Kirgisischer Som leidet unter politischen Turbulenzen
Nach Parlamentswahl - Kirgistans Präsident entlässt Regierung
Der kirgisische Präsident Dscheenbekow hat nach Angaben des Deutschlandfunks Ministerpräsident Boronow und dessen Regierungsmannschaft offiziell entlassen. Das teilte sein Büro mit. Boronow hatte seinen Rücktritt bereits vor einigen Tagen angesichts der Unruhen im Land erklärt. Auch Präsident Dscheenbekow selbst, der Boronow nahesteht, ist nach eigenen Angaben inzwischen bereit, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Sobald ein Termin für Neuwahlen festgelegt sei, könnte er zurücktreten, um das Chaos in Kirgistan zu beenden, teilte er mit. Dscheenbekows Gegnern war es vor wenigen Tagen gelungen, dessen Amtsvorgänger Atambajew aus dem Gefängnis zu befreien.
Nach der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag war es zu gewaltsamen Protesten in dem zentralasiatischen Land gekommen, weil Betrugsvorwürfe im Raum standen. Die Wahlkommission annullierte daraufhin das Wahlergebnis.
Diese politischen Turbulenzen haben jedoch einen realwirtschaftlichen und politischen Vorlauf, welcher wesentlich von der Corona-Pandemie und den administrativen Beschränkungen als Reaktion darauf bestimmt wurde. Und dies nicht nur in Kirgisien selbst, sondern auch in Russland und China.
Die kirgisische Währung, der Som, hatte dabei in diesem Jahr bereits einen ersten Absturz erlebt, als die fragilen Wirtschaftsbeziehungen des Landes gerade mit Blick auf die Hunderttausenden von Wanderarbeitern in Russland plötzlich schockgefroren waren.
Dass der ab Ende Februar 2020 scharf abwertende russische Rubel in seinem Sog der sich relativ verschlechternden Terms of Trade den kirgisischen Som im Sinne einer klassischen Ansteckung (Contagion) mit nach unten zog, kann deshalb nicht überraschen. Die Weltbank beziffert den Anteil der ,,Remittances‘‘, der Geldübertragungen von kirgisischen Gastarbeitern vor allem aus Russland, für 2019 auf 28,5 % des kirgisischen Bruttoinlandsproduktes.
Zum Vergleich: Nach Angaben von Statista betrug das Bruttoinlandsprodukt Kirgisiens pro Kopf im Jahr 2019 1.292,98 US-Dollar bzw. 107,75 US-Dollar im Monat. Diese hohe außenwirtschaftliche Verwundbarkeit und die fehlende materielle Pufferkapazität weiter Teile der kirgisischen Bevölkerung haben wesentlich zu den aktuellen politischen Unruhen beigetragen, denn die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln in Kombination mit der aktuellen Krise der öffentlichen Gesundheitsversorgung in der Corona-Krise bildet ein sozial explosives Gemisch!
Die Entwicklung des kirgisischen Som gegen den US-Dollar mit seiner plötzlichen Abwertung spiegelt diese realwirtschaftliche Krisensituation.
Die Wechselkursentwicklung gegen Euro verläuft in etwa gleichgerichtet, allerdings vollzog sich die Abwertung weniger plötzlich. Die relative Stärke des Euros gegen den US-Dollars sorgte allerdings für eine zusätzliche relative Schwäche des Som gegen den Euro.
Fazit
Das ökonomisch schwache Fundament Kirgisiens wurde durch die hohe Abhängigkeit von ausländischen Gastarbeiter-Transferzahlungen überproportional von den Corona-Turbulenzen getroffen. Die Abwertung des Som dürfte insbesondere bei einer neuen Infektionswelle weitere ökonomische Kollateralschäden zur Folge haben. Man kann nur hoffen, dass zu diesen Kollateralschäden nicht auch die Meinungsfreiheit im relativ liberalsten Staat Zentralasiens gehört! Die hohe Abhängigkeit von Russland, welches in Kirgisien eine Militärbasis unterhält, erweist sich ein weiteres Mal als Quelle der ökonomischen Instabilität.
09.10.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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