Die Deutsche Bundesbank und ,,vorübergehend erhöhte Inflation‘‘
Die Deutsche Bundesbank als Stabilitätsanker in einer EU-Schuldenunion?
Die Deutsche Bundesbank betont in ihrem neuen Monatsbericht ihre Entschlossenheit, die Preisstabilität zu sichern. Angesichts der sich zu ihren Ungunsten verschiebenden institutionellen Gewichte innerhalb der Europäischen (Währungs-) Union stehen die Erfolgschancen dafür aber schlecht. Stattdessen ist angesichts der Überdehnung der Geldpolitik der EZB nicht nur mit einer höheren Inflationsrate zu rechnen, sondern auch mit einem weiteren Rückgang des institutionellen Vertrauens in die EZB wie auch der Bundesbank.
Was für eine zeitliche Koinzidenz: In ihrem gerade erschienen Monatsbericht vom September 2021 betont die Deutsche Bundesbank ihre Entschlossenheit, die Preisstabilität zu sichern.
Dabei bemüht sich die Bundesbank, die neue geldpolitische Strategie vom Juli 2021 detaillierter darzustellen. Diese enthält mit einem mittelfristigen symmetrischen Inflationsziel von 2 % eine neue Komponente, die ,,die notwendige Balance zwischen einem Sicherheitsabstand zu einer Deflation und den Kosten höherer Inflationsraten‘‘ gewähren soll.
Interessant wird es im Beitrag ,,Die geldpolitische Strategie des Eurosystems‘‘ unter anderem ab Seite 48 unter der Zwischenüberschrift ,,Asymmetrische geldpolitische Reaktion auf Abweichungen vom Inflationsziel‘‘.
Dort verweist der Stabilitätsanker deutscher Währungsstabilität darauf, dass eine über einen längeren Zeitraum andauernde extrem expansive Geldpolitik ,,möglicherweise zu einer vorübergehend leicht über dem Zielwert liegenden Inflationsrate führen‘‘ könne.
Die Bundesbank betont jedoch auf Seite 48: ,,Dies ist allerdings nicht zu verwechseln mit einem billigend in Kauf genommenen oder gar einem aktiv angestrebten Überschießen des Inflationszieles. Ein solches sieht die neue geldpolitische Strategie des Eurosystems nicht vor.‘‘ Gerechtfertigt wird die Inkaufnahme einer vorübergehend leicht über Zielwert liegenden Inflationsrate mit der fehlenden Feinsteuerungsmöglichkeit der Inflationsrate seitens der Geldpolitik.‘‘
Wie das konkret aussehen kann, lässt sich derzeit nicht nur in Deutschland beobachten. In Deutschland lag die Inflationsrate im August 2021 mit 3,9 % so hoch wie seit 28 Jahren nicht mehr.
Die Diskussion über den vorübergehenden Charakter dieser stark erhöhten Inflation wird dabei stark von den Interessen der Teilnehmer geprägt. Einige Volkswirte verweisen auf den Basiseffekt, nachdem die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer im vergangenen Jahr die Vergleichsbasis senkte und damit den Effekt erhöhte. Hinzu kamen die Nachfrageschocks in der Corona-Pandemie, etwa bei Energie.
Nur: Vergleicht man die Inflationsraten in der Europäischen Union, so wird schnell klar, dass die Mehrwertsteuerargumentation kaum überzeugt. So lag etwa die Inflationsrate in der EU im August 2021 bei 3,2 % und im Euroraum bei 3 %. Im August 2020 hatte diese für die EU bei 0,4 % und für den Euroraum – 0,2 % betragen. Hinzu kommt, dass innerhalb des Euroraumes die Inflationsrate in 8 Ländern höher lag als in Deutschland, am höchsten in Estland, Litauen und Polen mit 5 %, in Ungarn mit 4,9 % und in Belgien mit 4,7 %. Am niedrigsten lag die Inflationsrate im August 2021 übrigens auf der Mittelmeerinsel Malta mit 0,4 % (0,7 % im August 2020), Griechenland mit 1,2 % (-2,3 % im August 2020) und Portugal mit 1,3 % (-0,2 % im August 2020).
Diese wenigen Zahlen verdeutlichen bereits die in der Idee des Euro fußende Spannungsquelle in Bezug auf die Inflationsrate, die Verschuldung und das Wirtschaftswachstum heterogener Wirtschaftsräume, welche die EU mit einer einheitlichen Geldpolitik steuern will.
