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Neues, ungedecktes Mandat der Europäischen Zentralbank?

BIZ und EZB wollen den Kampf gegen den Klimawandel verstärken

NTG24 - Neues, ungedecktes Mandat der Europäischen Zentralbank?

 

Dass den politisch gewollten und von einem wohl überwiegenden Teil der Bürger mitgetragenen Weg hin zu einer ,,grüneren Wirtschaft‘‘ irgendwie finanziert werden muss, bedarf eigentlich keiner längeren Betrachtung.

Dass aber Umweltschutz auch ein Ziel der Geldpolitik, insbesondere der EZB, sein soll, bedarf dagegen mehr als einer glühenden Rede oder eines hehren Zieles mit Verweis auf Umfragen, denn es geht am Ende um eine Ermächtigungsgrundlage, die zeigt, dass insbesondere Institutionen der Europäischen Union den Rechtsstaat und damit die ihnen gesetzten Grenzen von selbst und nicht erst nach einem verlorenen Rechtsstreit beachten.

Dass diese Bedenken gegenüber der EZB berechtigt sind, aber auch einen Schatten auf die Wahrnehmung der eigenen Gesetzgebungs- und Kontrollpflicht auf den Deutschen Bundestag werfen, zeigen mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Geldpolitik der EZB, die sie aus ihrem permanenten Krisenmodus heraus seit der Finanzkrise 2008/2009 verfolgt hat.

Dass nun die EZB und die Zentralbank der Zentralbanken, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel diesbezüglich, wie das Informationsportal ,,EU-info.de‘‘ berichtet, Maßnahmen ankündigen, ist ja lobenswert.

 

Bleibt nur die Frage: Ist dies auch rechtskonform?

 

Aber der Reihe nach: EZB-Präsidentin Christine Lagarde kündigte heute die Schaffung eines Zentrums für Klimawandel an. Die Bank der Notenbanken, wie die BIZ auch häufig genannt wird, gab den Start eines neuen Fonds bekannt, der in ,,grüne‘‘ Wertpapiere mit umweltschonendem Zweck investieren soll. Die EZB will sich daran beteiligen.

Nach dem Willen von Lagarde soll die Notenbank eine stärkere Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen.

Zentralbanken seien zwar eindeutig nicht die Hauptakteure, wenn es darum gehe, die globale Erwärmung zu verhindern, so Lagarde heute während einer Online-Konferenz des ,,Frankfurter Institute for Law and Finance‘‘. ,,Aber die Tatsache, dass wir nicht auf dem Fahrersitz sitzen, bedeutet nicht, dass wir den Klimawandel einfach ignorieren können oder dass wir keine Rolle bei seiner Bekämpfung spielen.‘‘

 

Klimapolitik der EZB ,,im Rahmen ihres Mandats‘‘?

 

Die Französin bekräftigte, die EZB werde im Rahmen ihres Mandats zu den Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel beitragen. ,,Bei der EZB starten wir jetzt ein neues Zentrum für Klimawandel, um die verschiedenen Fachkenntnisse und Arbeitsbereiche zum Thema Klima in der Notenbank effizienter zusammenzuführen‘‘, führte Lagarde aus.

,,Der Klimawandel betrifft alle unsere Politikbereiche. Das Zentrum für Klimawandel bietet die Struktur, die wir brauchen, um das Problem mit der Dringlichkeit und Entschlossenheit anzugehen, die es verdient‘‘, sagte Lagarde. Die neue Einheit soll aus etwa zehn Mitarbeitern bestehen, die mit bestehenden Teams in der gesamten Bank zusammenarbeiten.

