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TUI: Rückstufung auf HALTEN – Operative Kriegsrisiken zunächst nur begrenzt, Kursschwäche aber nachvollziehbar

Geschäfts- und Finanzlage von TUI durch Kriegsausbruch bislang kaum verändert

NTG24 - TUI: Rückstufung auf HALTEN – Operative Kriegsrisiken zunächst nur begrenzt, Kursschwäche aber nachvollziehbar

 

Einen gewaltigen Crash um – 22 % verzeichnete in der letzten Woche die Aktie des weltgrößten Tourismuskonzerns TUI, was in der zunehmenden Eskalation des Russland-Ukraine-Kriegs unzweifelhaft den sanktionsbedingten Rücktritten ihrer zwei russischen Aufsichtsräte Mordashov (zugleich mit 34 % Anteil größter Einzelaktionär des Konzerns) und Lukin sowie gleichzeitiger Befürchtungen der Anleger einer erneuten erheblichen Reise- und damit Gesamtgeschäfts-Beeinträchtigung durch die Kriegsereignisse in der Ukraine und Russland zuzuschreiben war.

Der russische Oligarch Alexej Mordashov, der in Russland zugleich seit 2002 auch das Amt des Chairmans sowie seit 2006 zusätzlich des Vorstandsvorsitzenden (CEOs) des größten russischen Stahlkonzerns SEVERSTAL (US8181503025) wahrnimmt, war am 28.02. auf die Liste der von der EU künftig sanktionierten russischen Oligarchen gesetzt worden.

Dies ging mit einer sofort wirksam werdenden Beschneidung seiner Reisefreiheit in der EU wie auch einem kompletten Einfrieren seines derzeit in der EU unterhaltenen Vermögens einher, womit ihm gleichzeitig natürlich nun auch jegliche Möglichkeiten zu Transaktionen im Rahmen des von ihm aktuell gehaltenen Aktienpakets von 34 % an TUI (DE000TUAG000) oder auch die Teilnahme an etwaigen weiteren künftigen finanzstabilisierenden Kapitalerhöhungen des Konzerns verwehrt werden.

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Werbebanner EMH PM TradeInfolge dieser sanktionsbewehrten Entziehung jeglicher weiterer Zugriffsmöglichkeiten auf seinen gehaltenen TUI-Aktienanteil sah sich Mordashov daher am 02.03. nun unumgänglich veranlasst, seinen Posten im Aufsichtsrat von TUI mit sofortiger Wirkung niederzulegen, was zusätzlich mit Sicherheit auch in der gleichzeitigen Entscheidung der russischen Severstal begründet lag, nach der EU-Sanktionsverhängung auch über diesen Konzern (dem sich ebenso auch die USA angeschlossen hat) die sofortige Stilllegung ihres gesamten Stahlhandels mit der EU zu beschließen.

Nicht weniger nachvollziehbar war daher auch die nun gestern am 04.03. bekanntgegebene Entscheidung des weiteren russischen Aufsichtsratsmitglieds von TUI und engen geschäftlichen Partner von Mordashov, Vladimir Lukin, sein seit Juni 2019 bei TUI bekleidetes Amt (Mordashov war dagegen bereits seit 2016 Aufsichtsratsmitglied und darüber bereits 15 Jahre lang TUI-Aktionär) ebenfalls mit sofortiger Wirkung zu quittieren.

Die nicht nur EU-weite, sondern auch von der USA verhängte Sanktionierung von Mordashov, die dem bis dahin mit einem Vermögen von angeblich rd. 27,5 Mrd. USD offiziell viertreichsten und als wichtiger Wirtschaftsberater von Wladimir Putin geltenden russischen Oligarchen nach Erhebungen des sog. BLOOMBERG BILLIONAIRES-INDEX und quantitativer Aufbereitung durch das führende deutsche Marktforschungsinstitut STATISTA allein mit Beginn des Kriegsausbruchs am 24.02. bis zum 03.03. einen Verlust von ca. 20 % seines Vermögens oder ca. 5,6 Mrd. USD beschert hat und neben der Aufgabe seines Aufsichtsratspostens bei TUI auch noch die von Vladimir Lukin nach sich zog, werden nach dem aus unserer Sicht unzweifelhaft zutreffenden Statement des TUI-Vorstandschefs Fritz Joussen jedoch „keine nachhaltig negativen Folgen für den Konzern haben, da TUI (wie jeder andere Konzern auch) eben vom Vorstand und nicht von den Anteilseignern oder dem Aufsichtsrat“ geführt werde.

