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Evotec: Projekte versus Profitabilität

Gemischte Zahlen im 1. Quartal

NTG24 - Evotec: Projekte versus Profitabilität

 

Auch die Aktie des international führenden Biotech-Forschungskonzerns EVOTEC (DE0005664809) hielt der Corona-Krise bislang bestens stand, sowohl was die Bekanntgabe weitgehend akzeptabler Ergebniszahlen im 1. Quartal und neuer Forschungsprojekte, wie auch die bisher hiermit angemessen korrespondierende Aktienperformance von + 4,3 % seit Jahresbeginn angeht (zum Vergleich CDAX-Index seit Anfang 2020: - 13,0 %).  

Ebenso erfreulich stellt sich für uns derzeit auch die Performance der Evotec-Aktie mit einem Kursgewinn von + 6,5 % seit Aufnahme in unser Themendepot ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN ab dem Depotstart am 04.05. dar. 

Jedoch verfolgen wir dennoch ebenso objektiv wie kritisch, dass sich bereits mit dem ausgewiesenen deutlichen Nettogewinnrückgang in 2019 ein erheblicher Sprung in der Aktien-KGV-Bewertung auf ein historisch weit überdurchschnittliches Niveau eingestellt hat, was nach derzeitigem Analystenkonsens zumindest auch bis Ende 2022 nur teilweise korrigiert werden dürfte. 

Der Kurs der Aktie zeichnet dieses Bewertungsbild in unseren Augen aktuell vollkommen zutreffend nach, indem er in Form eines breiten charttechnischen Konsolidierungskeils zwar derzeit nur 12 % unter seinem Rekordstand, allerdings auch gerade einmal um + 7 % über seinem historischen Rallyehoch vom Oktober 2017 notiert. Wir halten es daher nun für angebracht, die Aktie und deren Bewertung erneut einer detaillierten Analyse zu unterziehen. 

 

Chart: EVOTEC gegen MSCI WORLD-Index (in Euro)

 

Chart: Evotec gegen MSCI WORLD - Index

 

Ergebnis 1. Quartal 2020 und Gesamtjahres-Ausblick 

 

Trotz der Corona-Virenbelastung stellte sich bei Evotec im 1. Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahr ein sehr solider Umsatzsprung um 15 % auf 119,4 Mio. Euro ein, was damit sogar leicht über die Analystenschätzungen hinausging.  

Der Konzern begründete dies vor allem mit positiven Umsatzeinflüssen diverser zurückliegender neuer Forschungsaufträge und Kundengewinnungen. Hierzu zählten in den vergangenen Monaten beispielsweise die Gründung einer neuen Genforschungs-Allianz mit dem führenden japanischen Forschungskonzern Takeda, neue Forschungskooperationen mit den Biotechnologiekonzernen Amgen (USA) und Ildong (Südkorea), eine Partnerschaft mit der Merck & Co.-Teileinheit MSD zur Erforschung biowissenschaftlicher Pharmasubstanzen, der Eintritt eines gemeinsamen Programms mit Bayer zur Behandlung von Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut (Endometriose) in die Phase 1 der klinischen Testung sowie auch Erträge gerade aus den zuletzt ausgebauten Partnerschaften mit Sanofi und Celgene/Bristol Myers Squibb im Bereich von Beta-Stammzellentherapien gegen Diabetes wie auch Nervenerkrankungen. 

Die Kehrseite der Medaille dieser vom Umsatz her überzeugenden Quartalszahlen war allerdings, wenn auch von den Analysten weitgehend so erwartet, dass bereits der Betriebsgewinn vor Abschreibungen (EBITDA) mit rd. 30 Mio. Euro im 1. Quartal 2020 nur noch das Vorjahresniveau erreichte und sich von dieser Ebene aus die weiteren Gewinneinbußen gegenüber dem 1. Quartal 2019 immer stärker ausweiteten. 

So wurde nach Berücksichtung von Abschreibungen (die im 1. Quartal 2020 deutlich höher ausfielen als noch in 2019) im effektiven operativen Geschäft des 1. Quartals 2020 eine Minderung des Betriebsgewinns (EBIT) gegenüber dem Vorjahr um – 16 % auf etwas über 16 Mio. Euro verbucht, was sich auch bis zur untersten Ebene des Reingewinns gleichermaßen mit einem Ergebnisrückgang um – 16 % fortsetzte.  

Diesen Gewinn- und Margendruck auf allen Ebenen begründete Evotec - völlig unabhängig von Auswirkungen der Corona-Pandemie - nicht nur mit einer annähernden Halbierung von Meilenstein-, Abschlagszahlungs- und Lizenzeinnahmen gegenüber dem Vorjahr auf nur noch 5,4 Mio. Euro, sondern überdies auch noch mit gegenüber dem 1. Quartal 2019 um 4 % gestiegenen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sowie gleich um 17 % hochgeschnellten Verwaltungs- und Vertriebs-, in diesem Falle konkret vor allem Personalkosten. 