Der Ruf nach mehr folgte allerdings umgehend! So lobte Mauricio Vargas von Greenpeace zwar, dass Lagarde die richtige Richtung einschlage, kritisierte aber auch, dass die geplanten Schritte nicht ausreichten. ,,Die EZB muss einen klaren Plan entwickeln, wie sie aus der Klimakrise resultierende Investitionsrisiken wirkungsvoll vermeiden kann. Sie muss auch dafür Sorge tragen, dass ihre milliardenschweren geldpolitischen Portfolien sowie der Sicherheitenrahmen für Bankkredite in Einklang mit den EU-Beschlüssen zur Klimaneutralität stehen‘‘, sagte Vargas.

Unterdessen gab die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) den Start eines zweiten Fonds bekannt, der in ,,grüne‘‘ Wertpapiere investieren soll. Nach einem bereits bestehenden Fonds in US-Dollar soll der neue Fonds auf Euro lauten, teilte die BIZ am Montag in Basel mit. Die Europäische Zentralbank will in den neuen Fonds investieren.

Laut BIZ wird über die beiden Fonds zunächst ein Gesamtvolumen von etwa zwei Milliarden US-Dollar verwaltet. Es werde jedoch erwartet, dass das Volumen deutlich wachse. Die Fonds seien Bestandteil einer ,,grünen‘‘ Initiative der BIZ, die den Zentralbanken ermöglichen solle, umweltpolitische Belange in ihr Kapital- und Reservemanagement einfließen zu lassen. Die BIZ verwaltet einen Teil dieser Reserven für die Zentralbanken.

Mit den beiden Fonds sollen umweltfreundliche Projekte wie erneuerbare Energien oder Energieeffizienz unterstützt werden. Die EZB teilte mit, eigene Mittel in den neuen BIZ-Fonds einbringen zu wollen. Damit trage die Notenbank zur Erreichung umweltpolitischer Ziele wie den EU-Klimazielen und zur Bekämpfung des Klimawandels bei. Die EZB hat nach eigenen Angaben derzeit ,,grüne‘‘ Anleihen mit einem Marktwert von 20,8 Milliarden Euro in ihren eigenen Büchern.

 

Form und Verfahren

 

Seit Anfang vergangenen Jahres läuft bei der EZB eine umfassende Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie. Die Notenbank will dabei ihre Formulierung von Preisstabilität ebenso unter die Lupe nehmen wie das geldpolitische Instrumentarium und ihre Kommunikation.

In den Blick nehmen die Währungshüter dabei unter anderem auch, welche Folgen der Klimawandel für das Ziel der Preisstabilität haben könnte.

Aber: Bedeutet das, dass nur weil ,,Alles mit Allem‘‘ zusammenhängt, es nun unter der Flagge der Preisstabilität ohne formale Änderung des Mandats der EZB möglich wird, grüne Investitionen zu finanzieren?

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Werbebanner Zürcher BörsenbriefeEin Blick auf die Webseite der EZB zu ihren konkreten Aufgaben. Diese sind im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag) festgelegt und werden in der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank weiter ausgeführt. Die Satzung ist dem AEU-Vertrag als Protokoll beigefügt.

Das vorrangige Ziel des Eurosystems ist in Artikel 127 Absatz 1 des AEU-Vertrags festgelegt: ,,Das vorrangige Ziel des Europäischen Systems der Zentralbanken (im Folgenden ,ESZB‘) ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten.“

Weiter heißt es dort: „Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union, um zur Verwirklichung der in Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union festgelegten Ziele der Union beizutragen.“

 

Reicht das aber für die Übernahme konkreter Finanzierungsrisiken?

 

Dies könnte dann der Fall sein, wenn dies hinreichend konkret aus einer Ermächtigungsgrundlage hervorgeht. Dies müßte dann aber zunächst einmal von den ,,Herren der Verträge‘‘, den Mitgliedsstaaten der EU, in dem Rahmen diskutiert werden, in den es gehört. Danach müßte dies in geeigneter Form zu einem konkreteren Aufgabenbereich bzw. einer Ergänzung des bestehenden für die EZB führen. Und erst dann ließe sich auch rechtlich hinreichend konkret prüfen, ob eine konkrete geldpolitische Maßnahme der EZB seiner Ermächtigungsgrundlage entspricht oder ob es das Bestimmtheitsgebot verletzt. Wie die ,,Ultra Vires-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zeigt, ist diese Frage keinesfalls abwegig.

