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Rechtsansprüche des Ticketbesitzers bei Corona-bedingten Eventausfällen

Ausstellung von Wertgutscheinen zur wirtschaftlichen Unterstützung der Veranstaltungsbranche

NTG24 - Rechtsansprüche des Ticketbesitzers bei Corona-bedingten Eventausfällen

 

Erstattungsanspruch bei Veranstaltungsabsagen

 

Soweit Freizeitveranstaltungen wie bspw. Konzerte oder Bundesligaspiele abgesagt werden, behalten die Tickets im Regelfall ihre Gültigkeit als Sachgutscheine für einen Nachhol- oder Alternativtermin in der Zukunft. Unabhängig vom Grund der Absage der Veranstaltung entsteht für die Ticketbesitzer in diesem Fall alternativ grundsätzlich ein Anspruch auf Rückerstattung des geleisteten Entgeltes. Der Erstattungsanspruch des Ticketbesitzers ergibt sich aus §§ 275, 346 Abs. 1 und 4 BGB i.V.m. § 326 Abs. 5 BGB. Diese Vorschriften gelten auch bei der Absage von Veranstaltungen aufgrund behördlicher Verbote oder Auflagen, wie diese nach Ausbruch der COVID-19 Pandemie bundesweit ausgesprochen wurden.

 

Corona-Sonderregel: Gutscheine anstelle Erstattung

 

Mit Inkrafttreten des Art. 240 § 5 EBEBGB zum 20.05.2020 wird Veranstaltern von Freizeitveranstaltungen abweichend von diesem Grundsatz neuerdings ein gesetzliches Stundungsrecht für bestimmte Corona-bedingte Rückzahlungsverpflichtungen eingeräumt. Für vor Ausbruch der Pandemie erworbene Eintrittsberechtigungen zu Veranstaltungen, die später aufgrund der Pandemie abgesagt wurden, können die Anbieter ihren Kunden Gutscheine anstelle der geforderten Auszahlung des Kaufpreises auszustellen. In den Gutscheinen ist nach Art. 240 § 5 Abs. 4 EBEBGB darauf hinzuweisen, dass diese infolge von Corona-bedingter Veranstaltungsabsagen ausgegeben wurden sowie dass eine Auszahlung des Wertbetrags bei nachgewiesener Bedürftigkeit unmittelbar sowie ab dem 01.01.2022 für jedermann möglich ist.

 

Wertgutschein - freie Wahl der Ersatzveranstaltung

 

Nach den gesetzlichen Vorgaben müssen die Veranstalter Wertgutscheine ausstellen. Damit sind die Kunden berechtigt, ihren Gutschein unabhängig von der Art des ausgefallenen Events für einen beliebigen Ersatz aus dem Angebot des Veranstalters nach ihrer Wahl zu nutzen.

Die Neuregelung dient dazu, die Veranstalter vor massiven Liquiditätsabflüssen infolge der beispiellosen Flut von Veranstaltungsabsagen zu schützen. Die betroffenen Unternehmen erzielen seit mittlerweile rund vier Monaten nahezu keine Einnahmen mehr aufgrund der weiterhin andauernden Beschränkungen des öffentlichen Lebens. Durch die Gesetzesänderung erhalten die Veranstaltern die Möglichkeit, ihre Ausgabenseite zu kontrollieren, um somit die Insolvenzgründe Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) trotz der aktuellen Krise zu vermeiden.[1]

 

Einschränkung des Verbraucherschutzes zur wirtschaftlichen Unterstützung der Veranstaltungsbranche

 

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Werbebanner Zürcher BörsenbriefeAuf den ersten Blick führt die Gesetzesänderung zu Nachteilen für die Ticketbesitzer, weil ein Erstattungsanspruch und damit der Verbraucherschutz eingeschränkt werden. Die Kunden können der Ausstellung des Gutscheins nicht widersprechen. Lediglich in sozialen Härtefällen soll eine unverzügliche Auskehrung möglich sein. Es ist jedoch zu bedenken, dass eine Vielzahl von Veranstaltern infolge der außergewöhnlichen Situation in Existenznot geraten sind. Da die Erstattungsansprüche der Kunden im Falle einer Insolvenz der Veranstalter untergehen würden, wirkt die Neuregelung, die es diesen Unternehmen erlaubt, sich zunächst von dem wirtschaftlichen Schock zu erholen, letztendlich auch zum Schutz der Verbraucher.

