als .pdf Datei herunterladen

Der Silberstreif am Horizont

Ein Marktbericht von Arndt Kümpel

 

Eigentlich war es ja eine ganz gewöhnliche Woche für Silberinvestoren, die Kursschwankungen hielten sich in Grenzen. Die Woche hindurch kämpfte jedoch der Goldpreis mit dem bereits zuvor erwähnten ,,fetten Finger‘‘, also dem unökonomischen, jedoch taktisch plausiblen Verkauf konzentrierter Future-Positionen, der den Goldpreis knapp unter wichtige technische Unterstützungen drückte. Silber konnte sich erwartungsgemäß dieser Marktdynamik nicht entziehen, und im Zuge dessen testete der Silberpreis sein Ausbruchsniveau der Aufwärtsbewegung, die am 24.12.2018 bei ca. 14,75 US-Dollar begann und auch das Wochentief darstellte.

So weit, so unspektakulär. Begleitet wurde dies von einem neuen Allzeithoch des US-Technologieaktienindex Nasdaq sowie des S&P 500-Index, während der Volatilitätsindex auf die S&P 500 Indexoptionen weiter nahe seines extremen Vorwochentiefs lag und die Woche mit einem Stand von 12,73 beendete, rund der Hälfte seines historischen Durchschnitts. Ungeachtet der weltpolitischen Lage und der dunklen Wolken am Konjunkturhorizont spiegeln diese Rahmendaten einen vollen ,,Risk-on-Modus‘‘ der Aktienanleger wider, der die Bedenken beiseite wischt, die der Anleihemarkt mit seinen starken Zinsrückgängen sendet.

Interessant aber war das Verhalten von Gold und Silber mit Blick auf den starken US-Dollar. Denn dieser unterschritt gegen den Euro mit einem Wochenschluss von 1,1139 seine seit Mai 2017 gehaltene Unterstützung und lässt damit mittelfristig Kurse zwischen 1,04 US-Dollar und 1,08 US-Dollar erwarten. Die hochfrequenten Erinnerungen Russlands, Chinas und anderer Länder, der US-Dollar sei im steilen Bedeutungsrückgang als Reservewährung, scheinen offensichtlich auszublenden, dass aufgrund der hohen Liquidität der Kreditmärkte des US-Dollarraumes die US-Währung vorerst die beste unter den insgesamt schwachen Fiat-Währungen dieser Welt bleibt. Denn Ergebnis dieser hohen Liquidität ist auch, dass die Welt insgesamt mehr als 10 Billionen US-Dollar ,,short‘‘ ist, also ein Finanzierungsrisiko in US-Dollar besteht. Diese US-Dollarverbindlichkeiten von Nicht-US-Schuldnern könnten die Finanzmärkte in Zukunft noch deutlich stärker durcheinanderwirbeln und zu den oben genannten Kursen gegen den Euro führen. Denkt man an die Wahlen zum Europäischen Parlament Ende Mai oder den Kampf um die Umsetzung der Brexit-Abstimmung im Vereinigten Königreich, braucht man eigentlich nicht mehr viel Fantasie, um Auslöser dafür zu finden.

Was aber neben diesem Kontext eines starken US-Dollar und den neuen Aktienhöchstständen in den USA die Ausgangslage für Silber interessant macht, ist seine Musterdynamik und -struktur, vor allem mit Blick auf seine bereits früher beschriebene Umkehrformation seit September 2010. Die ab diesem Zeitpunkt laufende starke Aufwärtsbewegung, die den Silberpreis im April 2011 bis auf 49,83 US-Dollar explodieren ließ, steht im Rampenlicht der Charttechnik, denn eine entscheidende Frage für die Perspektiven des Silberpreises ist, ob dieser starke Kursimpuls durch den darauffolgenden Abwärtstrend und die erreichten Tiefkurse negiert wurde oder nicht.