 

Graphik: Vermögensminderung russischer Oligarchen (04.03.2022)

 

Quelle: STATISTA

 

Auch wenn Mordashov TUI allein seit Anfang 2021 mit direkten oder im Zuge der Kapitalerhöhung geleisteten Investitionsbeträgen in deutlich dreistelliger Millionenhöhe sehr großzügig unterstützt hatte, was ihm schließlich seither auch zur Aufstockung seines Aktienpakets von knapp 25 % per Jahresanfang 2021 bis zuletzt auf 34 % verhalf, so gehen wir außerdem auch finanziell davon aus, dass der künftige Wegfall weiterer Unterstützungszahlungen von ihm an TUI langfristig für den Konzern ohne größere Schwierigkeiten verkraftbar wäre und auch künftig möglicherweise zumindest zum Teil erneut, falls überhaupt unbedingt nötig, durch weitere Darlehen(zusagen) oder neue/verlängerte Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Beteiligungen des deutschen Staates (der ja schließlich auch indirekter Mitverantwortlicher oder zumindest Mittragender der EU-Sanktionsverhängung gegen Mordashov war) mitgetragen würde.

Aus den Niederlegungen ihrer Aufsichtsratsposten bei TUI durch Mordashov und Lukin leiten wir somit, dies als Zwischenfazit zu diesem Aspekt, aus rein operativ-strategischer Sicht praktisch keinerlei und aus finanzieller Sicht nur vorübergehend mögliche weitere negative Folgewirkungen für den Konzern ab, die durch eine entsprechende Berücksichtigung in allen weiteren künftigen Mittelbeschaffungsmaßnahmen jedoch problemlos und finanziell verkraftbar ausgeglichen werden und damit auch die weiteren Bilanzentschuldungsperspektiven von TUI (aktuelle Nettoverschuldung von über 5 Mrd. EUR) nicht nennenswert weiter verschlechtern dürften.

 

Kriegsauswirkungen auf Reisebuchungen von TUI vorerst wohl limitiert

 

Darüber hinaus, dies ist der zweite Aspekt der Russland-Ukraine-Kriegsfolgen für TUI, gab der Konzern am 01.03. bereits jetzt bekannt, dass ihr Kreuzfahrt-Bereich TUI CRUISES für die kommende Sommersaison vom Mai bis Oktober Russland nun aus ihrem Angebotskatalog herausnehmen werde, was insbesondere den Zielhafen St. Petersburg betrifft, bei der es sich zudem auch um die Geburtsstadt des russischen Präsidenten Putin handelt. Als Alternativen zu dieser Streichung von Russland als Kreuzfahrtziel überprüft TUI nach eigenen Angaben derzeit insbesondere die Aufnahme weiterer Reisemöglichkeiten und Anlaufhäfen in Skandinavien und im Baltikum.

Auch die Route ihrer für August geplanten Schwarzmeer-Kreuzfahrt will TUI unter Auslassung der Anlaufhäfen Odessa (Ukraine) und Sotschi (Russland) nun zunächst erst einmal abändern, auch wenn es hierzu bereits vielfältige öffentliche Stimmen gibt, die ebenfalls eine gänzliche Absage dieser Reise im Schwarzen Meer (= generelle Region von sicher noch zunehmenden Kriegsschiffpositionierungen der Ukraine und von Russland) fordern.