Die Rechtsänderung führt nichtsdestoweniger dazu, dass das Insolvenzrisiko des Veranstalters hinsichtlich des gezahlten Eintrittspreises auf den Kunden verlagert wird. Sollte der Veranstalter im Zeitraum ab Übereignung des Gutscheins bis zum 31.12.2021 zahlungsunfähig werden, verfällt der Anspruch des Kunden. Eine Insolvenzabsicherung des Veranstalters z.B. in Form einer Bankbürgschaft in Höhe der ausgestellten Gutscheine ist nicht vorgesehen.

 

Anspruch auf Auszahlung der Wertgutscheine ab 01.01.2022

 

Die Kunden können ihren Gutschein bis zur Verjährung des diesbezüglichen Anspruches jederzeit in ein beliebiges Ticket ihrer Wahl einlösen. Nach Ablauf des 31.12.2021 können die Kunden zudem nach Art. 240 § 5 Abs. 5 Nr. 2 EBEBGB die Auszahlung des Wertgutscheins verlangen. Somit sollten Veranstalter ab dem 01.01.2022 entsprechende Liquiditätsreserven vorhalten, um jederzeitige Zahlungsbereitschaft gewährleisen zu können. Analog hierzu sollten die Kunden beachten, dass mit Ablauf der Sperrfrist zum 31.12.2021 eine erhöhte Insolvenzgefahr für die Veranstalter aufgrund von Zahlungsunfähigkeit besteht, da es zu diesem Zeitpunkt zu einer kumulierten Auszahlung sämtlicher noch nicht eingelöster Gutscheine kommen kann. Eine frühzeitige Einlösung kann entsprechend vorteilhaft sein.

 

Uneingeschränkte Erstattung ab Kaufdatum 08.03.2020

 

Als Stichtag für den Eintritt der Pandemie in Deutschland wurde der 08.03.2020 gewählt. An diesem Tag hatte Gesundheitsminister Jens Spahn empfohlen, bundesweit sämtliche Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern vorerst abzusagen.[2] Nach Auffassung der Bundesregierung seien ab diesem Zeitpunkt die dramatischen Auswirkungen der Pandemie auf das öffentliche Leben in Deutschland für die Bevölkerung erkennbar gewesen. Soweit Veranstalter auch danach weiterhin Tickets zu Veranstaltungen verkauft haben, seien sie nicht schutzwürdig.[3] Im Ergebnis besteht für alle ab dem 08.03.2020 erworbenen Eintrittsberechtigungen ein uneingeschränkter Erstattungsanspruch der Kunden auf die gezahlten Entgelte.

 

Veranstaltungsreihen

 

Soweit vor dem 08.03.2020 erworbene Eintrittsberechtigungen Zugang zu Veranstaltungsreihen gewähren, die anteilig durchgeführt werden konnten oder können, kann der Veranstalter für den nicht nutzbaren Teil einen Wertgutschein ausstellen, um den Kaufpreis nicht anteilig auszahlen zu müssen. Betroffen hiervon sind bspw. Dauerkarten für Fußballvereine.

 

Abgrenzung von Freizeitveranstaltungen und beruflichen Events

 

Die Neuregelung bezieht sich ausschließlich auf Events im Freizeitbereich insbesondere Musik-, Kultur- und Sportveranstaltungen, nicht jedoch auf berufs- oder aus- und fortbildungsbezogene Veranstaltungen. Die Veranstalter müssen dementsprechend hinsichtlich ihres Angebotes im Einzelfall entscheiden, ob für den jeweiligen Termin ein Wertgutschein ausgestellt werden kann oder die entsprechende Eintrittsberechtigung erstattungspflichtig ist. Abgrenzungsprobleme können hier bspw. bei Vortragsveranstaltungen entstehen, soweit sich ein spezieller Event nicht zweifelsfrei einer Kategorie zuordnen lässt.

