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§173 AO: Änderungen der Steuerbescheide aufgrund von Aufzeichnungsmängeln

BFH Urteil vom 06. Mai 2024, III R 14/22

NTG24 - §173 AO: Änderungen der Steuerbescheide aufgrund von Aufzeichnungsmängeln

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass die Art und Weise, wie ein Steuerpflichtiger seine Aufzeichnungen führt, als Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gilt. Dies hat weitreichende Folgen für Steuerpflichtige, die ihre Gewinne durch Einnahmenüberschussrechnung ermitteln. Das Urteil betrifft einen Fall, in dem ein Einzelunternehmer seine Kassenaufzeichnungen fehlerhaft führte, was zu einer nachträglichen Änderung der Steuerbescheide führte.

 

Hintergrund des Falls

 

Gesetzliche Regelungen

Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO müssen Steuerbescheide aufgehoben oder geändert werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die korrekte Führung der Aufzeichnungen ist somit von zentraler Bedeutung, um eine nachträgliche Änderung zu vermeiden.

 

Sachverhalt

 

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Werbebanner Semitax 2Der Kläger, ein Einzelunternehmer, betreibt einen Einkaufsladen mit einem breiten Sortiment an Bau- und Heimwerkerbedarf, Dekoartikeln, Schreibwaren, Zeitungen, Lotterielosen, Tabak und anderen Haushaltswaren. Er ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG und verwendet eine elektronische Kasse, die täglich Z-Bons ausdruckt. Diese Z-Bons weisen jedoch nur grobe Warengruppen aus, und der Kläger nimmt keine detaillierte Aufzeichnung der Umsätze vor. Zudem führt er tägliche Kassenberichte, die regelmäßig mit einem Kassenbestand von 0 EUR enden.

+ Erlöse (Soll) laut Bon

- abzgl. EC-Umsatz

- abzgl. Auszahlung

+ zzgl. Einzahlungen

= Kassenbestand (Soll)

Bei einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass diese Aufzeichnungen nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen.

 

Ergebnis der Außenprüfung

 

Die Außenprüfung ergab, dass der Kläger seinen Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG nicht ordnungsgemäß nachgekommen war. Es konnte nicht nachvollzogen werden, ob er Umsätze korrekt getrennt und den richtigen Steuersatz angewendet hatte. Zudem entsprach das Kassenbuch nicht den gesetzlichen Anforderungen, da es in Form einer Excel-Tabelle geführt wurde, die nachträglichen Änderungen zugänglich war. Eine Kassensturzfähigkeit konnte nicht festgestellt werden. Aufgrund dieser Mängel erfolgte eine Hinzuschätzung durch einen Sicherheitszuschlag von 10 % der Barerlöse.

 

Rechtsstreit und Urteil des Finanzgerichts

 

Nach der erfolglosen Durchführung des Einspruchsverfahrens erhob der Kläger Klage, die teilweise Erfolg hatte. Das Finanzgericht (FG) machte die Erhöhung der Betriebseinnahmen für die Einkommensteuer und die Gewerbesteuermessbeträge rückgängig und setzte lediglich einen Sicherheitszuschlag von 5 % an. Gegen dieses Urteil legte das Finanzamt (FA) Revision ein.

 

Entscheidung des Bundesfinanzhofs

 

Revision des Finanzamts begründet

Der BFH entschied, dass das FG zu Unrecht angenommen habe, dass eine Änderung der Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nur möglich sei, wenn sicher feststünde, dass der Steuerpflichtige Betriebseinnahmen nicht aufgezeichnet habe. Vielmehr sei entscheidend, dass das FA bei der ursprünglichen Veranlagung von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen sei. Die Art und Weise der Aufzeichnung der Bareinnahmen sowie der Inhalt der Belege seien als Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO anzusehen.

 

Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO

 

Tatsachen sind Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art, die Merkmale oder Teile eines gesetzlichen Steuertatbestands sein können. Schlussfolgerungen und juristische Subsumtionen zählen nicht dazu. Die Art der Aufzeichnungen und deren Inhalt sind somit relevante Tatsachen, deren nachträgliches Bekanntwerden eine Änderung der Steuerbescheide rechtfertigt.

 

Nachträgliches Bekanntwerden der Tatsachen

 

Im vorliegenden Fall wurden die Mängel der Kassenaufzeichnungen erst durch die Außenprüfung im Jahr 2017 entdeckt. Diese Tatsachen waren bereits bei der ursprünglichen Veranlagung vorhanden, jedoch dem FA nicht bekannt. Somit sind die Voraussetzungen für eine nachträgliche Änderung der Steuerbescheide gegeben.

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Rechtserheblichkeit der Tatsachen

 

Die Art und Weise der Aufzeichnung der Bareinnahmen sowie der Inhalt der Belege sind rechtserheblich, da sie die Höhe der Steuer beeinflussen können. Bei ordnungsgemäßer Kenntnis hätte das FA bereits bei der ursprünglichen Veranlagung eine Schätzung vornehmen und eine höhere Steuer festsetzen können.

 

Schätzungsbefugnis des Finanzamts

 

Bei Verletzung der Aufbewahrungs- oder Aufzeichnungspflichten ist das FA zur Schätzung nach § 162 AO berechtigt. Formelle Mängel der Aufzeichnungen rechtfertigen eine Hinzuschätzung, da sie keine Gewähr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen bieten.

 

Zurückverweisung an das Finanzgericht

 

Da das FG keine ausreichenden Feststellungen zu den einzelnen Tatsachen getroffen hat, konnte der BFH nicht abschließend entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung vorliegen. Die Sache wurde daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

 

29.11.2024 - Daniel Eilenbrock

Unterschrift - Daniel Eilenbrock

 

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