Man könnte auch fragen: War die Finanzkrise 2008/2009 ein ,,Game-Changer‘‘ für Edelmetalle? Wenn ja, sollte die Frage der Umkehrformation mit ,,Ja'' beantwortet werden und ein Muster erkennbar sein, die dies bestätigen. Die relative Friedhofsruhe beim Silberpreis, aber auch beim Gold- und Platinpreis, wäre danach nur die Ruhe vor dem Sturm beziehungsweise nach dem ersten, richtungsweisenden Impuls 2010! Und ob ein kurzfristiger Einbruch in die Nähe des Finanzkrisentiefs vom Oktober 2008 bei 8,45 US-Dollar im Zuge von starken Marktturbulenzen daran etwas ändern würde, hängt wie damals auch von den Gründen ab, die zwar für kurzfristige dramatische Kursrückgänge gut sind, aber bereits mittelfristig zu viel höheren Kursen führen. Diese Argumentation wird durch den Fakt eines bestimmten Kurses noch nicht negiert, denn gerade die Interventionsspirale der Notenbanken an den Kapitalmärkten, Edelmetallmärkte inklusive, ist der eigentliche ,,Game Changer‘‘ für die Preiserwartungen, wie der viel zitierte FED-Put und der Draghi-Put täglich eindrucksvoll bestätigen.

Einstweilen bildet sich in der seit 2011 laufenden Konsolidierung des Silberpreises weiter eine fraktale Tiefenstruktur, bei der das große Umkehrmuster von November 2010 bis April 2013 eine Entsprechung auf kleinerer Skale im Zeitraum Mai 2016 bis Oktober 2016 findet, welches sich sehr wahrscheinlich derzeit auf noch kleinerer Skale selbstähnlich erneut bildet, und zwar seit dem turbulenten Weihnachtstag 2018! Aus dieser Sicht lässt sich zwar ein weiterer Rückgang des Silberpreises wie von Mai 2013 bis Dezember 2015 und von Oktober 2016 bis November 2018 nicht ausschließen. Aber die Tatsache, dass der Silberpreis seither nach jeder Abwärtsbewegung ein höheres Kurstief bildete, ist ein starkes Indiz dafür, dass es sich um eine Umkehrformation handelt, die sich mit einem Kursausbruch nach oben auflöst. Ob das daran liegt, dass unter der Oberfläche des ,,Markt‘‘-Preises für Silber und Gold das physische Metall im Stealth-Modus in die reichen Länder Asiens wandert, muss und kann hier nicht geklärt werden. Es bleibt aber Fakt, dass der Preis von Silber und Gold Knappheit anzeigen soll. Lässt sich die Realität nicht mehr verschleiern, wird der Preis dies früher oder später auch anzeigen, vor allem dann, wenn der Goldpreis und der Preis für reales Gold immer stärker auseinanderlaufen. Ein Indiz dafür sind dann die Prämien, die beim Kauf des physischen Edelmetalls auf den Spotmarktpreis aufgeschlagen werden. Dass in diesem Zusammenhang der Silberpreisfuture für Mai 2019 gegen den Silber-Spotpreis in der vergangenen Woche bis zu 6 Cent in Backwardation stand, dürfte deshalb mehr als eine Bagatelle sein.

Fazit: Unter der Oberfläche eines Aktien- und Anleihen-Bullenmarktes bewegt sich Silber in der Ankleide und wartet auf seinen Auftritt. Dieser dürfte umso überraschender ausfallen, je mehr sich die Bepreisung von Aktien, Anleihen und Immobilien von ihrem Ertragswert entfernt. Der Druck im weltpolitischen Kessel wächst ständig und die große Wette ist jene auf die Stabilität des Vertrauens in Notenbanken und Regierungen, die hochkomplexen Wirkungsketten aufrecht zu erhalten, die für die Werthaltigkeit der obigen Vermögenswerte notwendig sind. Wie dies aussieht, wenn der längste Bullenmarkt der USA bei Aktien und Zinsen endet, ist völlig offen. Sicher ist nur, dass in der Geschichte die natürlichen Risikomanagement-Tools in dieser Situation möglichst liquide, mobile Vermögenswerte waren. Zu den am längsten bevorzugten gehört neben Gold vor allem Silber. Und anders, als der aktuell niedrige Preis glauben machen will, ist seine Entmonetarisierung aufgrund seiner immer höheren strategischen Bedeutung eben ein Grund mehr für seinen Besitz und nicht einer weniger! Von der beruhigenden Wirkung seiner Lichtreflexion ganz abgesehen, eben wie ein Silberstreif am Horizont.

 

28.04.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de





Ihre Bewertung, Kommentar oder Frage an den Redakteur


Bitte geben Sie die Anzahl der unten gezeigten Eurozeichen in das Feld ein.
>

 



Bewertungen, Kommentare und Fragen an den Redakteur

 

 

Haftungsausschluss - Die EMH News AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit der Empfehlungen sowie für Produktbeschreibungen, Preisangaben, Druckfehler und technische Änderungen. (Ausführlicher Disclaimer)