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Das britische Pfund im Stress

Kein Sommermärchen: der Brexit setzt dem Pfund zu

 

Er wird wohl einer der wenigen europäischen Regierungschefs werden, denen man keinen Honeymoon zugesteht. Also eine Einarbeitungsphase als Premierminister von 100 Tagen, in denen man ihm Anlaufschwierigkeiten nachsieht. Boris Johnson (BJ) hat mit seiner ersten Rede im britischen Unterhaus klargemacht, dass er auch nicht gedenkt, diese in Anspruch zu nehmen. So weit, so anspruchsvoll.

Und ja, zumindest sind nun die Fronten klar. Denn ein Blick auf die neue Ministerliste von BJ zeigt schnell, dass dies die erste echte Mitte-rechts-Regierung im Vereinigten Königreich seit Margret Thatcher ist. Nur mit dem Unterschied, dass er einer tief zerrissenen Partei vorsteht und diese keine echte Mehrheit im Parlament hat!

 

Die Uhr tickt!

 

Also geht er auf die Suche, die möglicherweise auch aus einer Neuwahl zum richtigen Zeitpunkt besteht. Mit einer Verhärtung der Fronten ist inzwischen zu rechnen, wie auch die Turboantrittsbesuche, zuletzt in Schottland, zeigen. Ob es auch die Zeit steigender Kollateralschäden ist, wird mal sehr bald sehen, denn die Brexit-Austrittsuhr tickt und zwingt zu ,,tough choices‘‘. Und auch in Brüssel hat man wenig bis keine Bereitschaft, das ,,withdrawal agreement‘‘ wieder aufzuschnüren. Und wie Nordirland in der Zollunion bleiben soll, wenn sich das gegenüberliegende Ufer der Irischen See von Europa entfernt, bleibt einstweilen von dickem Nebel umgeben.

 

Wenig Vertrauen und viel Konfliktpotenzial

 

Die Verhandlungstaktik seiner Vorgängerin hat dazu geführt, dass viele zu lange darauf hofften, es gäbe keinen harten Brexit. Wenn er jetzt trotzdem kommen würde, wären viel zu wenige viel zu wenig darauf vorbereitet. Ergebnis: Turbulenzen und weniger Vertrauen in die Zukunft. Bisher waren diese nicht als hinreichenden Bedingungen für Investitionen und Konsum bekannt.

Ergebnis: Das britische Pfund im Stress. Die Schwäche des britischen Pfundes gegen den Euro wird jedoch noch durch die Schwäche des Euro gegen andere Währungen beeinflusst, weshalb an dieser Stelle als Bewertungsmaßstäbe der US-Dollar und Gold dienen sollen.

So überraschend das Ja am 23.06.2016 für einen Austritt Großbritanniens aus der EU war, so stark waren auch die Kapitalabflüsse aus dem Pfund im Sommer 2016. Die Abwertung gegen den US-Dollar von etwa 10 % im Anschluss an die Abstimmung war nur ein erstes Abdiskontieren einer mehr als ungewissen Gemengelage. Die Hoffnung auf einen insgesamt schmerzfreien, weil gut ausgehandelten Brexit, verflüchtigte aber sich im Zeitverlauf mit jedem Flug von Theresa May nach Brüssel. Inzwischen ist die Wirtschaftslage auf der Insel eine andere und das Pfund steht gegen den US-Dollar kurz vor einem bedeutenden Verkaufssignal bei 0,8342 Pfund. Ein morgiger Schlusskurs des Monatscandles über 0,8170 Pfund vom Oktober 2016 wäre ein wichtiges Indiz für sein Eintreten.

 

US-Dollar in britischen Pfund

 

Einen noch klareren Blick auf die relative Schwäche des Pfundes erhält man bei einem Vergleich gegen Gold.

 

Gold in Pfund monthly

 

Hier ist der Abstand vom aktuellen Kurs zum bisherigen höchsten Monatsschlusskurs vom August 2011 bei 1123,45 Pfund schon bedeutend größer. Die starke Aufwärtsbewegung seit Mai 2019 zeigt an, dass ein Überwinden dieser Marke nach achtjähriger Konsolidierung auch ein bedeutendes Verkaufssignal des Pfundes gegen Gold ist. Aus Sicht eines Portfolios mit Bilanzwährung Pfund wiederum ist es ein starkes mittelfristiges Kaufsignal für Gold.

Fazit: Die Währungen US-Dollar und Gold zeigen eine anhaltende Schwäche des britischen Pfundes an. Da sich an den instabilen Mehrheitsverhältnissen im Parlament aus Sicht des neuen Premiers nur etwas durch Neuwahlen ändert, werden diese immer wahrscheinlicher. Dass die politische Zuneigung zwischen Labour und den Liberaldemokraten nur mikroskopisch messbar ist, macht die Dinge wohl potenziell einfacher. Die jüngsten Signale von Brexit-Party-Chef Nigel Farage geben einen ersten Vorgeschmack auf die zu erwartenden politischen Luftlöcher. Fasten seat belt!

 

30.07.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de





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