
Die türkische Lira stürzt nach Zinssenkung erneut ab – TUI profitiert
Der Albtraum türkischer Geldpolitik
Die türkische Lira erlitt in der vergangenen Woche einen neuen schweren Schlag, nachdem die türkische Notenbank bei weiter steigender Inflationsrate die Zinsen erneut senkte. Ein massiver Vertrauensverlust der Kapitalmärkte in die Aufrechterhaltung der Wertstabilität der türkischen Währung war die Folge. Zu den kostenseitigen Profiteuren dieser Entwicklung dürften Reiseunternehmen wie TUI gehören.
Das sich derzeit entfaltende Chaos rund um die türkische Lira hat gewisse Ähnlichkeit mit einer Lawine. Langsam beginnend und sich dann exponentiell ausbreitend kann man anhand des Fieberthermometers Wechselkurs erkennen, was es bedeutet, wenn der Staat die Geldpolitik instrumentalisiert.
Auf dieses Risiko hatten wir zuletzt vor rund 4 Wochen in unserem Beitrag ;,Türkische Lira verliert massiv an Wert‘‘ hingewiesen.
Jedoch kam der richtige Schlag gegen die Glaubwürdigkeit der türkischen Geldpolitik in der vergangenen Woche erst noch. Denn mit ihrer Entscheidung vom am 18.11.2021 senkte das in neuer von Präsident Erdogan umbesetzte Entschlussgremium der Zentralbank den Zinssatz für einwöchige Repo-Geschäfte von 16 % auf 15 %.
Und das, obwohl die türkische Inflationsrate selbst nach Angaben der türkischen Zentralbank im Oktober 2021 mit 19,89 % die runde Marke von 20 % praktisch erreicht hat. Bereits im Oktober hatte die Bank die Zinsen um 2 volle Prozentpunkte gesenkt, obwohl die Inflationsrate von August zu September 2021 von 19,25 % auf 19,58 % gestiegen war. Die Serie an Zinssenkung bei steigenden Inflationsraten könnte allerdings, so der Eindruck beim Lesen des obigen Statements der Notenbank zur Zinssenkung am 18.11.2021, noch eine Fortsetzung im Dezember finden.
Derweil lässt der türkische Präsident Erdogan an seiner Überzeugung ,,Zinsen sind die Ursache, Inflation das Resultat‘‘ nicht rütteln.
Der Gegenwind resultiert aber nicht einfach nur daraus, dass dies die ökonomischen Erkenntnisse auf den Kopf stellt, sondern auch aus der relativen Verschlechterung der türkischen Lira im Vergleich zum Rest der Welt, die gerade dabei ist, die Zinsen angesichts der weltweit steigenden Inflationsraten wieder langsam zu erhöhen. In diesem Kontext erscheint die türkische Zinssenkung besonders falsch.
Die Eskalation in der türkischen Geldpolitik treibt nun auch die Türken selbst immer weiter genau in die Richtung, die der türkische Präsident verhindert will, nämlich in die Arme des US-Dollars und in Gold.
Jedoch gibt es auch Profiteure der neuen Abwertungswelle in der türkischen Lira. So geht die Währungsschere zwischen inländischen Kosten und ausländischen Erträgen vor allem zugunsten türkischer Exporteure und ausländischer Investoren auf. Dazu zählen auch Reiseunternehmen wie TUI (DE000TUAG000), bei denen ein Teil der Kosten in türkischen Lira anfallen und bei einer Abwertung somit die Marge steigt.
Und was ist das Fazit?
Der türkische Präsident Erdogan hat die Unabhängigkeit der türkischen Zentralbank faktisch beendet. Damit ist weiteren massiven Kapitalabflüssen aus der türkischen Lira heraus Tür und Tor geöffnet. Jene Unternehmen, deren Kosten in Lira, ihre Erträge allerdings in US-Dollar oder Euro anfallen, profitieren von der aktuellen Entwicklung. Diejenigen aber, deren Ersparnisse und deren Kaufkraft in türkischen Lira jedoch dramatisch an Kaufkraft verlieren, dürfte dies wenig trösten. Nicht zuletzt aus diesem Grunde ist mit neuen Spannungen zu rechnen, nicht nur am Devisenmarkt.
22.11.2021 - Arndt Kümpel
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