Britische Notenbank erhöhen Umfang der Liquiditätshilfen
Bank von England stockt Anleihekäufe um 150 Mrd. Pfund auf
Die Bank of England hat kurz vor dem Ablauf der ,,Nachfrist‘‘ des Brexit-Abschieds ihre Geldpolitik weiter gelockert.
Sie stockte heute das Volumen des laufenden Wertpapierkaufprogramms um 150 Milliarden auf 895 Milliarden Pfund auf. Damit erhöhten die britische Zentralbank den Umfang des Programms stärker als vom Markt erwartet. Dieser hatte eine Anhebung von 100 Milliarden Pfund einkalkuliert.
Mit dem neuesten Schritt soll die britische Wirtschaft, die sowohl unter dem neuen Lockdown wie auch unter dem anstehenden endgültigen Brexit leiden, bis Ende kommenden Jahres unterstützt werden. Das bisherige Volumen des Ankaufprogramms wäre gegen Ende 2020 ausgeschöpft gewesen.
Dann endet zugleich die Übergangszeit nach dem britischen EU-Austritt, in der Großbritannien noch EU-Regeln anwendet. Kommt es nicht doch noch zu einer Einigung mit der EU, droht der Wirtschaft ein harter Brexit ohne Handelsabkommen.
Die Bank von England geht davon aus, dass die britische Wirtschaft auf jeden Fall, ob mit oder ohne Abkommen, unter dem Austritt leiden wird.
Heute beginnt in Großbritannien auch der auf vier Wochen angelegten Lockdowns, mit dem die britische Regierung die dramatische Virus-Ausbreitung einzudämmen versucht. Angesichts des Lockdowns schwächen sich auch die Konjunkturaussichten merklich ab.
Die Notenbank geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im 4. Quartal 2020 um 2 % fallen wird. Für das Gesamtjahr 2020 rechnet die BoE nun mit einem noch nie dagewesenen Konjunktureinbruch von 11 %. Im März 2020 war sie lediglich von einem Rückgang um 9,5 % ausgegangen. ,,Der Konjunkturausblick bleibt außergewöhnlich ungewiss”, lautet denn auch das Fazit der britischen Notenbank heute.
Ungewiss ist auch die Frage, ob es in Großbritannien negative Leitzinsen geben wird. Die diesbezügliche Prüfung der Notenbank dauert derweil weiter an. Vermutlich will die Notenbank abwarten, wie die britische Wirtschaft den Brexit bewältigt.
Der Leitzins bleibt einstweilen weiter bei 0,1 %. Eine Senkung in den negativen Bereich ist kein Tabu. Die BoE hat einen Konsultationsprozess mit den Banken begonnen, der die Szenarien der Anwendung eines solchen unkonventionellen Instruments simuliert werden soll. Damit könnte im Krisenfalle die Kreditvergabe der Banken an die Wirtschaft stimuliert werden.
Das britische Pfund reagierte auf die neuen geldpolitischen Entscheidungen nur wenig. Die seit der Volksabstimmung am 23.06.2016 erkennbare Abschwächung des Pfundes gegen den Euro befindet sich mustertechnisch derzeit im neutralen Bereich. Damit ist sowohl eine mittelfristig nachhaltige Erholung bis in den Bereich von 0,70 möglich, aber auch ein deutliches Überschreiten der Marke von 1,00 Pfund je Euro.
Fazit
Die neue Entscheidung der Bank von England reflektiert die anhaltend hohe Unsicherheit über die weitere realwirtschaftliche Entwicklung in Großbritannien. Dies liegt dabei nicht nur an der Corona-Pandemie, sondern auch an der fragilen Entwicklung bei Großbritanniens größten Handelspartner.
Das Ausmaß des kombinierten Corona-Brexit-Schocks auf die britische Inlandskonjunktur ist selbst für die Notenbank derzeit nur schwer abzuschätzen. Denn inwieweit der deutliche Wahlsieg von Premier Johnson sich auch in einer wieder wachsenden Zuversicht beim Konsum und bei den Investitionen widerspiegelt, ist eine völlig offene Frage. Diese Zuversicht soll mit der jüngsten geldpolitischen Entscheidung der BoE gestärkt werden.
05.11.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
Auf Twitter teilen Auf Facebook teilen
Ihre Bewertung, Kommentar oder Frage an den Redakteur
Bewertungen, Kommentare und Fragen an den Redakteur
Haftungsausschluss - Die EMH News AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit der Empfehlungen sowie für Produktbeschreibungen, Preisangaben, Druckfehler und technische Änderungen. (Ausführlicher Disclaimer)