Zusätzlich zu einer bereits laufenden Sammelklage fordert die Verbraucherzentrale von Amazon nun die Gewinne sämtlicher Nutzer, die von der Einführung von Werbung profitieren würden
Eine kleine Änderung könnte Amazon teuer zu stehen kommen
Seit knappen zwei Jahren wird Prime-Kunden bei Amazon Video standardmäßig Werbung beim Streamen von Filmen und Serien angezeigt. Wer darauf wenig Lust hat, kann sich von den Anzeigen nur durch ein zusätzliches Abonnement befreiten, welches mit drei Euro monatlich zu Buche schlägt. Die Nutzer waren über diesen Schritt wenig erfreut und die Verbraucherzentrale Sachsen sieht das Vorgehen sogar als unzulässig an.
Bereits im vergangenen Jahr wurde eine Sammelklage angestrengt, mit der Nutzer sich nach Ansicht der Verbraucherschützer zu viel gezahlte Beträge zurückholen sollen. Zudem pocht die Klägerseite auf wegfallende Leistungen und argumentiert, dass Amazon (US0231351067) die Nutzer über Änderungen lediglich informiert habe, jedoch nicht die ausdrückliche Zustimmung einholte. Der Sammelklage schlossen sich bisher rund 123.000 Kunden an. Es geht um Kleckerbeträge, was sich bei der Menge an Betroffenen aber schnell summieren kann.
Nun geht die Verbraucherzentrale Sachsen noch einen Schritt weiter und kündigte eine weitere Klage gegen Amazon an. Mit einer sogenannten prozessfinanzierten Gewinnabschöpfungsklage soll Amazon um Gewinne erleichtert werden, die mit insgesamt 17 Millionen betroffenen Nutzern in Deutschland durch die Einführung von Werbung eingefahren werden konnten. Auf drei Jahre gerechnet ergebe sich laut dem Rechtsexperten Michael Hummel von der Verbraucherzentrale eine Summe von „mindestens 1,8 Milliarden Euro“.
Amazon hält sich bedeckt
Mit einer schnellen Entscheidung rechnet die Klägerseite nicht. Man richtet sich auf ein langes Verfahren ein, wie auf der Webseite der Verbraucherzentrale berichtet wird. Bei der Gelegenheit erinnern die Verbraucherschützer auch daran, dass ein Anschluss an die laufende Sammelklage weiterhin möglich sei. Das sei kostenlos möglich und beinhalte für Verbraucher keine Prozesskostenrisiken.
Sollte die Klage Erfolg haben, so sollen zunächst die Teilnehmer der Sammelklage entschädigt werden. Die danach verbleibende Summe gehe an die Bundesrepublik Deutschland. Amazon selbst äußerte sich zur neuen Klage bisher nicht und hält sich auch zur laufenden Sammelklage eher bedeckt. Im Unrecht sieht der US-Konzern sich allerdings nicht. Die Einführung von Werbung wird dort nicht als klassische Preiserhöhung angesehen.
Vor Kurzem kündigte Amazon gar an, die Ausstrahlung von Werbung bei Prime-Kunden sogar noch deutlich erhöhen zu wollen. Das sorgt für wenig Begeisterung im Netz, doch der Erfolg gibt dem Unternehmen recht. Auch die Konkurrenz konnte ihre Umsätze durch die Einführung von Werbung in günstigen Standard-Abos deutlich erhöhen. Zuerst wagte Netflix diesen Schritt, was von vielen Beobachten kritisch beäugt wurde. Der Streaming-Marktführer setzte seinerzeit auf ein etwas günstigeres Abo, erhöhte in den letzten Jahren allerdings die Preise auch immer weiter.
Dürfen die das?
Grundsätzlich kann niemand Amazon verbieten, Prime-Kunden beim Videostreaming Werbung auszustrahlen. Beim Neukundengeschäft haben Verbraucherschützer keinerlei Handhabe gegen den Konzern. Klagen lässt sich lediglich gegen die Art und Weise, wie die Änderung durchgeführt wurde. Nach Ansicht der Kläger hätte Amazon jeden einzelnen bestehenden Nutzer seinerzeit um Zustimmung fragen müssen. So wie das Ganze abgelaufen ist, wird von einer einseitigen und damit unzulässigen Vertragsanpassung ausgegangen. Abzuwarten bleibt nun, wie die Richter die Angelegenheit einschätzen mögen.
An der Börse wird das Thema eher mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen. Selbst im schlimmsten Fall dürfte das Ganze Amazon kaum richtig ins Schwitzen bringen. 1,8 Milliarden Euro sind zwar eine stattliche Summe. Wer aber Hunderte Milliarden in den KI-Ausbau steckt, zahlt derartige Forderungen schon fast aus der Portokasse. Ungeachtet der neuerlichen Klage legte die Amazon-Aktie am Dienstag um 0,2 Prozent auf 234,42 US-Dollar zu. Wachstumsfantasien um Cloud und KI haben zuletzt einen kleinen Dämpfer erhalten, sind aber noch immer recht lebendig.
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03.12.2025 - Andreas Göttling-Daxenbichler

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