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DSM / Covestro: Zukunftsweisende Spartenübernahme

Langfristiges Win-Win-Geschäft für beide Konzerne

NTG24 - DSM / Covestro: Zukunftsweisende Spartenübernahme

 

Einen Paukenschlag lieferte gestern der weltführende Kunststoffhersteller COVESTRO (DE0006062144), als der Leverkusener Konzern zu einem Kaufpreis von 1,6 Mrd. Euro den Kauf der Performancechemikalien-Sparte „Harze und Funktionsmaterialien / RFM“ vom konkurrierenden niederländischen Weltkonzern DSM (NL0000009827) bekanntgab.

Die operativen und finanziellen Licht- und Schattenseiten dieser Transaktionsbekanntmachung spiegelten beide Aktienentwicklungen im gestrigen Börsenhandel daraufhin aus unserer Sicht auch vollauf angemessen wider (Covestro - 7,9 % / DSM + 3,8 %).

Nachdem DSM auch bereits seit langem eine sehr erfolgreiche Position unseres Strategiedepots AKTIEN KONSERVATIV darstellt (aktuell + 22 % seit Einstand) nehmen wir daher nun die strategischen Implikationen dieses Übernahme-Deals, auch aus der Sicht von Covestro, analytisch genauer unter die Lupe.

 

Chart: DSM gegen MSCI WORLD (Euro) – Index

 

 

Verkauf der Sparte RFM aus Sicht von DSM

 

Zunächst einmal, dies schon einmal als der wichtigste Punkt, ist als erstes zu konstatieren, dass der Verkauf der Sparte RFM von DSM an Covestro und deren dort geplante komplette Eingliederung in die Division „Coatings, Adhesives & Specialities“ (CAS) aus Sicht beider Unternehmen strategisch hochgradig sinnvoll und für beide Konzerne operativ deutlich weiterführend ist.

Denn aus Sicht von DSM entspricht dieser künftige Verkauf ihrer Sparte RFM an Covestro vor allem ihrer bereits seit Jahren sehr erfolgreich eingeleiteten Strategie, sich langfristig ausschließlich nur noch auf den rein konsumorientierten und damit weit ertrags- und margenstärkeren Spezialchemikalien-Bereich verlegen zu wollen und sich dem gegenüber von klassischen industriechemischen Aktivitäten perspektivisch konsequent zu trennen.

Diese Gradlinigkeit, mit der DSM diesen strategischen Weg bereits Anfang 2016 eingeschlagen hat und in der ungebrochenen Weiterverfolgung damit auch immer mehr ein direktes Konkurrenzprofil zur schweizerischen LONZA (CH0013841017) einnimmt, spiegelt auch o.g. Aktienchart untrüglich wider und wird mit der jetzt bekanntgegebenen Veräußerung ihrer Sparte RFM um einen weiteren strategischen Meilenstein geschärft.

So wird mit diesem Verkauf von DSM, der mit gut 1 Mrd. Spartenumsatz von RFM ca. 11 % des gesamten Konzernumsatzes und rd. 37 % der Groß-Division „Materialien“ ausmacht, einer der letzten noch verbleibenden Schritte umgesetzt, um den Konzern künftig nur noch ausschließlich auf die drei mit Lonza extrem vergleichbaren Spezialchemie-Segmente der Ernährungs-, Pharmazie- und Umweltchemikalien auszurichten.

Darüber hinaus gelingt DSM mit Verkauf ihrer Sparte RFM auch finanziell ein glänzender Schachzug, da trotz einer produktseitig hoch innovativen Zukunftsausrichtung dieser Sparte (z.B. optische Glasfaser-Beschichtungen u.a. für künftige 5G-Netze, dispersionsfreie Klebstoffe, voll recyclebare Schaumstoffe für Matratzen, Möbel und Teppiche, chemische Verbundstoffe für den 3D-Druck und lichtabsorbierende Chemikalien für Solarmodule) diese Sparte aufgrund eines operativ und finanziell offensichtlich bisher sehr suboptimalen Spartenmanagements konzernweit bis zuletzt dauerhaft underperformte (operative EBITDA-Marge Sparte RFM Ende 2019: nur 13,1 %, verglichen mit gesamter DSM-EBITDA-Konzernmarge von 18,7%).

