Dividende in Zeiten von Corona
Wie weit reicht die Organverantwortung in Bezug auf Gewinnausschüttungen in der Krise?
Die Organe einer Aktiengesellschaft müssen sich derzeit neben den gesundheitlichen insbesondere auch mit den wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen der Covid-19-Pandemie auseinandersetzen. Um auch in der sich schnell wandelnden Situation ein gewisses Maß an Stabilität zu wahren, den mitunter stark betroffenen Unternehmen entgegenzukommen und um einen totalen Zusammenbruch der Wirtschaft zu verhindern, wurden immer mehr Maßnahmen von staatlicher wie auch privater Seite getroffen. Verschiedenste Unternehmen versuchen im Kampf gegen den finanziellen Ruin, ihre Liquidität zu verbessern, indem sie beispielsweise ihre Gewinnausschüttungen anpassen.
Unternehmen passen ihre Dividende an oder streichen ganz
So haben manche Firmen wie Hugo Boss bereits angekündigt, ganz auf die Auszahlung der Dividende zu verzichten, während andere Unternehmen wie der Autobauer BMW sie zumindest reduzieren wollen. Daneben hält eine nicht unerhebliche Anzahl an börsennotierten Unternehmen jedoch auch an hohen Dividenden fest und spart lieber an anderer Stelle. Grundsätzlich sinkt die Gewinnbeteiligung in einer normalen Wirtschaftskrise in Europa um die zehn Prozent oder weniger. Derzeit müssen Anleger sich nach Einschätzung der Investmentbank Morgan Stanley jedoch auf einen Rückgang um etwa 30 Prozent einstellen – ein Ausmaß, das zuletzt in der Finanzkrise erreicht wurde.
Hilfsmaßnahmen bei Gewinnauszahlungen ausgeschlossen?
Nicht nur Regelungen wie Kontaktverbote, Maskenpflicht oder die Schließung ganzer Branchen, die jeden fast unmittelbar betreffen, wurden mittlerweile erlassen, sondern auch viele Hilfspakete und Regelungen, die sich speziell auf Unternehmen beziehen, sollen in dieser Situation entlasten und eine gewisse Orientierung bieten.
Zahlreiche Erleichterungen im Zivil- und Gesellschaftsrecht sind durch das Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WStFG) geschaffen worden, um Unternehmen in einer wirtschaftlichen Schieflage zu unterstützen. In diesem Kontext werden auch Vorstände und Aufsichtsräte mit weitergehenden Pflichten belegt, um die Liquidität ihrer Unternehmen aufrechtzuerhalten. So sieht beispielsweise die Europäische Zentralbank (EZB) für die europäischen Banken vor, dass unter anderem durch Gewinnausschüttungen an Aktionäre oder auch Aktienrückkäufe begründete Liquiditätsabflüsse eingedämmt werden. Solche oder ähnliche Maßnahmen werden auch in anderen Bereichen immer häufiger getroffen.
Die Diskussion über die Einschränkung von Hilfsmaßnahmen bei der Auszahlung von Dividenden ist auch in der deutschen Politik derzeit eine hitzige Debatte, sodass es an dieser Stelle sicherlich auch noch zu verschärften Regelungen kommen könnte. Mit der Vorgabe, keine Kredite aus dem KfW-Hilfsprogramm an Unternehmen zu garantieren, die noch Dividende ausschütten, wollen sich nicht nur Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) von dem Vorwurf differenzieren, Steuergelder leichtfertig zu vergeben und aufs Spiel zu setzen.
Herausforderungen bei der Anpassung der Dividende
Als Herausforderung sehen Dr. Stefan Suchan, Partner, Standortleiter bei KPMG Law in Frankfurt am Main und Leiter der Practice Group „Commercial & Corporate Law“, und Dr. Ulrich Thölke, Partner und Standortleiter in Berlin bei KPMG Law, in ihrem Gastbeitrag bei Legal Tribunal Online (LTO), dass maßgebliche Beschlüsse zu anstehenden Dividendenauszahlungen bereits vor Ausbruch der Corona-Krise getroffen wurden, beziehungsweise zu einem Zeitpunkt, zu dem das Ausmaß der wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemie noch nicht absehbar war. Darüber hinaus könnten mögliche Hilfspakete, wie solche nach dem WStFG, an eine liquiditätsschonende Entscheidungspolitik gekoppelt werden.
Anpassung des Jahresabschlusses als Ausweg?
Einen gewissen Handlungsspielraum für Vorstände und Aufsichtsräte sehen die beiden Juristen jedoch trotzdem. So könnten sie im Zuge der Erstellung des Jahresabschlusses in eigener Kompetenz 50 Prozent des Jahresergebnisses den Rücklagen zuführen und somit dem Einfluss der Aktionäre entziehen. Dies ist durch Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam selbst dann noch möglich, wenn der Jahresabschluss zwar bereits erstellt ist, es sich dabei jedoch noch um ein ausschließlich internes Dokument handelt. Sofern wirtschaftliche Gründe vorliegen, die so gewichtig sind, dass bei verständiger Würdigung das Interesse der Öffentlichkeit und der Aktionäre am Festhalten am festgestellten Jahresabschluss zurückzutreten hat, können die zwei Organe selbst nach einer Bilanzpressekonferenz oder der Einladung zur Hauptversammlung noch Änderungen durchführen.
Eine wichtige Vorfrage – inwiefern ist die Liquidität gefährdet?
In ihrem Beitrag gehen Dr. Stefan Suchan und Dr. Ulrich Thölke auch auf die Frage der Organverantwortung von Vorständen und Aufsichtsräten ein. Diese müssten nach ihrem Ermessen feststellen, ob eine Dividendenauszahlung die Liquidität des Unternehmens oder sogar verschiedene Hilfsmaßnahmen gefährdet. Auch das Vertrauen der Öffentlichkeit, besonders in Form des Kapitalmarktes, muss hierbei abgewogen werden. Darüber hinaus könne auch in Form eines Gewinnverwendungsvorschlages Einfluss genommen werden.
Vorrang der Gesellschaftsinteressen
Erst mit Beschlussfassung der Jahreshauptversammlung entsteht der Gewinnausschüttungsanspruch der Aktionäre. Im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung des Jahresabschlusses oder auch nur des Gewinnverwendungsbeschlusses, muss der Vorstand jedoch prüfen, ob er die Dividendenauszahlung verweigern kann oder sogar muss. Grundsätzlich haben nämlich die Interessen der Gesellschaft klaren Vorrang vor denen der einzelnen Aktionäre. Auf dieser Grundlage haben Vorstände und Aufsichtsräte mit dem ihnen an die Hand gegebenen rechtlichen Werkzeug die Kompetenz, wegweisende Liquiditätsentscheidungen zu treffen.
14.05.2020 - Lena Beermann - lb@ntg24.de
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