1&1 kommt beim Netzausbau nicht voran, verantwortlich dafür gemacht werden Vodafone und Vantage Towers, die Deutsche Telekom ist der lachende Vierte
Platzt der Traum vom eigenen Netz?
Bereits vor vier Jahren sorgte 1&1 bei der Auktion von 5G-Frequenzen für Aufsehen mit der etwas überraschenden Ankündigung, sich an den milliardenschweren Versteigerungen zu beteiligen und künftig ein eigenes Mobilfunknetz aufzubauen. In dieser Hinsicht ist bisher aber nur erstaunlich wenig geschehen.
Die Auflagen aus der Auktion verpflichteten 1&1 (DE0005545503) eigentlich, schon bis Ende 2022 wenigstens 1.000 Standorte für die Versorgung mit Mobilfunk am Start zu haben. Der Chef des Mutterkonzerns United Internet, Ralph Dommermuth, verriet nun gegenüber dem „Spiegel“, dass bisher gerade einmal 40 Sendestationen im Betrieb seien. Da klafft eine ordentliche Lücke, welche 1&1 teuer zu stehen kommen könnte. Zumindest in der Theorie ist damit zu rechnen, dass die Bundesnetzagentur hohe Strafzahlungen verhängen könnte.
Darüber sind die Verantwortlichen sich im Klaren, wiesen die Schuld für den mangelhaften bis kaum existenten Ausbau aber von sich. In der Verantwortung sieht man vor allem die Partner. Dass es nicht so recht vorangehen will, wird vor allem Vodafone (GB00BH4HKS39) bzw. deren mittlerweile abgespaltenen Funkturm-Sparte Vantage Towers (DE000A3H3LL2) zur Last gelegt.
Vantage Towers in der Pflicht?
Jene habe sich laut Dommermuth nicht an Zusagen gehalten und rückblickend wird es als ein strategischer Fehler bezeichnet, sich bei der Bereitstellung von Diensten auf die Tochter der Konkurrenz zu verlassen. An 1&1 liege es nicht, dass der Ausbau nahezu stillsteht. Die Frequenzen seien ebenso vorhanden wie notwendige Hard- und Software für dezentrale Rechenzentren. Allein für die erste Ausbaustufe wurden fünf Milliarden Euro an Investitionskosten veranschlagt.
Auf 1&1 könnten nun Strafzahlungen von bis zu 50 Millionen Euro zukommen. Sollte es dazu kommen, will der Konzern aber prüfen lassen, ob und inwieweit diese an die angeblich säumigen Partner weitergereicht werden können. Letztere können die Vorwürfe derweil nicht nachvollziehen. Bei Vodafone zeigte man sich bereits zu Jahresbeginn überrascht über entsprechende Äußerungen von 1&1 und sah bei sich selbst keinerlei Fehlverhalten.
Vodafone weiß von nichts
Die Anschuldigungen werden mehr oder minder hin- und hergereicht. Bei Vodafone wird die Verantwortung für den schleppenden Netzausbau klar bei 1&1 selbst gesehen. Mancher Beobachter ist geneigt, dem zuzustimmen. So sind beispielsweise Stimmen zu vernehmen, laut denen es von vornherein ein Fehler war, sich nur auf einen Partner beim Netzausbau zu verlassen. Dieser Logik folgend hat 1&1 selbst dann Fehler gemacht, wenn die Vorwürfe gegen die Konkurrenz tatsächlich vollumfänglich zutreffend sein sollten.
Trotz der bisherigen Rückschläge wird am Netzausbau festgehalten, und schon in naher Zukunft soll es nun auch endlich große Fortschritte geben. Bis Jahresende werden insgesamt 1.200 Sendestationen in Aussicht gestellt, von denen 200 bereits stehen sollen und nur noch auf die Montage von Antennen und den Anschluss ans Glasfasernetz warten. Ab 2024 hat 1&1 sich auf die Fahne geschrieben, jährlich 3.000 neue Standorte aus dem Boden zu stampfen. Angesichts der bisherigen Bilanz fällt es Anlegern aber schwer, diesen hehren Versprechungen uneingeschränkt Glauben zu schenken.
Die Deutsche Telekom sieht lachend zu
Weitgehend unbeteiligt an dem Geschehen ist derweil die Deutsche Telekom (DE0005557508). Der Fachpresse zufolge verfügt jene weiterhin über das beste Netz und hat damit im Konkurrenzkampf einen klaren Vorteil auf ihrer Seite. Allzu sehr ausruhen kann der Konzern sich darauf allerdings nicht. Zumindest nach Ansicht von 1&1 wäre es ein sinnvoller Schritt, die deutschen Netze für National Roaming zu öffnen. Dies sei auch in den Regeln der Frequenzauktion vorgesehen und zudem in anderen Ländern üblich; als Beispiel wurden die USA genannt.
Ohne die Telekom explizit zu nennen, beklagt sich 1&1 bei bisherigen Angeboten über regelrechte Wucherpreise. So soll der Preis je Gigabyte teilweise zehnmal soviel kosten wie übliche Marktpreise. Unter der Annahme, dass dies so zutrifft, lässt sich damit freilich kein konkurrenzfähiger Tarif basteln. Durch die Regulierer erhält 1&1 nach eigener Ansicht bisher zu wenig Unterstützung, obschon sie mit ihrem Vorhaben, für mehr Wettbewerb zu sorgen, eigentlich in deren Sinne agiert. Die Deutsche Telekom dürfte das anders sehen, äußerte sich zu dem Geschehen bisher aber nicht.
Böse Erinnerungen werden wach
Aus der Entfernung lässt sich kaum abschätzen, wer bei dem Netz-Wirrwarr rund um 1&1 letztlich Recht hat und wer die Wahrheit vielleicht etwas überdehnt. Bei Aktionären könnten aber böse Erinnerungen an die Vergangenheit wach werden. Vor gut 20 Jahren versuchte schon einmal ein neuer Anbieter in Form von Quam, ein neues Netz in Deutschland aufzubauen. Das Ganze ist krachend gescheitert. Es ist derzeit zumindest nicht auszuschließen, dass das Projekt eines eigenen Netzes bei 1&1 mittelfristig an die Wand gefahren werden könnte. Die Beharrlichkeit des Managements macht zwar Mut, doch die Widerstände lassen sich aus Aktionärssicht nicht ignorieren. Wie immer soll an dieser Stelle aber nicht der Teufel an die Wand gemalt werden.
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10.07.2023 - Andreas Göttling-Daxenbichler
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