Daneben entledigt sich DSM mit dem Verkauf der Sparte RFM auch sofort deren Verschuldungsanteil, da DSM aus dem festgelegten Übernahmepreis von 1,6 Mrd. Euro nach Abzug der Nettoverschuldung von RFM, Kapitalertragssteuern auf den von DSM nicht näher bezifferten Buchgewinn der Transaktion wie auch die mit der Akquisition verbundenen Transaktionskosten im Endeffekt nur rd. 1,4 Mrd. Euro als Liquiditätszufluss in den Büchern verbleiben werden.

Aus Sicht von DSM und deren Investoren ist es somit nur folgerichtig, dass die Aktie im gestrigen Börsenhandel nach der Verkaufsmeldung von RFM kräftig zulegte und hiermit nun auch der Weg zu einem künftig weiter fortgesetzten Abbau des KGV-Bewertungsabschlags gegenüber Lonza (KGV 2021e: 27 vs. 41) nochmals stärker frei geworden ist.

 

Kauf der Sparte RFM aus Sicht von Covestro

 

Kommen wir daher nun zur Bewertung der Übernahme der DSM-Sparte „RFM“ aus Sicht von Covestro.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich in ihrer bisherigen, insgesamt sehr innovativen Produktstruktur die Sparte RFM in die Sparte „Coatings, Adhesives & Specialities“ (CAS) von Covestro künftig glänzend integrieren wird.

Denn ohne ihre segmentspezifische Ausrichtung bisher genau quantifiziert zu haben, wies die Sparte CAS von Covestro bisher ein sehr betontes Exposure gegenüber der traditionellen Automobilindustrie auf, insbesondere in den Bereichen von Autolacken, Kleb- und Verbundstoffen in Automobilen sowie wasserfesten bzw. wärme-/feuerabweisenden Zusatzchemikalien. Darüber hinaus war die Sparte CAS von Covestro bislang jedoch unter anderem auch in der Herstellung von Polyurethan-Lacken für Fußböden, von Holz-, Leder- und Textilimprägnierungen sowie -klebstoffen, von Spezialfolien für Dokumente oder auch von Sterilisations-Chemikalien / Pudern in medizinischen Wundauflagen tätig.

Hierdurch wird also bereits ersichtlich, dass sich auch das sehr innovative Produktspektrum von RFM künftig bestens in die Division CAS von Covestro einfügen und hierbei insbesondere auch die künftige Abhängigkeit von Covestro von der klassischen Automobilindustrie mit dem Effekt eine weiteren Ertragsverstetigung weiter mindern wird.

Da zudem der gesamte Umsatz der bislang nur drittgrößten Division CAS durch die künftige Integration der RFM-Aktivitäten von DSM gleich um rd. 40 % steigen wird und sich damit der 2019er Konzernumsatz-Anteil der rein spezialchemischen Sparte CAS von nur 19 % künftig pro forma nun auf über 25 % erhöht, wird bei Covestro auch das bisherige Übergewicht seiner dominierenden Massenchemie-Sparten „Polyurethane“ (2019er Umsatzanteil: 47 %) und „Polycarbonate“ (2019er Umsatzanteil: 28 %) durch die RFM-Akquisition deutlich gemindert und damit die gesamte Gewichtungsstruktur aller 3 Konzerndivisionen bei Covestro künftig deutlich ausgewogener gestaltet. Auch diesen Effekt der weiteren Annäherung aller konzernweiten Divisionsgewichte begrüßen wir natürlich sehr.

Darüber hinaus steigert der Erwerb des RFM-Geschäfts von DSM auch den weltweiten Internationalisierungsgrad von Covestro auf einen Schlag erheblich, da der Konzern damit weltweit gleich 20 neue Standorte gewinnen wird, vornehmlich in den USA (Umsatzanteil gesamte NAFTA-Zone bei Covestro 2019: 26 %) sowie in Asien (Umsatzanteil Region Asien-Pazifik 2019: 32 %). Die jetzige Akquisition der RFM-Aktivitäten stellen für Covestro somit auch aus geographischer Sicht eine exzellente Abrundung dar.

Die Haken an dieser aus strategischer Sicht somit glänzenden Übernahme von Covestro liegen jedoch klar in deren finanziellen Bewertungsdetails.

Zum einen handelte es sich, wie oben ausgeführt bei der DSM-Division RFM bis zuletzt um einen profitabilitätsmäßigen klaren Unterperformer mit einer operativen EBITDA-Marge in 2019 von nur 13,1 %.

Dies stellte jedoch in 2019 nicht etwa nur eine profitabilitätsseitige Unterlegenheit innerhalb des DSM-Konzerns dar, sondern ebenso auch gerade einmal annähernd auch die konzernweite EBITDA-Marge von Covestro selbst, die per Ende 2019 bei 12,9 % lag.

