Währungen als Assetklasse – das Vermögensrisiko des Euro
Ein Marktbericht von Arndt Kümpel
Zu einem der wichtigsten makroökonomischen Werttreiber in einem Portfolio gehören die jeweiligen Anlagewährungen. Denn fundamentale Entwicklungsunterschiede, verschiedene Stabilitätskulturen und Unterschiede in der Geldpolitik spiegeln sich gerade mittelfristig in der Entwicklung der Währungen gegeneinander und sind damit eine der Sollbruchstellen für die Wertentwicklung und den Werterhalt von Vermögensanlagen.
Ein bedeutendes Kriterium für die Attraktivität von Währungen ist ihre Markttiefe bzw. ihre Liquidität. Das wichtigste Argument für Investments in Währungen ist jedoch, dass Wechselkurse kaum mit der Entwicklung an anderen Märkten korrelieren. Damit eignen sich Devisenanlagen zur Absicherung und Diversifizierung eines Portfolios. Und auch wenn man nicht explizit Währungen als Assetklasse anzielt, so ist der Kauf von Vermögenswerten außerhalb des eigenen Währungsraumes automatisch mit einer Investition in die jeweilige Währung verbunden.
Ein diesbezüglicher Blick auf den Euro zeigt, dass aus Sicht eines in US-Dollar als Bilanzwährung rechnenden US-Aktieninvestors etwa in den letzten 5 Jahren nicht nur die Wertentwicklung des MSCI Welt oder S&P 500 deutlich besser war als jene von DAX und Euro Stoxx 50, sondern dass bei Investments in den Euroraum auch noch die Verluste aus der Währungsentwicklung hinzukommen. Dies macht europäische Vermögenswerte zwar optisch billiger, aber auch attraktiver?
Im Lichte der Geldpolitik der EZB sind daran Zweifel erlaubt. Denn das, was heute mitgeteilt wurde, dürfte nicht nur Mario Draghi nicht schmecken. Die Inflationsrate in der Eurozone ist im Mai 2019 mit 1,2 % wieder deutlich von der EZB-Zielmarke von knapp 2 % abgedriftet, nachdem sie im April noch bei 1,7 % lag. Damit steigt der politische Handlungsdruck auf den EZB-Chef, angesichts der US-Außenhandelspolitik, des zähen Gerangels um den Brexit und der Wachstumsabschwächung Chinas den Konjunkturwagen der Eurozone in der Spur zu halten. Dazu wurde bereits die Zinswende auf 2020 verschoben. Und am Donnerstag wird der EZB-Rat darüber sinnieren, was man noch tun kann, um den scharfen Wachstumseinbruch abzumildern. Denn schließlich ist das politische Europa nach der Europawahl uneiniger denn je und die Notenbank wie immer in den letzten Jahren der Depp, der auch unter Inkaufnahme ständiger Mandatsüberdehnung die Konjunkturkarre aus dem Dreck zu holen hat.
Niedrigen Zinsen - ein zweischneidiges Schwert
Die seit mehr als einem Jahrzehnt extrem niedrigen Zinsen sind dabei ein zweischneidiges Schwert. Die US-Notenbank begann zwar ihre Zinssenkungen Ende 2007 eher als die EZB und senkte diese bis Ende 2008 schneller Richtung 0 %, sodass zwischen den USA und der Eurozone von Anfang 2008 bis Mitte 2014 eine positive Zinsdifferenz für den Euroraum bestand. Seit knapp 5 Jahren aber ist diese jedoch durch die Zinserhöhungen der USA deutlich negativ. Diese Differenz lastet auf dem Euro wie Blei, da es ein Argument für große Geldflüsse aus dem Euroraum in den US-Dollar ist. Es ist deshalb wohl kein Zufall, dass die deutliche Abwertung des Euro gegen den US-Dollar im Mai 2014 bei 1,40 USD begann und danach bis Mai 2015 bis unter 1,05 US-Dollar führte – eine Abwertung von ziemlich genau 25 % in 10 Monaten.
Interessant ist bezüglich der Zinsdifferenz zum Euro die Schweiz. Die Schweizer Notenbank senkte ihren Leitzins am 18.12.2014 auf -0,25 %, um diesen dann kurz darauf am 15.01.2015 auf -0,75 % zu setzen. An diesem Tag gab sie gleichzeitig ihre Mindestpreispolitik von 1,20 CHF/EUR auf, woraufhin der Euro gegen den Schweizerfranken von 1,20 CHF auf 0,97 CHF im Tagestief fiel und damit massiv abwertete. Es war also viel Druck im Währungskessel! Ein weiterer Beweis, dass Notenbanken auf Dauer den Kapitalmärkten nicht gewachsen sind, wenn sich diese in Richtung strukturell stabilerer Währungsräume bewegen.
Zwar wertete der Euro danach in einer Gegenbewegung wieder auf und erreichte sogar kurz das Interventionsniveau von 1,20 CHF. Dies ändert aber nichts daran, dass der Schweizerfranken trotz deutlichem Negativzins seither wieder verstärkt aufgewertet hat. Der Euro unterschritt im Zuge dessen gestern das untere Konsolidierungsband bei 1,1162 CHF deutlich und erreichte mit 1,1120 CHF ein neues Jahrestief. Charttechnisch steigt damit die Wahrscheinlichkeit, dass der Schweizerfranken mittelfristig wieder Kurse von 1,07 CHF und weniger erreicht. Der Schweizerfranken sollte deshalb für den in Euro bilanzierenden Investor, der seine Währungsrisiken strategisch steuern will, weit oben auf der Favoritenliste stehen.
Der Euro als Systemrisiko
Noch wichtiger als die relative Entwicklung des Euro gegenüber einzelnen Währungen ist die Frage, ob der Euro über den eigenen Anlagehorizont hinaus in der heutigen Form weiter besteht, oder ob für das eventuelle Zerbrechen des Euroraumes ein Risikoabschlag gebildet werden muss. Die innerhalb der politischen Ordnung Europas aufziehenden Konflikte sollten dabei weder überbewertet noch ignoriert werden. Die Kapitalabflüsse aus einigen südlichen Euroländern in nordeuropäische sowie die Kapitalabflüsse aus dem Euroraum in den US-Dollar und den bereits erwähnten Schweizerfranken zeigen aber, dass Kapital ein scheues Reh ist.
Fazit: Für ein risikooptimiertes Portfolio sollte ein signifikanter Anteil des Währungsexposures außerhalb des Euros liegen, zumal die Zinsdifferenz derzeit ebenfalls nicht für den Euro spricht. Die realisierten relativen Aufwertungsgewinne in anderen Währungen sind auf diese Weise der Lohn für die Umgehung von Strukturschwächen und Politikfehlern. Währungen bieten somit gerade für Investoren aus dem Euroraum neben ihrer geringen Korrelation einen zusätzlichen Ergebnistreiber des aktiv gemanagten Portfolios.
04.06.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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