
BFH bestätigt Zugangsfiktion trotz verzögerter Zustellung
„Die Post kam nicht“ reicht nicht aus
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 20. Februar 2025 (Az. VI R 18/22) klargestellt, dass die gesetzliche Zugangsfiktion gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO auch dann gilt, wenn der vom Finanzamt beauftragte Postdienstleister innerhalb der gesetzlichen Frist keine Zustellung vornimmt. Der Fall betrifft eine Einspruchsfrist aus dem Jahr 2018, ist jedoch durch die seit dem 01.01.2025 geltende Vier-Tages-Fiktion hochaktuell.
Die Entscheidung bekräftigt: Steuerpflichtige müssen bei verspäteter Postzustellung konkrete und belastbare Tatsachen vortragen, um die gesetzliche Vermutung des rechtzeitigen Zugangs zu widerlegen.
Rechtslage: Zugangsfiktion auf vier Tage verlängert
Seit dem Inkrafttreten des Postrechtsmodernisierungsgesetzes (PostModG) vom 15. Juli 2024 wurde § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO angepasst. Verwaltungsakte, die nach dem 01.01.2025 per einfachem Brief versendet werden, gelten nun am vierten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Bis Ende 2024 galt eine Dreitagesfiktion.
Grund für die Änderung sind verlängerte Brief-Laufzeiten, da Postdienstleister seit 2024 gesetzlich nur noch verpflichtet sind, 95 % der Briefe binnen vier Werktagen zuzustellen. Die gesetzliche Fiktion wurde entsprechend angepasst – bleibt jedoch eine starke Vermutungsregel mit klaren Anforderungen an Gegenbeweise.
Urteilsfall: „Post kam nicht“ reicht dem BFH nicht aus
Im Urteilsfall ging es um einen Einkommensteuerbescheid, den das Finanzamt am Freitag, 15. Juni 2018 zur Post gegeben hatte. Laut damaliger Dreitagesfiktion galt der Bescheid am Montag, 18. Juni 2018 als zugegangen.
Die Steuerpflichtige legte am 19. Juli 2018 Einspruch ein – ein Tag zu spät. Sie argumentierte, der Brief sei ihr erst am 19. Juni zugegangen. Ursache: Am Wochenende sei keine Zustellung erfolgt, und auch am Montag sei bei ihr keine Post verteilt worden. Die Klägerin war zudem ortsabwesend, ihre Mutter und eine Freundin hatten den Briefkasten kontrolliert.
Der BFH wies die Revision ab. Die Klägerin habe nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass der Bescheid am 18. Juni nicht im Briefkasten war. Es reiche nicht aus, pauschal auf unregelmäßige Postzustellung oder allgemeine Verzögerungen hinzuweisen. Es seien konkrete Tatsachen erforderlich, die den Schluss zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der gesetzlich vermutete ernsthaft möglich sei.
BFH setzt enge Grenzen für die Erschütterung der Fiktion
Das Urteil macht deutlich, dass es nicht genügt, lediglich zu behaupten, dass „die Post in der Regel spät kommt“ oder „am fraglichen Tag nicht zustellte“. Vielmehr müssen nachvollziehbare, dokumentierte und möglichst objektiv überprüfbare Belege vorgelegt werden:
- Tagesgenaue Abwesenheitszeiten
- Dokumentation durch Bevollmächtigte oder Nachbarn
- Hinweise auf Systemfehler oder nachgewiesene Zustellausfälle
Im entschiedenen Fall fehlten derartige Beweise. Auch die Aussage der Mutter, es sei „keine Post im Kasten gewesen“, überzeugte das Gericht nicht.
11.08.2025 - Daniel Eilenbrock
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