Auch wenn es einerseits zu begrüßen ist, dass trotz des beträchtlichen Wegfalls von Meilenstein- und Lizenzeinnahmen sowie operativer Kostenanstiege die Gewinnrückgänge im 1. Quartal auf EBIT- und Nettogewinnebene auf –16 % limitiert werden konnten, so ist doch in unseren Augen unübersehbar, dass sich damit leider auch eine Tendenz fortsetzte, die gerade seit Beginn des 2. Halbjahres 2019 Bestand hat und somit bereits im Gesamtjahr 2019 (neben der Beendigung des Toulouser Forschungsabkommens mit Sanofi) beträchtliche Gewinnrückgänge mit sich brachte. 

Auch wenn Evotec diese Gewinneinbußen in 2019 (operativer EBIT-Gewinn - 20 %, Nettogewinn - 55 %) mit starken akquisitorischen sowie steuerlichen Sondereffekten begründete, so war doch bereits das zurückliegende Jahr von hohen operativen Begleitkosten geprägt, die jeder dynamische Abschluss neuer Forschungs- und Entwicklungskooperationen nun einmal mit sich bringt (nämlich vor allem den hiermit vertragsbedingt zwingend anzugleichenden, gleichzeitigen Ausbau der eigenen Forschungs- und Personalkapazitäten). 

Für das Gesamtjahr 2020 behält Evotec seine Schätzungen einer Umsatzerzielung von 440 – 480 Mio. Euro (Vorjahr: 446 Mio. Euro) sowie eines EBITDA (vor Abschreibungen) von 100 – 120 Mio. Euro (Vorjahr: 123 Mio. Euro) unverändert bei. 

Jedoch bedeutet dies im Endeffekt nichts anderes, dass auch für das Gesamtjahr 2020 Evotec trotz einer voraussichtlichen weiteren Umsatzsteigerung eine Fortsetzung des Gewinndrucks weiterhin für wahrscheinlich hält, was auch mit aktuellen Analystenkonsensschätzungen korrespondiert, die derzeit in 2020 von einem Nettogewinnrückgang um ca. - 5 % ausgehen. 

 

Neue Forschungsprojekte bzw. -entwicklungen

 

Unter den jüngsten neuen Forschungsprojekten und -entwicklungen bei Evotec sind insbesondere drei von einer erhöhten strategischen Relevanz herauszustellen. 

Zum einen schloss Evotec zuletzt ein neues Lizenzabkommen mit der kanadischen PanCella Inc. ab, einem Spezialisten in der Entwicklung menschlicher genetischer Stammzellen-Therapien für den Einsatz in den Behandlungsgebieten Krebs, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Diabetes und Rückenmarksverletzungen. Im Rahmen dieses Lizenzabkommens wird Evotec künftig ihre bereits jetzt weltführende Zelltherapie-Plattform EVOcells PanCella zur weitergehenden Analyse deren extrahierter Stammzellensequenzen zur Verfügung stellen. 

Dies trifft interessanter Weise nun dabei direkt mit dem nahezu zeitgleich verkündeten Rückzug von SANOFI aus dem ehemals vehement gemeinsam vorangetriebenen Auf- und Ausbau der Stammzellenbank zur Therapierung von Diabetes zusammen. Zwar ist vollauf nachvollziehbar und möglicherweise auch begründet, dass Evotec diesen Rückzug von Sanofi nun nach außen als hervorragende Profitabilitätschance in Form einer künftigen proprietären, völlig eigenständigen Weiterführung der Stammzellen-Plattform unter alleiniger Vereinnahmung aller künftigen Lizenzerträge darstellt. 

Nichtsdestotrotz ist aus unserer Sicht kritisch zu hinterfragen, was trotz dieser sicher grundsätzlich gegebenen Profitabilitätspotenziale Sanofi nun zu diesem Schritt veranlasst hat, nachdem im 1. Quartal 2020 ja auch der gemeinsame Betrieb des Toulouser Forschungsinstituts zum Aufbau einer umfassenden Pharmasubstanzbibliothek ausgelaufen ist. Eine Erklärung hierfür kann zwar sein, dass sich Sanofi künftig grundsätzlich zunehmend aus dem Grundlagenforschungsgeschäft für Pharmaentwicklungen zurückziehen und diese Basistätigkeiten künftig verstärkt in die Hände bewährter Kooperationspartner legen will. Auf der anderen Seite könnte dies jedoch auch ein Indiz dafür sein, dass entgegen allen Bekundungen von Evotec Sanofi derzeit an einer Lockerung der Verbindungen zu dem Hamburger Konzern gelegen sein könnte, was in Zukunft in jedem Fall aufmerksam zu beobachten ist. 

Dies gilt natürlich ebenso für die Frage, ob und in welchem Maße Evotec künftig in der Lage ist, den Betrieb sowohl des Toulouser Forschungsinstituts wie auch der Diabetes-Stammzellenplattform gegebenenfalls ohne neue Verpartnerungen in Eigenregie zu stemmen, und in welcher Weise sich dies künftig sowohl auf die Ertrags- wie auch die Kostensituation des Konzerns niederschlagen wird. Dies gilt es ebenfalls mit Spannung zu beobachten, und kann aus unserer Sicht für die Aktie künftig ebenso leicht ein Chancen- wie aber auch ein Unsicherheitselement darstellen. 

