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Dauerhafte Schubumkehr beim russischen Rubel?

Russischer Rubel wertet auch nach Zinssenkung weiter deutlich auf

NTG24 - Dauerhafte Schubumkehr beim russischen Rubel?

 

Der russische Rubel ist nicht zur zu einem Politikum geworden. Anhaltende und zunehmende Sanktionen des Westens gegen Russlands nach dessen Invasion in der Ukraine hat Russland mit einer Änderung der Zahlungsmodi für seine Rohstoffe und Kapitalverkehrskontrollen beantwortet. Im Ergebnis hat der russische Rubel aus charttechnischer Perspektive einer peitschenartigen Bewegung (Slingshot Move) erlebt, bei der sich an eine dramatische Abwertung eine noch größere Aufwertungsphase anschloss. Dies zeigt zum einen den hohen Einfluss politischer Entscheidungen auf den Wechselkurs des Rubels, könnte aber auch ein weiteres Indiz dafür sein, dass dieser sich nachhaltig von einem Dollar-zentrierten Zahlungsverkehrssystem abzukoppeln beginnt. In mehrfacher Hinsicht ,,betroffen‘‘ sind sowohl von der Wechselkursentwicklung als auch von den Perspektiven eines neuen Zahlungsverkehrssystems dabei die zentralasiatischen Staaten Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan.

Es erscheint auf den ersten Blick mehr als erstaunlich, dass der russische Rubel jüngst von der Nachrichtenagentur Bloomberg zur bislang stärksten Währung im laufenden Jahr weltweit gekürt wurde und dabei den brasilianischen Real verdrängte.

Umso erstaunlicher ist, dass sich diese Entwicklung auch fortgesetzt hat, nachdem die Zentralbank Russlands am 29.04.2022 die Leitzinsen um 300 Basispunkte auf 14 % gesenkt hatte.

Natürlich spielen die von Russland verhängten Kapitalverkehrskontrollen eine bedeutende Rolle bei der relativen Stärke des Rubels. Es dürfte aber eben auch die effektive (antizipierte) Nachfrage jener Kunden russischer Rohstoffe sein, die diese Rohstoffe freiwillig oder gezwungenermaßen in russischen Rubel bezahlen.

Zweifel an der Nachhaltigkeit der Stärke des Rubels werden aufgrund der massiven politischen Intervention wohl nicht so schnell verstummen. Und welche Auswirkungen die neuen geplanten Sanktionen des Westens haben werden, ist derzeit völlig offen.

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Werbebanner ClaudemusFür die Perspektiven des Außenwertes des Rubels dürfte von großer Bedeutung sein, ob es dem Land gelingt, sich auch längerfristig von den Auswirkungen der westlichen Sanktionen unabhängig zu machen und die Kapitalflucht einzudämmen. Dabei spielt das neue Zahlungsverkehrssystem eine entscheidende Rolle. Denn erst dessen hinreichendes Funktionieren würde es ermöglichen, aus dem Dauerkrisen-Modus der Sanktionseffekte herauszukommen. Dafür, dass dies gelingt, ist die Haltung Chinas entscheidend.

Neben der realwirtschaftlichen Komponente spielt für die Kursentwicklung des russischen Rubels auch die Erwartungsbildung an den Kapitalmärkten eine wichtige Rolle. Dabei zeigt eine langfristige Betrachtung, dass sich auch beim Wechselkurs des russischen Rubels zum US-Dollar marktpsychologische Schwellenphänomene zeigen, an denen sich die Kursdynamik beschleunigt oder abbremst.

In Chart 1 ist die Wechselkursentwicklung des russischen Rubels zum US-Dollar (XC000A0C31G0) seit der Asienkrise 1997 und dem kurz darauffolgenden Staatsbankrott Russlands bei inländischen Schuldverschreibungen dargestellt. Neben dem volatilen Abwertungstrend des Rubels sind neben der dramatischen Abwertung nach dem Staatsbankrott 1998 insbesondere der Abwertungsimpuls der globalen Finanzkrise 2008/2009 und der Abwertungsimpuls nach den US-Sanktionen im Anschluß an die Annexion der Krim deutlich zu erkennen.

Umso erstaunlicher ist die scharfe Kehrtwende des Rubels in diesem Jahr, nachdem er zu Beginn der Invasion russischer Truppen in die Ukraine bis auf ein Allzeittief von 154,25 Rubel je US-Dollar gefallen war. Im Zuge der Kehrtwende durchbrach der Rubel auf Monatsschlusskurs-Basis April 2022 dann allerdings seine seit Juli 2014 laufenden Abwertungstrend. Gleichzeitig muss der Ausbruch des Rubels über das bisherige im Januar 2016 markierte Allzeittief von 85,95 Rubel je US-Dollar als fulminante Bärenfalle bewertet werden.

