Brexit, das Pfund und die EU
Brexit, Freiheit und Wirtschaftswachstum
Nun sind die Briten also draußen. Mit dem Austritt aus der Europäischen Union wird sich die innere Statik dieses komplexen institutionellen Arrangements deutlich verschieben. Ob diese Verschiebung auf Dauer stabiler macht, weiß derzeit niemand.
Was aber endet, ist die Dominanz des Europarechts im Vereinigten Königreich. Und darum ging es vielleicht mehr als um die Hunderttausenden polnischen Gastarbeiter, die als Erntehelfer und vielen anderen Jobs die Arbeit machen, für die kaum noch Briten zu finden sind.
Verfassungsgeschichte ist an wenigen Orten der Welt so sehr im lebendig wie in Großbritannien. Dass das Recht befrieden muss, hat man auch hier schmerzlich immer wieder lernen müssen.
Es ist aber eine Erinnerung wert, dass es Premierminister Churchill war, der das demokratische Grundrauschen Großbritanniens sicherstellte. Durch den 2. Weltkrieg hindurch tagte das Parlament weiter, und die Fortschritte und Ereignisse des Krieges wurden öffentlich diskutiert. Churchill übernahm die volle Verantwortung und stellte sich, auch im Parlament, seinen Kritikern. An anderen Orten verschwanden sie oder wanderten gleich an den Galgen. In den dunklen Monaten der Jahre 1941 und 1942 waren die normalen Freiheitsrechte der britischen Bürger beschränkt, in der Regel aber auf rationaler Basis nur so weit wie unbedingt nötig.
Warum spielt das eine Rolle?
Weil der Geist der Freiheit wohl in den Augen der Mehrheit der Briten in der EU nicht mehr stark genug ist. Man kann deshalb den Brexit als einen ersten Schuss vor den Bug der EU ansehen, über sein Wesen und seine Finalität nachzudenken und mit den richtigen Entscheidungen seine Vitalität zurückzuerlangen.
Bis dahin geht anscheinend unwidersprochen durch, dass etwa der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, Manfred Weber, zuletzt in einem Interview deutlich machte: ,,Wenn der Brexit gefühlt zum Erfolg wird, dann ist das der Anfang vom Ende der EU.‘‘
Denn, so Weber, der Austritt Großbritanniens sei ein Fehler gewesen, weshalb das Vereinigte Königreich nun dessen Folgen zu spüren bekommen müsse. Dies soll wohl nicht nur in Webers Augen die Nachahmung durch zweifelnde EU-Mitgliedländer abschrecken. Man könnte mit Wilhelm Busch auch sagen: Wie klein ist das, was einer ist, wenn man’s an seinem Dünkel misst.
Allerdings: Eine Institution, die sich ihrer selbst gewiss ist, argumentiert nicht so! Ist es die Angst der EU, dass sich der Austritt nicht nur als legitimatorischer, sondern auch als ökonomischer Erfolg erweist? Mit diesem Ansatz bestätigt die EU nachträglich die Rechtfertigung der Brexiteers. Souveränität geht anders.
Das britische Pfund spiegelt dabei nicht nur die relativen Entwicklung des Außenwertes wider. Die Abwertung des Pfundes nach dem Referendum zum Brexit am 23.06.2016 hat sich das Land, wenn auch wohl nicht absichtlich, eine erhöhte preisliche Wettbewerbsfähigkeit erlangt, die ihm nun zu Gute kommen könnte. Denn das schwächere Pfund ist auf der Insel ein viel kleineres Problem als der relativ starke Euro. Der ist zwar gegen den Schweizer Franken schwach und sieht auch gegen den US-Dollar nicht wirklich gut aus. Aber für den Rest der Welt ist die EU relativ teuer.
Fazit
Der Brexit markiert einen Richtungswechsel in der Außenpolitik des Vereinigten Königreiches. Es ist allerdings auch ein Beispiel für die strategische Schwäche der EU. Etwas was man in Bezug auf institutionenökonomisch auch Verflechtungsfalle beschreiben könnte. Wird dabei das fragile Gleichgewicht zwischen Effizienz und Legitimität nicht gewahrt, darf man sich nicht wundern, warum andere in der Freiheit, sich davon zu lösen, einen Eigenwert sehen.
Hinter dem Ärmelkanal wird auch weiterhin ein ökonomisch starker Handelspartner liegen, der als Spiegel der EU eine kaum zu unterschätzende Bedeutung besitzt. Die neu zu findenden Modi vivendi im gemeinsamen Umgang spannen einen Möglichkeitsraum institutioneller Experimente auf, den es zu nutzen gilt.
04.02.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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