 

Fazit

 

Grüne Geldpolitik unter die Hauptaufgabe der EZB zur Wahrung der Preisniveaustabilität zu subsumieren, fällt auf derzeit geltender Aufgabenbeschreibung sehr schwer.

Die Analyse, wie die EZB ihr Mandat implizit ausgeweitet hat, zeigt auch ihr Verhalten am Kapitalmarkt, bei der sie seit der Finanzkrise 2008/2009, aber auch während der Coronakrise 2020 die Verringerung der Risikoaufschläge von Anleihen im Euroraum faktisch zu ihrer neuen Aufgabe gemacht hat.

Dafür fehlt der EZB ebenso das Mandat wie für die Finanzierung grüner Investitionen. Dies kann sich erst nach einer Ergänzung bzw. Neubestimmung der Rechtsgrundlagen, auf denen sich die EZB bewegen muss, ändern.

Es gibt natürlich auch gute Argumente, dass die EZB diese Finanzierung erleichtern soll. ABER: Dies kann nicht auf Kosten des Rechtsstaatsprinzips gehen. Das Scheitern der EZB, die angestrebte Preisniveau-Stabilität von oder nahe 2 % p.a. zu erreichen wurde, könnte im Zuge der Neubestimmung der Aufgabenkritik aufgeweicht werden. Dass dabei relativ geräuschlos auch das zentrale Steuerungsmerkmal einer Marktwirtschaft, der Zins als Preis für das Geld, seine Indikator- und Selektionsfunktion verloren hat, wird kaum mehr im dafür notwendigen Rahmen behandelt. Denn was ist die Alternative für den Preismechanismus? Staatliche Leitung und Planung der Volkswirtschaft! Doch dafür haben weder die EU noch die EZB ein Mandat!

Wichtiger als grüne Finanzierungen im Krisenmodus ist die durchgehende Einhaltung des Rechtsstaatsprinzips allemal. Wer zum Verhalten der EZB in Bezug auf die Geldpolitik noch Denkanregungen sucht, wird in der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 05.05.2020 (PSPP-Urteil 2 BvR 859/15) fündig. Darin stellt es in den Leitsätzen 4 und 5 fest:

,,4. Die Kombination eines weiten Ermessens des handelnden Organs und einer Begrenzung der gerichtlichen Kontrolldichte durch den Gerichtshof der Europäischen Union trägt dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung offensichtlich nicht hinreichend Rechnung und eröffnet den Weg zu einer kontinuierlichen Erosion mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten.

5. Die Wahrung der kompetenziellen Grundlagen der Europäischen Union hat entscheidende Bedeutung für die Gewährleistung des demokratischen Prinzips. Die Finalität des Integrationsprogramms darf nicht dazu führen, dass das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung als eines der Fundamentalprinzipien der Europäischen Union faktisch außer Kraft gesetzt wird.‘‘

Zwar bezieht sich diese Feststellung auf die PSPP-Käufe, hat aber, wie die weitere Begründung zeigt, durchaus grundsätzlichen Charakter. Die unter Punkt 4 erwähnte Kontrolldichte muss nämlich im Grundsatz auch für grüne Geldpolitik gelten. Und die in Punkt 5 betonte und geforderte Gewährleistung des demokratischen Prinzips findet seine prozessuale Entsprechung in der Einhaltung des geltenden Rechts. Denn es ist das Vertrauen in den Rechtsstaat der Mitgliedsstaaten, was diese dazu bewogen hat, dem europäischen Integrationsprogramm zuzustimmen. Will man diese Integration nicht gefährden, sollte man den Verlust dieses Vertrauens nicht riskieren. Dies gilt auch für grüne Umweltfinanzierung durch die EZB.

 

26.01.2021 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de

 

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