Gewerbesteuerrechtliche Zurechnung des Gewinns aus der Anteilsveräußerung bei doppelstöckigen Personengesellschaften
BFH, Urteil vom 8. Mai 2025 – IV R 40/22
Doppelstöckige Personengesellschaften sind in der Praxis weit verbreitet, insbesondere bei der steuerlichen Gestaltung von Unternehmensstrukturen. Dabei stellt sich bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils an der Oberpersonengesellschaft regelmäßig die Frage nach der gewerbesteuerlichen Zurechnung des daraus resultierenden Veräußerungsgewinns. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Thematik in mehreren Entscheidungen – zuletzt im Urteil vom 08.05.2025 (Az. IV R 9/23) – präzisiert und sich klar gegen eine Aufspaltung des Veräußerungsgewinns auf die stillen Reserven beider Gesellschaftsebenen ausgesprochen. Dies hat wesentliche Konsequenzen für die Besteuerungspraxis.
1. Einheitlicher Veräußerungsvorgang auf der Ebene der Oberpersonengesellschaft
Gemäß § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG gehört der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils zum Gewerbeertrag, soweit die Beteiligung unmittelbar am Betriebsvermögen einer Personengesellschaft bestand. Der BFH hat klargestellt, dass im Fall einer doppelstöckigen Struktur – d.h. einer Oberpersonengesellschaft, die ihrerseits an einer Unterpersonengesellschaft beteiligt ist – der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an der Obergesellschaft nicht auf die einzelnen Vermögenskomponenten beider Gesellschaften aufzuteilen ist.
Das Gericht betont (Rn. 28 ff.), dass es sich um einen einheitlichen Veräußerungsvorgang auf der Ebene der Oberpersonengesellschaft handelt. Eine sogenannte „Durchstockung“ des Gewinns, also die Zuordnung von Veräußerungsteilen zur Untergesellschaft, findet nicht statt. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 7 Satz 2 GewStG, sondern auch aus systematischen Erwägungen und dem notwendigen Gleichlauf mit der einkommensteuerlichen bzw. körperschaftsteuerlichen Gewinnermittlung.
2. Keine gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 2 GewStG bei mittelbaren Beteiligungen
Besonders praxisrelevant ist die Folge, dass eine gewerbesteuerliche Kürzung des Veräußerungsgewinns nach § 9 Nr. 2 GewStG ausscheidet, selbst wenn stille Reserven auf der Ebene der Unterpersonengesellschaft entstehen. Der Veräußerungsgewinn wird vollumfänglich dem Gewerbeertrag der Oberpersonengesellschaft zugerechnet. Dies bestätigt der BFH in Rn. 48 ausdrücklich.
Die Vorschrift des § 9 Nr. 2 GewStG bezweckt die Vermeidung der doppelten gewerbesteuerlichen Erfassung von Beteiligungserträgen. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine unmittelbare Beteiligung. Diese liegt in Bezug auf die Untergesellschaft nicht vor, wenn der veräußernde Gesellschafter lediglich mittelbar – über die Obergesellschaft – beteiligt war. Eine mittelbare Beteiligung reicht nach gefestigter BFH-Rechtsprechung für die Anwendung der Kürzungsvorschrift nicht aus.
3. Keine Anwendung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG
Ein weiterer interessanter Aspekt der Entscheidung betrifft die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG. Danach sind Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsvermögen unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. bei gemeinnützigen Organisationen oder Versorgungsunternehmen) von der Gewerbesteuer befreit. Der BFH stellt jedoch klar (Rn. 53), dass diese Regelung nicht zur Anwendung kommt, wenn die Oberpersonengesellschaft ihren Anteil an der Unterpersonengesellschaft veräußert, selbst wenn deren Gewerbeertrag teilweise steuerbefreit wäre.
Der entscheidende Punkt ist hier, dass die Vorschrift auf die Veräußerung des Anlagevermögens oder des Betriebs selbst abzielt, nicht aber auf die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen durch eine beteiligte Obergesellschaft.
4. Ergänzungsbilanzen und ihre fehlende Relevanz für § 7 Satz 2 GewStG
Der BFH führt in Rn. 38 aus, dass § 7 Satz 2 GewStG in keinem systematischen Zusammenhang mit der Technik der Ergänzungsbilanzen steht. Diese dienen der Abbildung individueller Wertansätze einzelner Mitunternehmer, insbesondere bei Eintritt, Ausscheiden oder der Einbringung von Wirtschaftsgütern. Bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils sind diese jedoch nicht gewerbesteuerlich relevant, da allein der Veräußerungsgewinn auf der Gesellschaftsebene maßgeblich ist.
5. Keine abweichende Beurteilung trotz früherer BFH-Rechtsprechung
Die Entscheidung steht im Einklang mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 01.07.2004 – IV R 67/00 und vom 18.09.2007 – I R 79/06). Frühere Urteile, in denen scheinbar eine differenzierende Betrachtung vorgenommen wurde, betrafen andere Sachverhaltskonstellationen und lassen sich mit dem vorliegenden Urteil nicht in Widerspruch bringen. Insbesondere wurde auch § 16 Abs. 13 EStR (Einkommensteuer-Richtlinien) bestätigt, wonach bei der Veräußerung des Mitunternehmeranteils an der Obergesellschaft der Gewinn ausschließlich dort zu ermitteln ist.
01.12.2025 - Daniel Eilenbrock

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