 

US-Dollar in russischen Rubel auf TradingView

 

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Wie Chart 2 nun zeigt, steht der Rubel nun kurz vor seinem Widerstand, der sich aus dem Zwischenhoch vom Juli 2017 bei 61 Rubel je Dollar ergibt. Kurs darunter verläuft zudem die seit Februar 2013 laufende Abwertungs-Trendlinie. Diese bildet dabei mit der statischen Unterstützung für den US-Dollar bei rund 55,50 Rubel je Dollar je nach Zeitpunkt eine mehr oder weniger genaue Kreuzunterstützung. Ein Bruch dieser Unterstützung für den US-Dollar bzw. des Widerstands für den Rubel wäre eine weitere bedeutende Bestätigung der Bärenfalle beim Rubel.

 

US-Dollar in russischen Rubel auf TradingView

 

Chart 3 zeigt nun auf Tagescandle-Basis, dass es nach dem starken Abwertungs- und anschließenden Aufwertungsimpuls des Rubels ab dem 29.03.2022 durchaus zu charttechnischen Versuchen kam, diese ,,Bärenfalle‘‘ durch eine erneute Abwertung des Rubels zu vermeiden. Dies gelang aber nicht. Stattdessen setzte sich nach einer Seitwärtsbewegung die Aufwertung des Rubels sogar nach der Zinssenkung um 3 volle Prozentpunkte fort.

 

US-Dollar in russischen Rubel auf TradingView

 

Damit liefert die Kursentwicklung des Rubels deutliche Signale, dass die derzeitige Stärke des Rubels gegen den US-Dollar von Kräften getragen sein könnte, welche ihre Quelle nicht (nur) in Devisenverkehrskontrollen haben.

Wie wichtig die relative Stärke des Rubels auch strategisch ist, zeigt ein kurzer Blick auf die Entwicklung der Währungen Zentralasiens gegen den Rubel.

Ökonomisch ist ein starker Rubel vor allem für Tadschikistan, Kirgistan und Usbekistan von sehr großer Bedeutung, weil Hunderttausende von Arbeitern aus diesen Staaten in Russland Transfereinkommen erwirtschaften, welche bis zu einem Drittel des BSP der Länder ausmachen. Eine Abwertung des Rubels gegen diese Währungen hätte auf Dauer verheerende ökonomische Effekte. Damit zeigt sich auch die essenzielle Bedeutung des russischen Arbeitsmarkes für die Volkswirtschaften Zentralasiens.

 

US-Dollar in russischen Rubel auf TradingView

 

Und was ist das Fazit?

 

Die nach einem Abwertungsschock des russischen Rubels an den Devisenmärkten sichtbare Trendumkehr des Rubels dürfte von den Planern der westlichen Sanktionen nicht erwartet worden sein. Russland hat bislang mit wenn auch drastischen Maßnahmen damit eine Wiederholung der Entwicklung in der Vergangenheit verhindert.

Alleine diese Tatsache sollte nicht nur aus charttechnischer Perspektive zu denken geben. Aus dieser ergibt sich insbesondere bei einem Bruch der Widerstandszone um 55,50 Rubel je US-Dollar eine bedeutende Signalwirkung für die mittelfristige Kursentwicklung.

Realistisch wäre ein solches Szenario insbesondere, wenn das zusammen mit China geplante Zahlungsverkehrssystem effektiv und breit Anwendung finden würde.

Zur hohen relativen Stärke des russischen Rubels dürfte auch die Entscheidung Russlands beigetragen haben, seine Währung zumindest kurzzeitig (und wohl versuchsweise) über einen Mindestankaufskurs von Gold in Rubel an das natürliche und historisch bestätigte Geld der Wirtschaftsgeschichte zu binden.

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Werbebanner ISIN-WatchlistDas diese Maßnahme gewirkt hat, dürfte aus wirtschaftsstrategischer Sicht in dem sich verschärfenden Konflikt zwischen dem Westen und dem Osten nicht ohne Folgen bleiben, auch wenn diese kurzfristig kaum spürbar werden dürften. Allerdings sei daran erinnert, dass bereits seit einiger Zeit Ölexporteure nach China ihre Erlöse an der Schanghaier Edelmetallbörse in physisches Gold umwandeln können. Sollten also Russland und China nicht nur über ein Zahlungsverkehrssystem, sondern auch über die ihre Währungen stützenden Rohstoffe strategisch zusammenspannen, könnten die globalen Devisenmärkte ihre wirkliche Sturmfront erst noch vor sich haben. Von den Implikationen für die Länder Zentralasiens ganz zu Schweigen!

 

16.05.2022 - Arndt Kümpel

Unterschrift - Arndt Kümpel

 

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  • - 16.05.2022 22:54:34 Uhr


 

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