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Argentinien vor dem Moment der Wahrheit

Argentinischer Peso vor neuem Abwertungsschub?

NTG24 - Argentinien vor dem Moment der Wahrheit

 

Als der neue argentinische Präsident Alberto Fernandez vor einigen Tagen durch die Hauptstädte Europas tourte, hatte er viele bittere Wahrheiten und wenig gute Nachrichten im Gepäck.

Denn das Land steht wieder einmal vor dem Bankrott. Und da versichert man sich am besten erst einmal der Hilfe von oben. Deshalb begann die Europareise auch mit einer Audienz beim Papst in Rom.

Mit geistlichem Rückenwind waren die anderen Termine dann zumindest mental um einiges leichter zu bewältigen. Denn der argentinische Präsident hatte im Kern bei den folgenden Terminen in Berlin, Paris und Madrid vor allem einen Wunsch: Politische Unterstützung für eine Restrukturierung der Staatsschulden des bankrotten Landes.

Denn das Land kann seine Schulden nicht mehr tilgen. Deshalb ist ein Zahlungsaufschub seitens der privaten und öffentlichen Gläubiger notwendig. ,,Die Staatsschulden haben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt den höchsten Stand seit 2004, als wir bankrott waren", so Präsident Fernandez zuletzt.

Von den 311 Mrd. Dollar Schulden entfallen alleine 44 Mrd. auf den Internationalen Währungsfonds (IWF). Dieser hatte Fernandez‘ Vorgänger Mauricio Macri mit 57 Mrd. Dollar den größten Kredit seiner Geschichte im Schnellverfahren gewährt, auch mit dem Hintergedanken, seine Wiederwahl zu unterstützen. Doch es kann anders.

 

Neoperonistische Marktwirtschaft?

 

Die Umschuldung soll nun der ökonomische Star in der neuen argentinischen Regierung durchziehen – der neue Wirtschaftsminister Martin Guzman. Und er schickt erst einmal voraus: ,,Es ist völlig klar, dass das Land in einer kritischen Situation ist, in einer tiefen Schuldenkrise. Was mit den Schulden passiert ist, ist ein Desaster. Denn diese Mittel wurden nicht verwendet, um die Produktivität des Landes zu verbessern, sondern im Gegenteil, um alte Schulden abzulösen und Kapitalflucht zu finanzieren. Deswegen stehen wir vor einer nicht tragbaren Schuldenlast, die die Zukunft der Argentinier belastet und zu mehr Armut und mehr Arbeitslosigkeit geführt hat. Die Wirtschaft befindet sich im freien Fall."

Das klingt wie eine fast aussichtslose Lage. Denn derzeit kann Argentinien nicht mehr alle anstehenden Zinsen und Tilgungen leisten. Und die Realwirtschaft stagniert oder schrumpft sein rund neun Jahren. Die Inflationsrate ist die weltweit Dritthöchste. Die wieder einmal eingeführten Devisenverkehrskontrollen behindern die Wirtschaft zusätzlich.

Mit einem Zahlungsaufschub will die neue Regierung erst einmal Zeit gewinnen. "Wir wollen ja zahlen, aber wir müssen erst einmal zahlen können. Dazu müssen wir wachsen und dazu brauchen wir eine Erleichterung der Schuldenlast, vor der das Land steht", so Guzmans.

Nun scheint es, als hat zumindest der IWF Einsicht in das Unausweichliche gezeigt und bekannt gegeben, dass Argentiniens Schulden nicht mehr tragbar sind. Vor einigen Monaten wurde noch genau das Gegenteil erklärt. Aber da war Frau Lagarde, jetzt Präsidentin der Europäischen Zentralbank, noch Chefin des IWF. Und sie hatte den Riesenkredit damals für die Regierung Macri im Schnellverfahren durchgedrückt.

 

Private Geldgeber ebenfalls am Haken

 

Nun scheint es, als dass man sich auf einen Schuldenschnitt vorbereitet. Der IWF betont, dass man die privaten Gläubiger daran beteiligen sollte, bei denen Argentinien mit rund 113 Milliarden Dollar verschuldet ist. Den damals überschwänglich optimistischen Käufern der 100-jährigen Staatsanleihe, die Argentinien 2017 mit einem Kupon von 7,125 % und mit einer Laufzeit von 100 Jahren emittierte, dürfte dies sauer aufstoßen. Die Anleihe steht aktuell bei 41,2 % des Nennwertes und hat eine Endfälligkeitsrendite von 18 %.

 

Was macht der unsichtbare Elefant am Tisch?

 

Darin sind auch Spekulationen über die Konditionen des Zahlungsaufschubes für den de facto schon eingetretenen Zahlungsverzug enthalten. Denn die finalen Bedingungen des Kapitalschnittes und den zugehörigen Zeithorizont, die beide die ,,Recovery Rate‘‘ der Anleihe bestimmen, sind noch längst nicht geklärt. Man wird sehen, wie sich in diesem Aushandlungsprozess die privaten Gläubiger verhalten und in welcher Weise man Argentinien ökonomisch wieder stärker an die USA und die EU binden kann. Denn es steht außer Frage, dass die verstärkte Öffnung hin zu China und die damit einhergehende Bindung Argentiniens an die chinesische Außenwirtschaftspolitik im Rahmen der ,,Neuen Seidenstraße‘‘, die auch Lateinamerika einschließen soll.

Bisher hat China im Rahmen des Seidenstraßenprojekts 171 Kooperationsvereinbarungen mit über 150 Staaten unterzeichnet. 82 Sonderwirtschaftszonen sind außerhalb Chinas entstanden, in die über 25 Milliarden Euro investiert wurden. Parallel dazu wurden Kulturabkommen mit mehr als 60 Staaten unterzeichnet und 17 Kulturzentren eröffnet. Argentinien erhielt bislang rund 20 Milliarden Euro von China.

 

Peso

 

Der argentinische Peso hat die rapide Verschlechterung der argentinischen Wirtschaftslage, das vorherige Scheitern der jetzigen Vizepräsidentin Kirchner-Fernandez, das darauffolgende Scheitern der Regierung Macri und im Anschluss folgende kollabierende Bonität Argentiniens antizipiert und hat sich je nach Betrachtungszeitraum um 90 % entwertet. Ohne Kapitalverkehrskontrollen wäre die Kapitalflucht der Argentinier aus dem Peso, dem sie ein tief sitzendes Misstrauen entgegenbringen, wohl noch stärker.

 

Fazit

 

Argentinien ist de facto pleite und hat kaum wirtschaftspolitischen Spielraum. Die taktischen Lügen der  peronistischen Regierungen seit 2001, das Scheitern der politischen Agenda von Mauricio Macri und die Selbsttäuschung der Investoren nach dem Motto ,,Gier frisst Hirn‘‘ haben zu einer Situation geführt, in der es nur noch schmerzhafte ,,Lösungen‘‘ mit niedriger B-Note gibt. Es ist zu vermuten, dass die Umschuldungsverhandlungen zu einem klassischen Machtspiel zwischen den privaten und staatlichen Gläubigern Argentiniens, der argentinischen Regierung und dem unsichtbaren Elefanten am Tisch, China, werden.

Der argentinische Peso könnte im Zuge dessen vor einer neuen Abwertungswelle stehen. Die Erinnerungen an frühere Staatsbankrotte in Lateinamerika lassen zudem eine Währungsreform als nicht unwahrscheinlich erscheinen. Das einfache Streichen von Nullen jedenfalls dürfte wenig zu einem wieder zunehmenden Vertrauen in die Wirtschaft und Regierung Argentiniens beitragen.

 

20.02.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de

 

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