 

Ursächlichkeit der Corona-Pandemie

 

Weiterhin können Veranstalter lediglich in den Fällen auf einen Gutschein verweisen, in denen die COVID-19-Pandemie tatsächlich ursächlich für die Absage der betreffenden Veranstaltung war und sind diesbezüglich im Zweifel nachweispflichtig. Um auf diesbezügliche Diskussionen vorbereitet zu sein, sollten Veranstalter vor der Ausstellung von Gutscheinen die den Veranstaltungsabsagen zugrundeliegenden behördlichen Anordnungen dokumentieren.

 

Kostenfreie Ausstellung der Gutscheine

 

Nach Art. 240 § 5 Abs. 3 EBEBGB sind die Gutscheine über den gesamten geleisteten Eintrittspreis inkl. Vorverkaufsgebühren und sonstiger Entgelte auszustellen. Kosten für die Ausstellung oder Übermittlung des Gutscheins dürfen nicht in Rechnung gestellt oder vom Gutscheinwert abgezogen werden. Als Übermittlung ist die Übergabe des unmittelbaren Besitzes über den Gutschein als Verschaffung der Verfügungsmacht analog § 433 Absatz 1 Satz 1 BGB zu verstehen. Regelmäßig wird die Übergabe durch mit der Eintrittskarte in der Verkaufsstelle oder durch Übersendung per Post oder Email erfolgen.[4]

 

Nachweispflichten für Veranstalter

 

Durch Wirtschaftlichkeitsüberlegungen sollten die Veranstalter die Zusatzkosten, die sich aus der Ausstellung und Übermittlung der Gutscheine sowie den zusätzlichen Dokumentations- und Compliance-Pflichten ergeben, den Kosten für die Beschaffung zusätzlicher Liquidität zur Erstattung stornierter Tickets gegenüberstellen, soweit keine übergeordneten Gründe gegen eine weitere Kreditaufnahme sprechen, z.B. der Insolvenzgrund Überschuldung (§ 19 InsO).

Der Veranstalter hat vor der Ausgabe eines Gutscheins in seinem Buchhaltungssystem zunächst das zurückgegebene Ticket zu stornieren.

 

Umsatzsteuerrechtliche Implikationen

 

Nach § 17 Abs. 1 Satz 7, Abs. 2 Nr. 3 UStG ist in diesem Fall die Umsatzsteuervoranmeldung für den Voranmeldezeitraum des jetzt rückgängig gemachten Ticketkaufs zu berichtigen. Da Leistungsort und Leistungszeitraum der Veranstaltung bei Übergabe des Gutscheins noch nicht feststehen, liegt ein sogenannter Mehrzweckgutschein nach § 3 Abs. 15 UStG vor, dessen Übertragung nicht zur Umsatzsteuerpflicht führt. Diese entsteht erst mit der Einlösung des Gutscheins. Im Ergebnis führt die zwingende Berichtigung der Umsatzsteuer zu einem temporären Liquiditätsvorteil für den Unternehmer. Aufgrund der befristeten Senkung des Umsatzsteuersatzes nach § 12 Abs. 1 UStG i.V.m. § 28 Abs. 1 UStG von 19% auf 16 % im Zeitraum 01.07.2020 bis 31.12.2020 können sich auch Vorteile für den Kunden ergeben, soweit er den Gutschein in diesem Zeitraum einlöst und die Steuersatzsenkung durch den Veranstalter weitergeben wird.

 

Gültigkeitsdauer der Gutscheine

 

Die sich aus dem Gutschein ergebenden Ansprüche unterliegen der zivilrechtlichen Regelverjährung nach §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Diese beträgt drei Jahre und beginnt mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Konkret bedeutet dies, dass der zum 01.01.2022 entstehende allgemeine Rückzahlungsanspruch spätestens mit Ablauf des 31.12.2025 unwiederbringlich erloschen ist. Es ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Kunden diese Frist ungenutzt verstreichen lassen werden, so dass sich ein zusätzlicher wirtschaftlicher Vorteil für die Veranstalter ergibt. Gutscheine sind nicht personengebunden und können von jeden, der diese vorlegt, eingelöst werden (§ 807 BGB i.V.m. §§ 793, 797 BGB).

