Argentinischer Peso weiter unter Druck
Argentinien: Der Peso und der Merval Index
Südamerika entwickelt sich aktuell nicht nur zu einem Corona-Hotspot, sondern auch die ökonomischen Stressindikatoren nehmen unvermindert zu. Denn die Vollbremsung des öffentlichen Lebens, in dem sich vieles, auch die Einkommenserzielung von Millionen von Argentiniern, im informellen Sektor abspielt, steht mehr oder weniger still. Und da parallel ein weltweiter Nachfrageschock auf die Ausfuhrgüter drückt, ergibt sich neben einem sozialen auch ein ökonomischer Schock.
Dabei sind die dysfunktionalen Entscheidungen, die grassierende Korruption und die extreme Ungleichverteilung von Vermögen und Einkommen noch gar nicht eingerechnet. Dass aber bei einer Inflationsrate, die seit Monaten jenseits der 50 %-Marke liegt, die Konsumenten am unteren Ende der Einkommensskala besonders unter Druck sind, ist verständlich.
Und nun noch der nächste Schlag: Nach langen Verhandlungen und Verhandlungsverlängerungen lehnen große Gläubiger in den laufenden Umschuldungsverhandlungen das letzte Angebot der argentinischen Regierung ab und machten stattdessen ein eigenes neues. Drei große Gläubigergruppen, die zusammen mehr als ein Drittel der durch die Umschuldung betroffenen Anleihen halten, teilten mit, dass ,,unser gemeinsames Angebot große wirtschaftliche und rechtliche Zugeständnisse enthält. … Die verbesserte Offerte entlastet Argentinien kurzfristig und sichert Argentinien langfristig Zugang zum internationalen Kapitalmarkt."
Die argentinische Regierung lehnte das neue Angebot der privaten Gläubiger umgehend ab. ,,Wir können uns nicht mehr bewegen", sagte Präsident Alberto Fernández im argentinischen Fernsehen. Und Wirtschaftsminister Martín Guzmán machte klar, dass das aktuelle Angebot das letzte Wort aus Buenos Aires ist. ,,Wir sehen, dass es in dieser Gruppe von Gläubigern an Verständnis für die beschränkten Möglichkeiten Argentiniens fehlt."
9. Staatspleite und erneute Vertrauenserosion voraus
Nun droht also Argentinien erneut die Staatspleite. Es wäre der 9. Zahlungsausfall in der Geschichte Argentiniens.
Die Kapitalflucht aus dem argentinischen Peso ist dabei seit Langem im Gange. Man setzt sich in die Fähre über den Rio de la Plata und macht einen Tagesausflug nach Montevideo, die Hauptstadt Uruguays. Dort zahlt man dann seine US-Dollars bei einer uruguayischen oder US-amerikanischen Bank auf ein Dollarkonto ein und hat damit zumindest dieses Geld vor der kaufkraftzersetzenden Inflation auf der anderen Seite des Silberflusses bewahrt.
Es kann deshalb niemanden überraschen, dass es beim Wechselkurs des argentinischen Pesos zum US-Dollar nur um das Abbremsen der Abwertungsgeschwindigkeit gehen kann, solange die eigenen Bürger und insbesondere die ökonomischen Eliten des Landes der eigenen Währung nicht trauen. Denn dann fragen ausländische Investoren, warum denn sie mehr an die Währung Argentiniens glauben sollen als die Argentinier. Diese Diskrepanz aufzulösen ist dabei die Sache der Argentinier selbst.
Einstweilen setzt sich der Abwertungsprozess des Peso gegen den Dollar exponentiell fort (s. Chart 1).
Ein interessantes Detail für ausländische Investoren wird zudem deutlich, wenn man die Entwicklung des argentinischen Peso gegen den US-Dollar (orangene Linie) mit der Entwicklung des argentinischen Aktienindex MERVAL (blaue Linie) über die Regierungszeit des vorherigen Präsidenten Mauricio Macri vergleicht (s. Chart 2) Der Saldo aus beiden Linien ist dabei die Nettoperformance des Aktienindex in US-Dollar.
Ergebnis: Ein Aktienengagement mittels eines Indexfonds auf den MERVAL über die ganze Amtszeit Macris hätte in US-Dollar einen Verlust von rund 60 % insgesamt bzw. rund 15 % jährlich geführt. Für diesen Zeitraum kann also konstatiert werden, dass Aktien die galoppierende Inflation eben nicht ausgeglichen haben!
Dies mag für Zeiträume, in denen eine niedrigere Inflation und höhere ökonomische Wachstumsrate bestand, anders aussehen. Aber zumindest für diesen Zeitraum, in dem ja die Hoffnung auf eine ,,ökonomische Wende‘‘ bestand, widerlegt der Vergleich den herrschenden Mainstream.
Fazit
Argentinien schrammt einer ungewissen Zukunft entgegen, mit weiteren Abwertungsschüben des Pesos ist zu rechnen. Ein Staatsbankrott wird dem Land den Zugang zum internationalen Kapitalmarkt weiter erschweren, denn es war ja die Regierung Macris, die sich mit den Altschuldengläubigern einigte und danach wieder eine Dollar-Anleihe mit 100 Jahren Laufzeit emittieren konnte. Diese Tage dürften nun bis auf Weiteres vorbei sein. Hoffnung könnte hingegen ein Wiederanstieg der Preise für argentinische Rohstoffexporte bringen, wenn auch anders als gedacht. Denn eine zunehmende Angebotsverknappung durch einen erneuten Lockdown wäre ökonomisch teuer erkauft.
21.07.2020 - Arndt Kümpel - ak@ntg24.de
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