Abgesehen von diesen anvisierten Änderungen des TUI-Kreuzfahrtprogramms hat Russland in der Folge des sofort nach Kriegsausbruch verhängten Überflug- und Landeverbots russischer Flugzeuge im EU-Territorium (aber auch Großbritannien, wo ja TUI ebenfalls hoch prominent vertreten ist) seit 28.02. dazu auch sofort reziproke Flugverbote für sämtliche Maschinen der EU und Großbritanniens nach bzw. über russisches Gebiet hinweg verhängt, so dass derzeit (bis auf Weiteres) natürlich auch jegliche künftig denkbare TUI-Flugreise nach Russland komplett hinfällig geworden ist.

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Ganz abgesehen davon ist aufgrund des jetzigen Kriegseintritts aus unserer Sicht aber nun noch auf Jahre hinaus wohl kaum mehr mit einem größeren Interesse westlicher Touristen an Russland-Reisen zu rechnen, so dass dieses Reisesegment bei TUI nach unserer Erwartung nun wohl auf unabsehbare Zeit fast völlig zum Erliegen kommen dürfte. Nach dem gleichfalls im März 2021 vollzogenen Verkauf ihres letzten 10%-Anteils an ihrer lokalen Geschäftseinheit TUI RUSSIA an Mordashov dürften touristische Reisen von / nach Russland und in die / aus der Ukraine nach unserer Einschätzung aber wohl schon zuletzt sowieso sicher höchstens einen niedrig einstelligen Prozentanteil am Konzernumsatz eingenommen haben dürften. Eine nun zunächst sicher fast komplette Reiseeinstellung in diese(n) Kriegsregionen hätte für den TUI-Gesamtkonzern somit fraglos nur absolut marginale Ergebnisauswirkungen.

Auch ein darüber hinausgehendes Abebben der Reiselust westlicher Touristen infolge der Kriegsauslösung durch Russland sehen wir nicht, sondern erwarten, was das nach allen Prognosen nun wieder sogar das Vor-Corona-Niveau von 2019 erreichende oder übertreffende Sommerbuchungsgeschäft angeht, sogar unter dem Motto „Sommerurlaub als Flucht vor dem Krieg“ in den nächsten Wochen und Monaten vielmehr das Gegenteil (Südliche/südwestliche Sommerreiseziele sowohl geographisch noch weiter von Russland entfernt liegend, außerdem mit generell sicher weit geringerer kriegsstrategischer Gefährdungslage als gerade die westeuropäischen Großmächte Deutschland, Frankreich und Großbritannien).

Auch die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Kriegsausbruchs auf das Sommerbuchungsaufkommen bei TUI schätzen wir somit momentan noch kaum als bedenklich ein, was aber selbstverständlich nur für den Fall gilt, dass nicht aufgrund des Entstehens einer direkten militärischen Konfrontation Russlands mit der NATO (was wir momentan für wenig wahrscheinlich halten) künftig eine Kriegsausweitung auf den gesamten europäischen Kontinent zu befürchten ist.

Zusammenfassend kommen wir daher zu dem Urteil, dass der Ausbruch des Russland-Kriegs gegen die Ukraine für TUI zunächst auch weiterhin nur sehr überschaubare Belastungsfolgen haben dürfte und diese derzeit vor allem in den künftig ausbleibenden Finanzierungsunterstützungen von Mordashov zu sehen sind.

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Werbebanner ISIN-WatchlistUnter diesem Aspekt halten wir den letztwöchigen Crash der TUI-Aktie fundamentalanalytisch zwar für deutlich übertrieben, erachten die klare psychologische Stimmungsverschlechterung gegenüber der Aktie aktuell, einhergehend mit dem nunmehr exakt auf den Aufwärtstrend seit März 2020 erfolgten Rückfall des Aktienkurses jedoch als nachvollziehbar und stufen den Titel in dem auch klar verdüsterten Gesamtmarktumfeld daher selbst bei hoher Risikobereitschaft nun zunächst wieder von „Langfristig kaufenswert“ auf „Halten“ zurück.

 

Chart: TUI

 

TUI auf TradingView

 

05.03.2022 - Matthias Reiner

Unterschrift - Matthias Reiner

 

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