Libanon – die Krise in der Krise
Libanon – Staatsbankrott, Misstrauen und Instabilität
Der vor dem Staatsbankrott stehende Libanon kann nach Ansicht der libanesischen Regierung die Folgen der verheerenden Explosionskatastrophe in Beirut ohne finanzielle Hilfe kaum bewältigen.
,,Die Kapazität des Staates ist sehr begrenzt, ebenso wie die der Zentralbank und der Banken”, sagte Wirtschaftsminister Raoul Nehme am Donnerstag dem TV-Sender Sky News Arabia.
Zwar liefe die Unterstützung mehrerer Staaten an, aber der Schaden der Explosion im Hafen der Hauptstadt belaufe sich auf mehrere Milliarden Dollar. Eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sei der einzige Ausweg für den Libanon.
Wie wir bereits mehrfach zum libanesischen Pfund berichtetem, steckt der Libanon in einer multiplen Krise seiner staatlichen Institutionen, der sozialen Lage seiner Bürger und seiner volkswirtschaftlichen Struktur. Blockiert von religiösem Proporzdenken haben die politischen Institutionen großflächig bereits lange vor dem neuen Unglück versagt.
Die Folgen sind eine kollabierende Währung, eine paralysierte Geldpolitik und eine hohe Arbeitslosigkeit. Hinzu kommt die sicherheitspolitische Fragilität der syrischen Flüchtlinge im Land.
Bildnachweis: © Deutsche Lufthansa AG
Der Libanon durchlebt die schwerste Wirtschafts- und Finanzkrise seit seiner Unabhängigkeit 1943. Das libanesische Pfund hat allein in den letzten 8 Monaten mehr als 80 % seines Wertes gegen den US-Dollar verloren.
Knapp 60 % der rund 6 Mio. Einwohner sind arbeitslos und die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnt, dass wegen Lebensmittelknappheit Millionen Menschen der Hunger droht. Die Älteren im Libanon sagen, so schlimm sei es nicht mal im Bürgerkrieg gewesen.
Bei der Explosion in einer Lagerhalle sind mindestens 137 Menschen getötet worden, mehr als 5000 wurden verletzt. Zudem wurden mindestens 250.000 Einwohner Beiruts obdachlos. Der Sachschaden soll sich auf bis zu 5 Mrd. US-Dollar summieren. Als Ursache für die Explosion werden die 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat, die der Regierung zufolge sechs Jahre lang ohne ausreichende Maßnahmen zur Sicherung des explosiven Stoffes im Hafen gelagert worden seien, angesehen.
Fazit
Die bislang ergebnislos verlaufenden Verhandlungen des Libanon mit dem IWF, das komplette Versagen der öffentlichen Ordnung nach der Bombenexplosion und ein zerrüttetes Bankensystem zeigen, dass die Herausforderungen für den Libanon nicht größer sein könnten. Man kann nur auf die Vernunft der Regierung hoffen, ihre seit Jahrzehnten divergierenden Interessen nicht direkt oder indirekt mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Als erster Schritt muss der Libanon sich die nachhaltige Unterstützung internationaler Institutionen sichern, um dadurch einen sozialen Zusammenbruch zu vermeiden. Nur dadurch lässt sich die Zeit gewinnen, die für einen neuen Legitimationsprozess einer neuen Regierung benötigt werden. Ohne dies dürfte das Land nur geringe Chancen auf eine nachhaltige Stabilisierung besitzen, zu der auch eine Währungsreform mit einer drastischen Abwertung des libanesischen Pfundes gehört.
06.08.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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