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Euro steigt über 1,20 US-Dollar

US-Staatsanleihen in der Baisse

NTG24 - Euro steigt über 1,20 US-Dollar

 

Der Euro durchbricht derzeit mit Schwung die Marke von 1,20 US-Dollar. Der Devisenmarkt hatte lange auf diesen Test gewartet. Zuletzt konsolidierte der Euro im Bereich von 1,17 bis 1,18 US-Dollar und die US-Dollar Bären nutzten die Zeit, um ihre Short-Positionen zu akkumulieren. Jetzt spielen sie ihre Karten aus. 

Die Wende am Devisenmarkt ist durchaus spektakulär. Noch Ende März / Anfang April war der Devisenmarkt fast vollständig US-Dollar long eingestellt. Beim Test der Marke von 1,06 US-Dollar war nur die Rede davon, dass als Nächstes auf jeden Fall die Parität ins Spiel kommt. Doch wie so häufig, wenn alle gleich positioniert sind, dreht das Ganze. 

Fundamental hatte die Wende im US-Dollar viel mit der FED und dem US-Konjunkturprogramm zu tun. Die FED pumpte ab Ende März innerhalb weniger Wochen mehr Liquidität in den Kapitalmarkt als in allen Jahren seit „Lehman“ kumuliert. Aus dieser Liquiditätsflut entstand dann auch das Paradoxon am Aktienmarkt, der trotz des grössten Konjunktureinbruchs seit dem 2. Weltkrieg auf neue Allzeithochs kletterte. 

 

Euro in US-Dollar

 

Gleichzeitig öffnete der Kongress die Tore und offerierte den US-Unternehmen Billionen an Hilfsgeldern, die diese gerne aufnahmen. In der Folge exponierte sich nicht nur die FED, sondern auch die staatliche Verschuldung der Amerikaner schnellte in bisher unbekannte Regionen. Unter der Administration Trump ist die Staatsverschuldung um gut 50 % von rund 20 auf etwa 30 Billionen US-Dollar geklettert. Und das in nur knapp vier Jahren. Eine Abschwächung des US-Dollar ist insofern nur folgerichtig, wenngleich diese Erkenntnis nicht aus dem amerikanischen Inland kommt, sondern im Ausland entsteht, das das Land seit Jahrzehnten mit billigem Kapital versorgt. Neben dem schwachen Aussenwert des US-Dollar ist es nur konsequent, dass auch die Renditen der Staatsanleihen zu steigen beginnen. Und tatsächlich:

 

US-Staatsanleihen in der Baisse

 

Es macht bisher nicht viele Schlagzeilen, aber die US-Staatsanleihen befinden sich seit Ende Juli in einer Baisse. Noch ist das Kind aber nicht in den Brunnen gefallen. Die Verluste sind zwar schmerzhaft, aber der Anstieg der Renditen bei den 10-jährigen T-Notes und den 30-jährigen T-Bonds verläuft bisher noch sehr geordnet. Ein ausgewachsener Bärenmarkt am Anleihemarkt sieht anders aus: Die Verluste kommen dann hart und schnell. 

 

US-Staatsanleihen 10 Jahre

 

Die Verluste bei den 10-jährigen T-Notes bewegen sich bei rund -5 % seit dem Sommer. Das ist viel auf dem aktuellen Zinsniveau, muss aber natürlich auch vor dem Hintergrund der starken Rallye im 1. Quartal gesehen werden. 

Bei den 30-jährigen T-Bonds schlägt der Renditeanstieg schon härter durch. Aufgrund der langen Duration ist hier der Hebel immer stärker. Sowohl bei Kursanstiegen als auch bei Kursrückgängen. Im Schnitt haben diese langen Bonds seit dem Sommer rund -15 % verloren. Alles wohlgemerkt im US-Dollar gerechnet. 

 

US-Staatsanleihen 30 Jahre

 

Interessanterweise greift die FED bisher nicht (ausreichend) ein. Man hätte erwarten können, dass die amerikanische Notenbank die Zinsstrukturkurve sehr streng mit gezielten Käufen und Verkäufen kontrolliert. Ich bin mir aber sicher, dass die Notenbank ihr Gewicht ins Spiel bringt, wenn die Bären zu übermütig werden und versuchen die Renditen durchbrennen zu lassen. Denn die Notenbank weiss genau, dass ein dauerhaft höheres Zinsniveau den Kongress handlungsunfähig machen würde. Schon ein Marktzins von 3 % p.a. würde dazu führen, dass die heute frei verfügbaren Mittel im US-Haushalt nahezu komplett für die Zinstilgungen verwendet werden müssten. Was jeglichen Spielraum für politische Veränderungen nehmen würde. 

