Der Ölpreis könnte kurzfristig konsolidieren
Förderdisziplin der OPEC + versus strategische Ölreserven
Der Ölpreis wogt derzeit zwischen der Produktionsdisziplin der OPEC+ Staaten und der zunehmenden Forderung nach Freigabe strategischer Ölreserven der Ölabnehmer-Staaten hin und her. Kurzfristig aus charttechnischer Perspektive erscheint eine Konsolidierung der Kursgewinne der letzten Wochen wahrscheinlich. Diese Korrektur dürfte jedoch oberhalb von 75 Dollar ihren Boden finden, solange es zu keinen massiven Beschränkungen durch eine potenzielle neue Corona-Welle kommt.
Der Ölpreis ist hin- und hergerissen zwischen den Turbulenzen auf der Angebots- und der Nachfrageseite.
Denn es geht auch um die Verteilung von Produzenten- und Konsumentenrenten. Dies zeigt nicht nur ein kurzer Blick auf die jeweiligen Produktionskosten der Förderländer. Dort wachsen die Begehrlichkeiten allerorten. Und nicht allzu oft ist etwa für Russland, die Golfstaaten oder Libyen, Öl und Gas die ganz dominierende Einkommensquelle aus Exporterlösen.
Auf der anderen Seite steht der Kostendruck der Nachfrager, wobei hier insbesondere der Energiehunger Chinas, aber auch der chronische Energiebedarf Europas hervorsticht.
Es war deshalb keine wirkliche Überraschung, dass China zuletzt einen Teil seiner strategischen Ölreserven anzapfte. Inzwischen hat aber auch die Internationale Energieagentur (IEA) die Bedeutung der strategischen Ölreserven betont und mitgeteilt, man werde die Preisentwicklung verstärkt beobachten und gegebenenfalls einschreiten.
Der nun nach einem deutlichen Anstieg wieder schwächere Ölpreis dürfte die Bemühungen der Ölnachfrageländer widerspiegeln, den starken Preisanstieg zu dämpfen.
Sollte es also nach Ansicht der Ölnachfrager zu einer zu geringen Angebotsausweitung seitens der OPEC+ - Staaten kommen, könnten etwa die USA bald zu einer Freigabe ihrer strategischen Ölreserven schreiten.
Einstweilen sind die US-Rohöllagerbestände um 3,6 Mio. Barrel gestiegen und sorgten kurzfristig für fallende Ölpreise.
Der Ölpreis zeigt nun, dass die Korrektur des Ölpreises der Sorte Brent im Vergleich zum vorherigen Anstieg sehr verhalten ausgefallen ist.
Dieser könnte nun im Zuge zunehmender Freigaben von strategischen Ölreserven bis an seine nächstliegende dynamische Unterstützung bei ca. 78,50 Dollar führen. Sollte diese nicht halten, bleibt die statische Unterstützung des Zyklushochs vom April 2019 bei 74,73 Dollar das nächste Niveau für eine kurzfristige Bodenbildung (s. gelbes Rechteck in Chart 1).
Aus langfristiger Perspektive hat sich hingegen für den Ölpreis nach seinem neuen langfristigen Kaufsignal im Oktober 2021 bislang nicht viel verändert. Der aktuelle Rückgang erscheint in Chart 2 als kurzfristiges Abprallen an dem letzten starken Widerstand vom Oktober 2018 von 86,62 Dollar. Darüber ist für die Sorte Brent mit einem relativ zügigen Anstieg in Richtung 110 Dollar zu rechnen.
Und was ist das Fazit?
Die Öl-Nachfrageländer reagieren zunehmend mit der Forderung nach Freigabe strategischer Ölreserven auf den enormen Anstieg des Ölpreises. Dieser hat jedoch mit dem deutlichen Anstieg im Oktober 2021 auf Monatscandle-Basis ein starkes mittelfristiges Kaufsignal mit Kursziel von rund 110 Dollar für die Ölsorte Brent gegeben.
Inwieweit eine kurzfristige Nachfrageschwäche den Ölpreis drücken kann, bleibt einstweilen ungewiss. Die gestiegene Förderdisziplin der OPEC+ sollte allerdings einen zu starken Rückgang des Ölpreises verhindern. Dafür ist er inzwischen schlicht zu hoch, als dass die Ölanbieter noch eine ,,Dumping-Strategie‘‘ verfolgen müssen. Sie können sich nun die erwähnte Förderdisziplin ,,leisten‘‘.
Die große Unbekannte ist die Entwicklung der Corona-Pandemie. Neue Restriktionen könnten die Ölnachfrage überproportional senken. Eine Korrektur des Ölpreises bis in den Bereich von 75 Dollar ist dabei jederzeit möglich, ohne das neue dynamische Kaufsignal des Ölpreises auf Monatsbasis zu entwerten.
03.11.2021 - Arndt Kümpel
Auf Twitter teilen Auf Facebook teilen
Ihre Bewertung, Kommentar oder Frage an den Redakteur
Bewertungen, Kommentare und Fragen an den Redakteur
Haftungsausschluss - Die EMH News AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit der Empfehlungen sowie für Produktbeschreibungen, Preisangaben, Druckfehler und technische Änderungen. (Ausführlicher Disclaimer)