Western Texas Intermediate im freien Fall
Kommen negative Ölpreise?
Hätten Sie gedacht, einmal einen Ölabsturz von 75 % in ein paar Stunden zu erleben? Ich jedenfalls nicht. Und schon gar nicht, nachdem er zuvor bereits eine Halbierung gegenüber dem Jahresanfang hinter sich hatte.
Aber die Zeiten sind normal, es kommen mehrere Faktoren zusammen, die sich möglicherweise gegenseitig verstärken.
Aus neutraler Sicht ist einer der starken realen, limitierenden Faktoren schlicht die Lagerkapazität. In unserem Beitrag vom 15.04.2020 wiesen wir bereits auf die Absturzgefahr hin.
,,Sollte diese Marke unterschritten werden, kommt der charttechnische Showdown: Die Unterstützung vom Dezember 1998 bei 10,65 Dollar ist eine vorher im April 1986 gebildete Unterstützungszone. Deshalb liegen die rote horizontale Linie von 1998 (10,65 USD) und die blaue von 1986 (9,75 Dollar) auch eng beieinander. Ein Bruck dieser Zone würde das ultimative Verkaufssignal für den Ölpreis darstellen.‘‘
Nun sind wir innerhalb von ein paar Tagen auch noch unter die Marke von 9,75 Dollar gefallen und damit auch unter den Tiefkurs von 1986. Damit könnte man sagen: ,,All bets are off!‘‘ Mit ,,Alles‘‘ ist nun aber auch wirklich Alles gemeint. Das bedeutet: Negative Ölpreise!
Und viel Fantasie braucht man nun nicht mehr. Wir berichteten in unserem Beitrag vom 02.04.2020 bereits über negative Preise für die US-Ölsorte ,,Wyoming Asphalt Sour‘‘ in Höhe von – 0,47 Dollar zu diesem Zeitpunkt. Und heute fiel der Preis der kanadischen Ölsorte ,,Canadian Edmonton C5 Condensate‘‘ ebenfalls in den negativen Bereich.
Das bedeutet, nun haben wir nach negativen Zinsen auch zumindest lokal negative Ölpreise!
Dass dies nicht für die ganze Welt gilt, zeigt ein Blick auf den Vergleich der Preisentwicklung von US-Öl der Sorte WTI und der Nordsee-Ölsorte Brent.
Fraglich ist aber, inwieweit dieser extreme Preisunterschied nun Arbitragegeschäfte auslöst.
Für die Ölsorte Brent steht der nächste Härtetest charttechnisch kurz bevor. Denn wie wir vergangene Woche darstellten, liegt eine bedeutende Unterstützung im Bereich von rund 17 Dollar. Ein Unterschreiten hätte sehr wahrscheinlich einen Absturz bis auf das Tief von Dezember 1998 bei 9,55 Dollar zur Folge.
Fazit
Der Ölpreis mag zwar auch durch auslaufende Terminkontrakte beeinflusst werden. Aber wichtiger dürfte sein, dass der Nachfrageschock auf eine faktisch begrenzte Lagerkapazität trifft, die zudem auch fast erschöpft ist. Bestimmte Ölsorten sind bereits negativ, weil die Lagerkosten und damit der Verlust minimiert werden sollen. Aus den Augen sollten aber auch nicht die Folgen für den Rest der US-Wirtschaft verloren werden. Vom OPEC++ Deal redet aktuell kaum jemand. Derweil erhöht Russland weiter die Produktion, denn der ,,Deal‘‘ läuft ja erst am Anfang Mai. Und Saudi-Arabien bietet weiter sein Öl mit Discount an. Wie ein Marktgleichgewicht sieht die derzeitige Lage also wirklich nicht aus, eher wie ein strategisches Machtspiel, das auf ruinösen Wettbewerb setzt.
20.04.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
Auf Twitter teilen Auf Facebook teilen
Ihre Bewertung, Kommentar oder Frage an den Redakteur
Bewertungen, Kommentare und Fragen an den Redakteur
Haftungsausschluss - Die EMH News AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit der Empfehlungen sowie für Produktbeschreibungen, Preisangaben, Druckfehler und technische Änderungen. (Ausführlicher Disclaimer)