Trotz ihrer bisher starken Affinität zur Automobilindustrie glänzte jedoch gerade die Spezialchemie-Sparte CAS von Covestro (ganz im Gegensatz zu ihren Massenchemie-Divisionen Polycarbonate und Polyurethane) per Ende 2019 mit einer im weltweiten Sektorvergleich herausragenden operativen EBITDA-Marge von 20,0 % (!), so dass die künftige Hinzufügung von RFM zu dieser Sparte ohne Frage aus Sicht von Covestro zunächst erst einmal deutlich margenverwässernd wirken dürfte.

Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass es dem offensichtlich erstklassigen Management der Sparte CAS von Covestro gelingen wird, mittels Integration der aktuell noch underperformenden RFM-Aktivitäten ab Ende 2025 wie anvisiert operative Akquisitionssynergien von über 120 Mio. Euro jährlich zu heben.

Bis zur vollen Entfaltung dieser Synergien dürfte es jedoch noch ein recht beschwerlicher Weg vor allem für das CAS-Management werden, die RFM-Geschäfte auf die gewünschte operative Profitabilität zu trimmen, was auch durch das genannte lange Zeitfenster bis 2025 signalisiert wird und damit nach der gestrigen Akquisitionsbekanntgabe auch den Kursdruck der Covestro-Aktie bereits zu einem gewissen Teil erklärt.

 

Chart: Covestro gegen MSCI WORLD (Euro) – Index

 

 

Am faktischen Kaufpreis des RFM-Geschäfts für Covestro zu rd. 1,4 – 1,5 Mrd. Euro (nach Tilgung aller Nettoschulden) ist jedoch nichts auszusetzen, da hiermit (vorausgesetzt die Akquisitionssynergien lassen sich plangemäß tatsächlich realisieren) diese Transaktion auf geschätzter 2021er Basis mit einem Unternehmenswert/EBITDA-Multiplikator von nur rd. 5,3 zu bewerten ist, während die entsprechende Multiplikator-Bewertung für den Covestro-Gesamtkonzern per 2021e nach aktuellen Analystenkonsensprognosen derzeit etwa bei 6,7 liegt.

Einen weiteren kritischen Punkt, der gestern ohne Frage für den zweiten Teil des Kursabschlags in der Covestro-Aktie verantwortlich war, liegt jedoch darin, dass der Konzern die bisher größte Akquisition seiner Geschichte künftig nur unter Nutzung von Eigen- und Fremdfinanzierungs-Möglichkeiten sowie auch der Verwendung eigener Liquiditätsreserven finanzieren kann.

Zur Beibehaltung seines aktuell bestehenden „Investment Grade“-Kreditratings kündigte Covestro daher in diesem Zuge auch eine künftige Aktienkapitalerhöhung in bereits genehmigtem Rahmen von ca. 450 Mio. Euro an, was ca. 5,8 % der aktuellen Aktienmarktkapitalisierung von Covestro entspricht.

Auch dieser kommende Verwässerungsfaktor in Form der anstehenden Kapitalerhöhung von Covestro erklärt daher den gestrigen Aktienkursdruck nur zu gut.

Und zuletzt, auch dies ist nicht zu vernachlässigen: Mit der jetzigen (offensiven) Akquisitionsbekanntgabe sind fraglos erst einmal alle Anlegerfantasien, dass Covestro künftig gar möglicherweise selbst ein Übernahmeziel sein könnte (wie zuletzt am 18.09. vom US-amerikanischen Private Equity-Investor Apollo Global Management vorgebracht) fürs Erste als rundweg obsolet zu betrachten, was gestern der Aktie möglicherweise ebenfalls einen zusätzlichen Dämpfer verpasst haben könnte.

Im Fazit kann also festgehalten werden, dass die gestrige Akquisitionsmeldung aus Covestro-Sicht zwar einige perspektivische finanzielle Schwachpunkte bzw. Risiken enthält.

Das strategische Kalkül dieser Akquisition und die sich hieraus langfristig verbesserten Gewinnperspektiven für Covestro stufen wir jedoch klar als gegeben ein, weshalb wir unter Voranstellung dieses strategischen Faktors die Aktie mit einem KGV (2021 / 2022e) von 22 / 15 auch weiterhin für attraktiv bewertet halten, und daher risikobewussten Anlegern auch weiterhin zum Kauf empfehlen.

 

01.10.2020 - Matthias Reiner - mr@ntg24.de

 

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