ist, so bleibt als bedeutender Grund steigender Ölpreise eine Mischung aus explodierender Verschuldung, steigenden Inflationserwartungen und übersteuerten politischen Systemen, in denen das Vertrauen in die Wirtschaft abnimmt. Ob man aus Letzterem eine Angebotsknappheit ableiten kann, ist zwar völlig offen. Dass Öl allerdings ein Konfliktauslöser ist, ist vor dem Hintergrund der Geschichte der letzten 80 Jahre keine Spekulation.
Chart 1 zeigt den langfristigen Verlauf des Brent-Ölpreises. Die Preisexplosion bis zur Finanzkrise ebenso wie den darauffolgenden Absturz von über 140 Dollar auf unter 40 Dollar. Die danach folgende Stabilisierung ist unstetig und neben dem Corona-Schock Anfang 2020 fällt insbesondere der durch die US-Sanktionen gegen Russland ausgelöste Preissturz ab 2014 ins Auge.
Die aktuelle Konsolidierung der Gewinne seit Anfang Februar 2021 ist aus dieser Perspektive inzwischen eine Bestätigung eines neuen Aufwärtstrends, wobei das Überwinden des langfristigen, seit Juli 2008 laufenden langfristigen Abwärtstrends noch aussteht.
Bereits jetzt gibt es aber Anlass darüber nachzudenken, ob der Ölpreis mehr menschengemachte Knappheit von Öl widerspiegelt als effektiv geringere Verfügbarkeit von Öl. Denn die neue US-Administration weicht den Konflikten mit China nicht mehr aus und ist offensichtlich bereit, dafür auch ökonomische Mittel einzusetzen. China als weltgrößter Ölimporteur hat in den vergangenen Jahren seine Marktmacht genutzt, um gute Lieferbedingungen auszuhandeln und hat nach dem Absturz des Ölpreises in der Coronakrise seine Ölimporte massiv erhöht. Dies verdeutlicht aber zugleich das Potenzial von Öl in einem sich schnell verschärfenden Konflikt zwischen den USA und China.
Sollte diese Vermutung zutreffen, könnte der Sprung über den langfristigen Abwärtstrend schneller gehen als bislang gedacht. Vom aktuellen Niveau aus wäre dies, wie in Chart 2 sichtbar, ein Anstieg um rund 15 Dollar. Hat der Ölpreis den Sprung erst einmal geschafft, dürfte bedeutendes Momentum für einen weiter steigenden Ölpreis bestehen.
Fazit
Eine historisch relativ hohe ,,Gruppenkohäsion‘‘ innerhalb der OPEC+, explodierende Staatsverschuldung, steigende Zinsen und sich nach oben driftende Inflationserwartungen haben den Ölpreis bislang gestützt. Als neuer Faktor könnte wie bereits in der bisherigen Geschichte der Umstand kommen, dass China zunehmend als Bedrohung wahrgenommen wird. Dies könnte sich direkt und indirekt steigende Ölpreise fördern, insbesondere dann, wenn das Ausmaß der Ölimporte Chinas weiter auf aktuellem Niveau bleibt. Sollte es zudem wirklich zu einem Anstieg der Inflation kommen, dürfte Öl als Absicherung weiter an Attraktivität gewinnen.
26.03.2021 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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