Warum wir uns um die USA nicht sorgen
Vorwahljahre sind gute Jahre
Knapp ein Jahr vor der US-Präsidentschaftswahl und ein Jahr nach Beginn der Handelsstreitigkeiten stellen wir fest: Die amerikanische Wirtschaft wächst bemerkenswert stark in Anbetracht der geopolitischen Umstände. Die Bremse, welche derzeit auf die USA wirkt, ist allein auf den Handelskrieg zurückzuführen und trifft nur wenige Sektoren direkt. Zur Erinnerung: Während in einigen europäischen Ländern der Anteil der Exporte an der Wirtschaftsleistung bis zu 50% beträgt, machen sie in den USA nur etwa 10% aus. Es sind also in erster Linie besonders diejenigen Länder betroffen, die vom Handel abhängig sind: Deutschland, die Schweiz und Japan. Kein Wunder, dass Trump so entspannt ist.
Aus diesem Grund erwarten wir auch keine Rezession in den USA. Im produzierenden Gewerbe schwächelt zwar auch die USA, aber im Dienstleistungssektor, der 85 bis 90% der Wirtschaft ausmacht und ebenso viele Arbeitskräfte beschäftigt, stimmt die Entwicklung weiterhin zuversichtlich. Selbiges gilt auch für das Verbrauchervertrauen, denn solange weitere Arbeitsstellen geschaffen werden, entwickelt sich auch der Konsum erfreulich. Erst wenn der Arbeitsmarkt zu schwächeln beginnt, wird es schwierig. Von einer Abschwächung des Arbeitsmarktes ist aber bislang nichts zu erkennen.
Modern Monetary Theory
Zudem befinden sich die USA mit der «Modern Monetary Theory» und der Erhöhung der Staatsschulden von 80 auf 140% des Bruttoinlandprodukts in den kommenden Jahren in einem spannenden Experiment. Es wird sich bald zeigen, ob es stimmt, dass eine Regierung so viele Treasuries ausgeben kann, wie sie will, ohne den Markt zu überlasten. Es gibt bereits Warnsignale. Bei Auktionen von Treasuries geht die Nachfrage schon leicht zurück. Die Summe der Gebote sinkt relativ zum Emissionsvolumen. Momentan gibt es noch keinen Grund zur Sorge, aber angesichts der steigenden Verschuldung nimmt auch das Risiko zu, dass die USA eines Tages weniger Emission fahren müssen. Folge: Spielraum für steigende Zinsen, um das Angebot attraktiver zu machen!
Denn die Geschichte zeigt: Je höher die Verschuldung in Relation zur Wirtschaftsleistung, desto verletzlicher wird ein Land. Letztlich ist es ganz einfach: Wenn das Schatzamt zusätzliche Staatsanleihen ausgibt, muss jemand sie kaufen. Die Frage ist nicht, ob die Bonität der USA es hergibt, sondern ob es überhaupt genug Ersparnisse auf der Welt gibt. Es braucht nicht einmal einen Käuferstreik oder dass Investoren ihre Meinung zu Treasuries ändern. Es reicht, dass es einfach nicht genug Nachfrage gibt nach den neuen Treasuries, die emittiert werden. Immerhin kauft die Fed pro Monat Treasuries für 20 Mrd. Dollar, um dem entgegenzuwirken. Auf der Gegenseite steht die hohe Leistungskraft der amerikanischen Wirtschaft und die Tatsache das über die Hälfte der ausstehenden US-Anleihen (also der Staatsschulden) sich in den Händen der Amerikaner selber befinden, der Rest verteilt sich auf die Welt.
Ergo: Wir erleben in den USA also ein nachlassendes Wachstum, aber nichts Spektakuläres, was ausreichen würde, um sich über eine Rezession Sorgen zu machen. Wir gehen allerdings auch davon aus, dass die amerikanische Notenbank im September und im Dezember die Zinsen weiter senken wird, insbesondere wenn der Handelskrieg eskaliert. Vor diesem Hintergrund blicken wir auch mit Gelassenheit auf die Wall Street. Zwar schlagen auch hier die Kurse aus, wenn wieder fleissig getwittert wird, aber auch das sind nur Stimmungen.
Am Rande bemerkt: Wir befinden uns an der Wall Street auch in einem Vorwahljahr. Und historisch betrachtet sind das gute Jahre: So erreicht der Dow Jones hier im Durchschnitt ein Plus von über 12 % und die vergangenen 18 Vorwahljahre wurden allesamt mit einer positiven Bilanz beendet. Insgesamt liegt die Gewinn-Wahrscheinlichkeit über alle Vorwahljahre bei 83 %. In den Wahljahren selber klettert der Dow Jones im Mittel um 7,1 %. Die Gewinn-Wahrscheinlichkeit liegt bei 66 %.
29.08.2019 - Jens Bernecker - jb@ntg24.de
Auf Twitter teilen Auf Facebook teilen
Ihre Bewertung, Kommentar oder Frage an den Redakteur
Bewertungen, Kommentare und Fragen an den Redakteur
Haftungsausschluss - Die EMH News AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit der Empfehlungen sowie für Produktbeschreibungen, Preisangaben, Druckfehler und technische Änderungen. (Ausführlicher Disclaimer)