Der Hinweis der Bundesbank auf die fehlende Feinsteuerungsmöglichkeit der Inflationsrate seitens der Geldpolitik hat ihre Ursache damit in den Gründungsverträgen der EZB. Und die seit der Finanzkrise 2008/2009 andauernde strategischen Konflikte innerhalb der EZB finden ihr neues institutionelles Gleichgewicht nach einer Gewichtsverschiebung hin zu der Schwachwährungs-Fraktion am Mittelmeer in eben der neuen geldpolitischen Strategie der EZB vom Sommer 2021!
Dass parallel dazu auch die Einführung eines digitalen Zentralbank-Euro forciert wird, ist mehr als eine Fußnote wert und bedürfte einer viel tieferen Beleuchtung als hier möglich.
Die süßsaure Koinzidenz dieser im neuen Bundesbank-Monatsbericht steckenden Konflikte ergibt sich durch das an diese Diskussionen erinnernde Jubiläum eines seiner früheren Hauptakteure, des ehemaligen Bundesbankvorstands und ersten EZB-Chefvolkswirtes, Prof. Dr. Otmar Issing.
Generationen von Volkswirten sind mit seinem Standardwerk zur Geldtheorie großgeworden, sein Einfluss ist auch bei dem heutigen Bundesbank-Chef, Dr. Jens Weidmann, spürbar, der Otmar Issing jüngst zu seinem 85. Geburtstag gratulierte und seine Bedeutung für den Entwurf der geldpolitischen Strategie der EZB hervorhob.
Im Jahr 2018 kritisierte Issing die ,,Politisierung der EZB‘‘.
Was würde er nun aber sagen, nachdem sich die Politisierung der EZB unter der neuen Präsidentin Lagarde deutlich beschleunigt hat. Die von Issing in diesem Beitrag aus dem Jahr 2018 kritisierte Lücke des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ist zudem, dass aktuelle Sünder durch potenzielle Sünder mit Sanktionen belegt werden sollen. Dies könne seiner Ansicht nach nicht funktionieren. Nun werden bei den inzwischen noch viel stärker verschuldeten Eurostaaten die Bestrebungen immer stärker, die Rückführung der hohen Verschuldung viel weitgehender zu kippen.
Dies steht allerdings im Widerspruch zu den geltenden EU-Verträgen. Issing führte in dem Beitrag aus dem Jahr 2018 zu einer immer engeren Union auf die Frage, ob die von der EU angestrebte immer engere überhaupt von der Bevölkerung getragen werde, aus, dass dies eine bedrohliche Eigendynamik aus den Brüsseler Ambitionen und Institutionen darstelle.
Denn als Ergebnis sei dies Wasser auf die Mühlen von radikalen Parteien. Zudem wurde bisher nicht näher definiert, was eine immer engere Union bedeuten solle.
Und niemand glaube, dass eine politische Union auf absehbare Zeit erreichbar ist. Dafür gäbe es rechtliche und demokratische Grenzen. Und genau aus diesem Grund solle Europa auf dem Weg zu einer immer engeren Union erst einmal eine ausgiebige Pause einlegen!
Mit der Corona-Pandemie trat das genaue Gegenteil ein. Und die geldpolitische Strategie der EZB vom Juli 2021 öffnet die Tür für eine dehnbare Geduldsperiode, in der die Notenbank deutlich höhere Inflationsraten in Kauf nimmt, ohne geldpolitisch zu reagieren. Dabei wirkt die Charakterisierung von Inflationsraten als ,,vorübergehend‘‘ als ebenso weit hergeholt wie die bisherigen Prognosen zur Inflationsrate durch die EZB der letzten 15 Jahre!
Und was ist das Fazit?
Der jüngste Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, der auf die neue geldpolitische Strategie der EZB eingeht, verdeutlicht im Kontext des 85. Geburtstages des ersten EZB-Chefvolkswirtes Otmar Issing, dass sich der strategische Konflikt in der Gründungsidee des Euros geldpolitisch immer weiter vom eigentlichen Auftrag der Bundesbank, nämlich die Sicherung der Geldwertstabilität, entfernt. Die Aufweichung der fiskalpolitischen Disziplin im Kontext einer sowieso schon extrem expansiven Geldpolitik im Euroraum öffnet das Tor zu einer neuen langfristigen Abwertungswelle des Euros gegenüber dem US-Dollar, aber auch und vor allem gegenüber Gold und Silber. Dass dies wahrscheinlich mit einem drastischen Vertrauensverlust in die Deutsche Bundesbank einhergeht, dürfte dabei nicht nur Otmar Issing umtreiben!
28.09.2021 - Arndt Kümpel
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