
Zwangsversteigerung als Auslöser eines privaten Veräußerungsgeschäfts
§23 EStG kann Anwendung finden
Auch die Veräußerung einer Eigentumswohnung im Zwangsversteigerungsverfahren kann ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auslösen – selbst wenn die Beschlagnahmung des Grundstücks bereits vor der Insolvenzeröffnung erfolgte und die Veräußerung durch einen absonderungsberechtigten Gläubiger erst im Insolvenzverfahren durchgeführt wurde. Maßgeblich ist hier, dass in diesem Fall eine Masseverbindlichkeit vorliegt.
Grundlagen der Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen
Masseverbindlichkeiten unterscheiden sich klar von Insolvenzforderungen:
- Masseverbindlichkeiten sind jene Verbindlichkeiten, die – gemeinsam mit den Kosten des Insolvenzverfahrens – vorrangig aus der Insolvenzmasse bedient werden (§ 53 InsO).
- Insolvenzforderungen sind dagegen sämtliche Forderungen, die bereits vor der Insolvenzeröffnung begründet wurden (§ 38 InsO).
Die Finanzverwaltung hat ein besonderes Interesse daran, Steuerforderungen den Masseverbindlichkeiten zuzuordnen, um eine höhere Befriedigung als im Fall von Insolvenzforderungen zu erreichen.
Der Fall der Zwangsversteigerung einer Eigentumswohnung
Im entscheidungsrelevanten Fall:
- War der Insolvenzschuldner B seit November 2012 Eigentümer einer Eigentumswohnung.
- Aufgrund von Steuerrückständen beantragte das Finanzamt, gestützt auf eine eingetragene Zwangshypothek, die Zwangsversteigerung – ein Antrag, dem das Amtsgericht im Dezember 2018 stattgab.
- Im Mai 2020 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt, ohne dass eine Freigabe des Grundstücks erfolgte.
- Mit dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts im November 2020 wurde die Wohnung infolge eines Bargebots veräußert.
Auf Grundlage des erzielten Verkaufspreises ermittelte das Finanzamt einen – zwischen den Parteien unstreitigen – Veräußerungsgewinn und setzte die entsprechende Einkommensteuer 2020 fest. Diese wurde als Masseverbindlichkeit eingestuft, da die Steuerpflicht infolge des privaten Veräußerungsgeschäfts während des Insolvenzverfahrens ausgelöst wurde.
BFH-Entscheidung: Privates Veräußerungsgeschäft und Masseverbindlichkeit
Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Revision des Finanzamts statt und stellte fest:
- Privates Veräußerungsgeschäft:
Auch bei einer Zwangsversteigerung liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor, da die Anschaffung und Veräußerung der ETW innerhalb des 10-Jahreszeitraums erfolgte. Mangels Eigennutzung greift die Ausnahmeregelung nicht.
Das Verfahren wird als willentliche Bestätigung („Geschäft“) gewertet, da der Eigentumsverlust durch die Befriedigung des Gläubigers hätte abgewendet werden können. Der Versteigerungserlös entspricht dem Veräußerungspreis, wobei der Zeitpunkt der Abgabe des Meistgebots als Veräußerungszeitpunkt maßgeblich ist.
- Masseverbindlichkeit:
Da die Steuerpflicht nach § 23 EStG erst im Insolvenzverfahrenszeitraum durch die Abgabe des Meistgebots realisiert wurde, ist die darauf lastende Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit anzusehen. Dies gilt auch, wenn das Grundstück, an dem ein Absonderungsrecht besteht, weiterhin zur Insolvenzmasse gehört.
Praxisfolgen und zukünftige Entwicklungen
Die BFH-Entscheidung bestätigt die Auffassung der Finanzverwaltung und weist erneut auf die steuerlichen Risiken eines privaten Veräußerungsgeschäfts im Rahmen von Zwangsversteigerungen hin. Neben diesem Fall gab es auch eine BFH-Entscheidung bezüglich der trennungsbedingten Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einem bebauten Grundstück, wonach nach dem Trennungsjahr ein privates Veräußerungsgeschäft ausgelöst werden kann.
Gerade bei komplexen Verfahren wie Zwangsversteigerungen oder insolvenzbedingten Veräußerungen ist eine professionelle und realistische Immobilienbewertung von großer Bedeutung, um Streitigkeiten über den Verkehrswert von vornherein zu vermeiden. Eine fundierte Wertermittlung durch einen unabhängigen Sachverständigen kann helfen, sowohl steuerliche als auch insolvenzrechtliche Risiken besser einzuschätzen. Weitere Informationen finden Sie beispielsweise unter Immobiliengutachter Dresden.
Im konkreten Fall war die Höhe des Veräußerungsgewinns unstrittig, hätte jedoch aufgrund neuester BFH-Auffassungen zu Differenzen führen können, wenn ausschließlich durch das Insolvenzverfahren verursachte Aufwendungen als Werbungskosten abgezogen würden. Der BFH verwies den Fall zur weiteren Klärung an das FG Hamburg, um zu ermitteln, inwieweit die Aufwendungen dem Insolvenzverfahren oder einer primären Einkunftsquelle zuzurechnen sind.
Aktuell ist zudem ein Revisionsverfahren bezüglich der Abzugsfähigkeit von Insolvenzverwaltervergütungen anhängig, sodass sich auch hier zukünftig Änderungen ergeben könnten.
19.06.2025 - Daniel Eilenbrock
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