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Notenbanken in der Klemme

Unkonventionelle Geldpolitik - und dann?

 

Der erste EZB-Präsident Wim Duisenberg betonte einmal, dass man die Spielregeln nicht in der Mitte des Spieles ändern soll. Wenn man sich anschaut, mit welcher Gründlichkeit die Notenbanken seit Jahren ihr Inflationsziel verfehlen, kann man den großen Reiz nachempfinden, bei anhaltender Erfolglosigkeit bei der Zielerreichung das Ziel zu ändern und die Zahl derverfügbaren Mittel zu vergrößern.

 

Hilflose Vorschläge

 

Der Finne Olli Rehn, zuletzt noch ein potenzieller Nachfolger für EZB-Chef Draghi, schlug zur Zielerreichung sogar vor, das Inflationsziel anheben. Denn dann, so Rehn, würden die Konsumenten von einem verstärkten Geldwertverlust ausgehen und das Geld schneller ausgeben. Die Verzweiflung ist diesem Vorschlag in Form einer sich selbst erfüllenden Konsum-Prophezeiung schier ins Gesicht geschrieben. Im Guten hatte es indes auch schon nicht wirklich funktioniert. Der frühere FED-Chef Bernanke fütterte die Welt mit dem Wealth-Effekt als Begründung, warum die US-Notenbank steigende Aktien anstreben sollte. Sich reicher fühlend, würden die Konsumenten dann mehr ausgeben. Hier aber steht der eigentliche Stresstest noch aus.

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Bildnachweis: © Finance & Research AG

 

Black Hole Monetary Politics

 

Als sich am vergangenen Freitag auf dem Notenbank-Treffen die geldpolitischen Strategen zum gemeinsamen Händchenhalten versammelten, war nicht nur der Druck des US-Präsidenten auf die Notenbank mit Händen zu greifen. Der frühere US-Finanzminister Larry Summers erklärte gleich die Geldpolitik in 28 Twitter-Einträgen für erledigt. Er verglich die Geldpolitik mit Blick auf den Tagungsort Jackson Hole als ,,Black Hole Monetary Politics‘‘. Seiner Ansicht nach ist es für Notenbanken gefährlich zu behaupten, dass sie die Lage unter Kontrolle hätten oder wenigstens die Mittel, sie unter Kontrolle zu bringen.

Das ist starker Tobak. Denn zum einen ist Summers ein politisches Schwergewicht. Zum anderen deshalb, weil der Glaube an die Steuerbarkeit durch die Notenbanken zu den zentralen kognitiven Ankern für die Wirksamkeit der neuzeitlichen Geldpolitik gehört.

Im Medizinkasten der Geldpolitik sind nicht mehr viele konventionelle Mittel übrig. Inflation Targeting hat sich bislang als unzureichend herausgestellt. Forward Guidance als kognitive Massage der Markterwartungen funktioniert kaum, und die Anleihekäufe sind ein bonitätsgefährdendes Roulette-Spiel geworden mit einer Klippe des Vertrauensbruchs für Notenbanken geworden. Die Negativzinsen treiben die Anleger in immer größere Verzweiflungskäufe, zu eigentlich unerwünschter Bargeldhaltung, und sie machen das Pensionslückenproblem zu einem Knall mit Ansage.

 

The dark side of the moon

 

Summers sieht in Negativzinsen auch eine Gefahr für die Finanzstabilität, denn sie unterstützen die Blasenbildung an den Märkten. Daneben vermehren sich die sogenannten Zombiefirmen, die bei normalen Zinsen schon längt pleite wären und aus volkswirtschaftlicher Effizienzperspektive die reine Verschwendung darstellen. Und schließlich mache der Negativzins das Geschäftsmodell vieler Banken kaputt. Zuletzt hatte dies sogar die Zentralbank der Zentralbanken, die BIZ in Basel, betont.

Und was kommt dann, wenn die letzten Reserveantibiotika der Geldpolitik knapp werden?

Der Ruf nach erhöhten Staatsausgaben soll es richten. Der Staat solle nun mit Steuersenkungen und/oder Mehrausgaben den Staatsausgabenmultiplikator anschmeißen. Doch anders als vor 10 Jahren sind die meisten Staaten heute nicht in der Lage, bei einem Abschwung mit großen Ausgabeprogrammen oder Steuersenkungen zu reagieren. Es sei denn, ja es sei denn, die EZB würde auf direkte Staatsfinanzierung umschwenken. Oder führt man dich lieber gleich eine Vermögensabgabe für Reiche ein?

 

Bail-out und dann?

 

Nachdem die Staaten in der Finanzkrise 2008 mit Bail-out statt mit Bail-in antworteten, vergaßen sie mit Ausnahme von Island die andere Seite der Gleichung. Denn nur Verluste zu sozialisieren und die Gewinne privat zu lassen kollidiert nicht nur wertebezogen mit dem tieferen Sinn einer Gemeinschaft. Ob man es nun Verantwortung nennt oder Haftungsprinzip, am Ende des Tages gilt im Kern das Verursacherprinzip.

Der Staat ist deshalb wahrscheinlich mit so einem wirkungslosen Medizinkasten beim nächsten Verkehrsunfall überfordert. Der Streit zwischen US-Notenbankchef Powell und US-Präsident Trump ist in gewisser Weise symptomatisch. Wenn aber das Vertrauen in die Notenbanken schwindet, warum sollen die Anleger dann noch an Geldwertstabilität glauben? Institutionelles Vertrauen ist jedenfalls wie auch sonst schnell ruiniert und schwer wiederaufgebaut.

 

27.08.2019 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de

 





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