Eine weitere, strategisch unseres Erachtens sachlich hochinteressante und zukunftsträchtige Übereinkunft gab Evotec zuletzt außerdem mit dem Münchener Spezialinstitut Leon-Nanodrugs GmbH zur gezielten Entwicklung von Nanopartikeln für Pharmawirkstoffe bekannt. Diese Nano-Fertigung, die unseres Erachtens perspektivisch in der Tat generell in der Lage ist, nahezu jedes Technologiesegment zu revolutionieren, hat im Medizinbereich und auch als bisherige Kerntätigkeit von Leon-Nanodrugs zum Gegenstand, Wirkstoffpartikel zunehmend auf solche mikroskopischen Miniaturdimensionen zu verkleinern, dass hiermit bahnbrechend neue Eigenschaften in puncto Löslichkeit, Dosierungsflexibilität, Verträglichkeit und Wirkstoffeffizienz erzeugt werden können. Leon’s Nanotechnologie ist dabei sogar auch schon so weit fortgeschritten, dass selbst empfindlichste Zellmoleküle wie Peptide und Proteine als mögliche Pharmawirkstoffe in minimale Quanten zerlegt werden können, ohne hiervon den geringsten Substanzschaden zu nehmen. Dieser Projektvorstoß von Evotec ist unseres Erachtens daher grundsätzlich sehr zu begrüßen, auch wenn keinerlei finanzielle Details dieses Abkommens bekanntgegeben wurden. 

Ein letztes, am 30.04. vermeldetes hoch interessantes Entwicklungsprojekt ist das eines mit Ology Bioservices Inc. (Seattle/USA) künftigen gemeinsamen Screenings potenzieller Antikörper gegen das Covid 19-Corona-Virus, wobei dieser Auftrag sogar direkt von der entsprechenden Wissenschaftsstelle des US-Verteidigungsministeriums zur Abwehr chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer (CBRN-)Bedrohungen kam. Auch dieses Programm wird, trotz ebenso fehlender finanzieller Details, aus unserer Sicht hochgradig dadurch aufgewertet, dass es diesmal von einer öffentlichen Regierungsstelle vergeben wurde. Für die Zukunft sollte auch dieser öffentliche Bereich generell ein überaus erfolgsversprechendes Kundensegment von Evotec sein, was bei weiteren ähnlich gelagerten Projekten die Ertragsbasis des Konzerns grundsätzlich weiter deutlich verstetigen könnte.         

                                     

Fazit: Aktienbewertung und Anlageurteil 

 

Unser größter Vorbehalt gegen die Evotec-Aktie und ihre perspektivische Bewertungseinstufung liegt derzeit ohne Frage darin, dass trotz eines noch so dynamischen Ausbaus zukunftsträchtiger Forschungs- und Entwicklungsprojekte (Ende 2019 Beteiligung an nicht weniger als 769 Partnerschaften) aus unterschiedlichsten Gründen die Gewinnerzielung hiermit im Gesamtjahr 2019 in keiner Weise Schritt halten konnte. Dies hat sich auch im 1. Quartal 2020 operativ in ähnlicher Weise fortgesetzt und dürfte sich im Falle der Realisierung der Konzernprojektionen wie auch der Analystenschätzungen im Gesamtjahr 2020 nicht grundlegend ändern. 

Hierin sehen wir auch den völlig nachvollziehbaren Grund, warum die Evotec – Aktie bereits seit Herbst 2017 (als das Aktien-KGV nach einem extrem enttäuschenden 3. Quartal erstmals wieder auf rd. 75 hochschoss) charttechnisch seither in einen deutlich moderateren Aufwärtstrend bzw. seit Juli 2019 nun definitorisch sogar in eine Konsolidierung übergegangen ist. 

Auf Basis laufender Gewinne und auch der Schätzungen der Analysten hat sich das KGV (2020e) nun mittlerweile sogar auf rd. 90 ausgebaut, so dass selbst ein prognostizierter Rückgang des KGVs bis Ende 2022 auf rd. 60 (= Nettogewinnanstieg um 50 %) immer noch ein Niveau darstellen würde, bei dem die Aktie aus unserer Sicht derzeit im internationalen Sektorvergleich profitabler Biotech-Konzerne ambitioniert bewertet wäre (z.B. KGV Sartorius Stedim Biotech 2022e = 49).

Daher ist aus unserer Sicht auf Basis der zurückliegenden und jetzigen durchaus vielversprechenden Projekte durch den Konzern sowie entsprechende Unternehmensverlautbarungen nun dringend der Nachweis anzutreten, dass spätestens ab Anfang 2021 wieder ein Trend zu deutlich zweistelligen prozentualen Nettogewinn-Wachstumsraten eingeschlagen wird, um die jetzige hohe Aktienbewertung zu rechtfertigen. 

Im Vertrauen auf eine solche Realisierung behalten wir unsere Aktienposition im Themendepot ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN vorerst bei, werden aber die operative Gewinn- und KGV-Entwicklung des Konzerns hierbei künftig genau im Auge behalten.

 

25.05.2020 - Matthias Reiner - mr@ntg24.de

 

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