 

Unverzügliche Auskehrung in sozialen Härtefällen

 

Nach Art. 240 § 5 Abs. 5 Nr. 2 EBEBGB können die Kunden die Auszahlung des Wertgutscheins verlangen, soweit eine Rückhaltung der Zahlung durch den Gutschein aufgrund der persönlichen Lebensumstände des Betroffenen unzumutbar ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Unzumutbarkeit und die diesbezüglichen Nachweispflichten sind durch die Rechtsprechung zu konkretisieren (z.B. Corona-bedingte Arbeitslosigkeit, Einkommenshöhe). Hier können sich erhöhter Prüfaufwand und ggf. Rechtsstreitigen für die Veranstalter ergeben.

 

Freiwillige Kaufpreiserstattung weiterhin möglich

 

Da die zeitnahe Durchführung von Großveranstaltungen aktuell immer noch nicht realistisch erscheint, kann die Ausstellung eines auf Events begrenzten Gutscheins für einige Kunden mangels tatsächlicher Einlösungsmöglichkeiten unattraktiv erscheinen und entsprechend Unzufriedenheit auslösen. Die sofortige Rückzahlung des Kaufpreises der Tickets für die abgesagten Veranstaltungen ist weiterhin rechtlich zulässig, jedoch aufgrund des kurzfristigen Liquiditätsabflusses aus Sicht des Veranstalters regelmäßig nicht zu empfehlen.

 

Alternative Angebote zur Kundenbindung

 

Im Rahmen der Vertragsfreiheit können die beiden beteiligten Parteien im gegenseitigen Einvernehmen auch Alternativen zum gesetzlich vorgesehen Wertgutschein zur Abwicklung des Rückzahlungsanspruchs für die ausgefallenen Veranstaltungen vereinbaren. In diesem Fall ist jedoch zu beachten, dass der Veranstalter nicht auf die Annahme seines Angebotes durch den Kunden bestehen kann.

Zunächst könnten die Veranstalter versuchen, die verfallenen Tickets gegen Sachgutscheine für exklusive Veranstaltungen (z.B. Sonderkonzerte eines begehrten Künstlers an außergewöhnlichen Orten wie bspw. Fabrikhallen) auszutauschen, die ausschließlich den betroffene Kunden vorbehalten sind. Diese attraktiven Angebote sollten auch den Kunden offenstehen, die ihre Tickets nach dem 07.05.2020 erworben haben und somit grundsätzlich nicht unter die Gesetzesänderung fallen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass einige dieser Kunden daraufhin auf ihren Erstattungsanspruch verzichten und dem Unternehmen somit einen weiteren Liquiditätsvorteil ermöglichen werden.

 

Einbindung regionaler Partner

 

Als weitere Alternative wären Wertgutscheine für den lokalen Einzelhandel und die lokale Gastronomie denkbar. Diese Gewerbezweige mussten einen massiven Kundenrückgang infolge des behördlich verordneten Kontaktverbotes verzeichnen und stehen somit neuen Kooperationen offen gegenüber. Um dem Kundenbedürfnis nach ersatzweiser Freizeitgestaltung gerecht zu werden, können zudem Gutscheine für lokale Sport- und andere Freizeiteinrichtungen ausgestellt werden. Neben der unmittelbaren Nutzbarkeit dieser Angebote könnten sich die Kunden auf diese Weise auch vom Insolvenzrisiko des Veranstalters befreien.

 

13.01.2021 - Eliso Katamadze - ek@ntg24.de

 

[1] vgl. Bundesregierung (2020): Formulierungshilfe der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht, S. 5.

[2] Vgl. Tagesschau (2020): Spahn zu Coronavirus - Events mit mehr als 1000 Menschen absagen, 08.03.2020, https://www.tagesschau.de/inland/coronavirus-spahn-rki-103.html.

[3] vgl. Bundesregierung (2020): Formulierungshilfe der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht, S. 8.

[4] vgl. Bundesregierung (2020): Formulierungshilfe der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht, S. 8.

 

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  • - 31.05.2022 10:49:53 Uhr


 

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