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Negative Stabilität?

Wie stabil kann Geld noch sein, wenn es nichts kostet?

 

Geht man von dem Gedanken aus, dass vorhandenes Geld als Tauschmittel für Güter und Dienstleistungen genutzt wird, die einen positiven Nutzen generieren, bleibt man gedanklich an der Tatsache hängen, dass die Finanzierung dieses Geldes ein Geschenk ist. Denn ein negativer Zins vernichtet Buchgeld, bestraft den Geldbesitzer und belohnt den Schuldner mit der Senkung des Kreditbetrages. Ändert sich dies, wenn man annimmt, dass die Preise sinken und der Realwert der Schuld ansteigt?

Ein Blick auf die Rendite der 10-jährigen deutschen Staatsanleihe, die aktuell bei – 0,7 % steht, macht die historisch extreme Lage deutlich. Seit Jahren wird wiederholt, dass wir die tiefsten Zinsen seit der goldenen Zeit von Uruk haben. Übrigens: Kurz vor dem Regierungsantritt des babylonischen Königs Hammurabi kostete um 1796 v. Chr. ein Kredit mit 5 Jahren Laufzeit 3,78 %.

 

Rendite 10 Jahre Deutschland

 

Globalisierung und Verschuldung

 

Die Globalisierung der Weltwirtschaft ließ seither die Verfügbarkeit von Ressourcen und die Vermarktungsmöglichkeiten der Produkte explodieren. Die ,,Lohnveredelung‘‘ verschaffte den Unternehmen überproportionale Gewinnzuwächse, verteilte aber die Gewinne global gesehen asymmetrisch. Wen wundert es deshalb, dass Staaten für sie bessere Alternativszenarien anstreben, wofür China einen eindrücklichen Beleg liefert. Machtverschiebungen rütteln eben am Status quo, und nebenbei wandert das Gold aus den Tresoren der Defizitökonomien in jene mit Leistungsbilanzüberschüssen. Die Ersteren verfrühstücken fremde Spareinlagen in der Hoffnung auf zukünftige Produktivitätssteigerungen, die Letzteren verzichten temporär auf den Konsum, um ihre oft vorsorgearme Zukunft schneller aufzufüllen.

Ergebnis: Die Schuldenmaschine dreht sich bis zum Reset. Ein Vergleich des weltweiten Schuldenwachstums mit dem des BIP macht klar, dass durch weitere Schulden zunehmend Schulden bedient und nicht Investitionen finanziert werden. Der Minsky-Moment naht, und die Idee einer Sparschwemme, die der frühere FED-Chef Ben Bernanke in den Raum stellte, wäre eine ökonomische Seifenblase. Die USA sind machtpolitisch vielleicht überdehnt, aktuell aber mit ihrem relativ höheren Zinsniveau und dem Reservewährungsstatus ihres US-Dollar, folgt man den aktuellen Kapitalströmen, dass am wenigsten dreckige Shirt unten den Weltwährungen. Und so wie bei einer Verletzung das Blut in die wichtigsten Organe des Körpers fließt, könnte das scheue Kapital bei einem Systemschock in den US-Dollar flüchten.

 

Natürlicher und politischer Zins

 

Aber zurück zu den Schulden mit Negativzins. Was wäre denn die Konsequenz, wenn der Gleichgewichtszins von Investitionen und Sparen am Geldmarkt negativ ist? Ein Sparer würde diesen Zins akzeptieren, wenn die Alternativen schlechter sind. Ebenso der Investor, der mit allen anderen Alternativen einen noch niedrigeren Negativzins erwirtschaftet. Wie passt das zum immer positiven natürlichen Zins? Aktuelle Arbeitshypothese: Gar nicht! Und ist dies deshalb vielleicht ein Anzeichen für eine anstehende drastische Dezimierung des Realwertes des Geldes?

Der Negativzins erzwingt Ausweichreaktionen zur Minimierung der Geldhaltung. Der gedankliche Schritt zum Gold und zur verstärkten Bargeldhaltung ist offensichtlich kurz. Da die Schöpfung von Zentralbankgeld und der Leitzins der Notenbank aber eine politische Entscheidung sind, muss man daraus ableiten, dass die bisherige Strategie, durch extrem niedrige Zinsen den Konsum anzukurbeln, de facto nur Zeit gekauft hat, die insgesamt nicht genutzt wurde, um das System ohne Bruch stabiler zumachen. Schulden durch noch mehr Schulden zu bekämpfen ist als Steuerungsidee der Geldpolitik gescheitert, da es keinen wirksamen realen Wachstumsbeitrag mehr erbringt. Noch negativere Zinsen dürften den Geldmarkt nicht ins Gleichgewicht bringen, sondern nur noch mehr Verwerfungen auslösen.

 

Verzerrung der Nutzenkalküle

 

Die Notenbanken, ebenso wie überschuldete Konsumenten, Firmen und öffentliche Schuldner, sind Gefangene ihrer eigenen Geldpolitik. Sie sind süchtig nach Kredit und wollen den Mechanismus, der real nicht mehr zu rechtfertigen ist, aufrechterhalten. Politisch ist die Gewöhnung an ultraniedrige Zinsen gefährlich, weil sie die grundlegenden Nutzenkalküle des Konsums und Sparens auf den Kopf stellt, Millionen von Zombiefirmen finanziert und damit zu einer Megaineffizienz der Volkswirtschaft führt. Nebenbei verfrühstücken die Konsumenten weiter ihr zukünftiges Einkommen, welches sie wahrscheinlich gar nicht erzielen werden.

Fazit: Der Motor des Kreditwachstums stottert, weil er ökonomisch an seine Grenzen gekommen ist. Negativzinsen erhöhen den Ausweichdruck der Sparer in Gold, Silber und Bargeld. Ist ein ,,Herauswachsen‘‘ aus den Schulden aufgrund der Kreditsättigung bzw. Überschuldung nicht mehr möglich, dürfte die Gefahr für Politikfehler der Geldpolitik dramatisch ansteigen. Insofern ist der Negativzins ein Indiz einer Kombination aus geldpolitischer Verzweiflung und einer Flucht in die am wenigsten dreckigen Shirts am Kapitalmarkt – seien es Währungen, Anleihen oder Aktien. Am Ende bleibt die Erkenntnis, die der frühere Bankier Fürstenberg so beschrieb: Inflation und Deflation sind nichts anderes als Fremdwörter für Pleite!

 

20.08.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de

 





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