 

Lagarde: Mehr Schein als Sein

 

Man sollte nicht den Fehler machen zu denken, dass es sich bei diesem Szenario um eine Euro-Stärke handelt. Die Wirtschaft in der Euro-Zone entwickelt sich wesentlich schwächer als die der Amerikaner, und die neuen Lockdowns werden dafür sorgen, dass sich die Schere zwischen beiden Währungsräumen im 4. Quartal 2020 und auch im 1. Quartal 2021 weiter spreizen wird. Selbst wenn der Euroraum eine fähige Zentralbank hätte, die eventuell sogar Hand in Hand mit der Fiskalpolitik gehen würde, könnte man die absolute und relative Schwäche im Vergleich zu den USA auf absehbare Zeit nicht aufholen. Doch:

Europa hat keine starke Notenbank. Da muss ich mich korrigieren: Europa hat keine starke Notenbankführung. Die Ernennung von Christine Lagarde war gelinde gesagt ein Schock, denn zum ersten Mal führt ein Politiker die Europäische Zentralbank und kein Fachmann. Das für sich allein genommen ist schon ein Verstoss gegen die ungeschriebenen Gesetze der Notenbanken, denn eine gute Notenbank ist eine unabhängige Notenbank. Die Politik wird immer versuchen, nach dem Geld zu greifen. Sie kann nicht anders. Aus diesem Grund muss eine Notenbank unabhängig vom Einfluss der Politik geführt werden, zum Wohle des Währungsraums. Stattdessen wurde hier der Bock zum Gärtner gemacht. 

Frau Lagarde ist überfordert mit ihren Aufgaben. Das ist die Bilanz, die wir nach etwas mehr als einem Jahr ziehen können. Inhaltlich ist sie mit grossen Visionen und Versprechungen angetreten. Einen neuen Masterplan für die EZB wollte sie vorlegen. Erst sollte der Plan Anfang 2020 kommen, dann gegen Herbst und inzwischen redet niemand mehr darüber. Deutlich mehr Schlagzeilen und Wellen machen dagegen ihre Taten. Wer erinnert sich nicht an ihren Auftritt vom März, als Frau Lagarde grossspurig verkündete, dass es nicht die Aufgabe der EZB sei, Spreads am (Anleihe-)Markt einzuengen. Nur um dann wenige Tage später um 180 Grad zu drehen und das grösste QE-Programm durchzusetzen, dass die EZB je gesehen hat. Ein Gesichtsverlust ohne Gleichen.

Die EZB-Präsidentin taumelt wie eine Blinde durch den Markt. Links und rechts geht das Geschirr kaputt, aber sie merkt nichts davon, weil sie nicht vom Fach ist. Die Verunsicherung in der europäischen Finanzwelt ist so gross geworden, dass Philip Lane, der Chef-Ökonom der EZB, im Anschluss an die Auftritte von Frau Lagarde direkt mit den wichtigsten Banken und Investoren spricht, um zu erklären, was die eigentliche EZB-Politik ist und was die wichtigsten Marktteilnehmer zu erwarten haben. Lane hält die Kommunikation zum Markt aufrecht, weil Frau Lagarde mehr Schein als Sein ist. 

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Werbebanner Zürcher BörsenbriefeDas bleibt selbstverständlich nicht ohne Konsequenzen. Mit einer schwachen EZB-Führung, die keinen Respekt am Kapitalmarkt geniesst, wird es auch keinen starken Euro geben. Die Notenbank läuft eher Gefahr, dass der Markt sie herausfordert, wenn es opportun erscheint. Kurzfristig stehen die Indikationen im Vordergrund, dass das Zinsniveau für den Euroraum weiter abgesenkt werden soll, was den europäischen Banken sehr schaden würde, die Sparer noch härter treffen würde und die spekulativen Blasen am Aktien- und Immobilienmarkt weiter anheizen würde. Relevant wäre ein solcher Schritt übrigens auch für die Schweiz. Senkt die EZB den Leitzins weiter ab in Richtung -0,75 oder sogar -1,00 % p.a. wäre die SNB gezwungen mitzugehen und den Franken-Leitzins ebenfalls tiefer ins Minus zu schieben.

Eine konkrete Empfehlung zu dieser Analyse ist den Lesern des Zürcher Finanzbriefes vorbehalten. Den Zürcher Finanzbrief und die zugehörigen Empfehlungen können Sie im Rahmen eines kostenlosen Probe-Abonnements ausgiebig testen.

 

02.12.2020 - Mikey Fritz - mf@zuercher-boersenbriefe.ch

 

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