Amazon kapituliert in China, BioNTech deutlich leichter, Nel ASA im freien Fall und auch Plug Power muss deutlich Federn lassen
Der Zinsentscheid der EZB hinterlässt Spuren
Nach langem Warten verkündete die EZB am gestrigen Donnerstag offiziell die Zinswende in Europa. Dabei gingen die Währungshüter sogar noch ein Schrittchen weiter, als viele es zuvor befürchtet hatten. Nach der Einstellung von Anleihekäufen soll der Leitzins im Juli um 0,25 Prozent steigen, im Anschluss könnten weitere Zinsschritte folgen – und das über einen längeren Zeitraum.
Gehofft hatten viele darauf, dass es zunächst bei milderen Maßnahmen und zeitlich begrenzten Zinserhöhungen bleiben würde. Dass dem nicht so ist, setzte den Börsianern im gestrigen Handel schwer zu. Allerorten gab es schwere Verluste zu sehen. Amazon (US0231351067) stand da mit Abschlägen von 1,28 Prozent noch vergleichsweise gut da. Dabei hatte der US-Konzern zusätzlich zu den Zinssorgen auch noch schlechte Neuigkeiten aus China im Gepäck.
Dort wirft der Online-Gigant in Sachen E-Books das Handtuch und wird Mitte kommenden Jahres den Verkauf von Geräten und Software einstellen. Offenbar ist es Amazon nicht gelungen, sich vor Ort gegen die starke Konkurrenz durchzusetzen. Die Bilanzen wird das Ganze wohl nicht besonders stark belasten, allerdings schmälern sich natürlich die Wachstumsaussichten im wichtigen chinesischen Markt.
Wie gewonnen, so zerronnen
BioNTech (US09075V1026) hatte am Donnerstag weitaus weniger Glück. Nachdem die Bullen erst mit Mühe und Not die Marke bei 150 Euro wieder erobern konnten, ging es gestern wieder bis auf 144,70 Euro in die Tiefe. Damit haben sich mal eben durch ein Minus von 2,92 Prozent sämtliche Zugewinne der laufenden Woche in Luft aufgelöst. So richtig begründen lässt sich das kaum, aber die schlechte Stimmung unter den Anlegern reicht letztlich aus, um den Verkaufsdruck wieder zu erhöhen.
Derweil gehen die Forschungen bei BioNTech an diversen Impf- und anderen Wirkstoffen unvermindert weiter und es konnte zuletzt auch der eine oder andere Erfolg in laufenden Studien vermeldet werden. Wie gehabt stehen an der Börse aber vor allem Corona-Vakzine im Vordergrund. Damit ergibt sich auch noch immer die Chance, dass die BioNTech-Aktie derzeit schwer unterbewertet ist. Die Erfolgschancen, die sich vor allem mit Blick auf die in Entwicklung befindlichen Krebsmedikamente ergeben, sind aktuell in keinerlei Weise eingepreist.
Bitterer Rückschlag für Nel ASA
Noch sehr viel höhere Verluste musste Nel ASA (NO0010081235) hinnehmen, wo es am Donnerstag um 7,55 Prozent auf 1,28 Euro in Richtung Süden ging. So niedrige Kurse gab es bei den Norwegern schon seit rund einem Monat nicht mehr zu sehen. Allerdings war mit einer solchen Entwicklung aufgrund des Zinsentscheids zu rechnen. Der wird für Wachstumsunternehmen als besonders belastend angesehen.
Nel befindet sich zwar klar in einer Wachstumsphase, hat dafür aber auch einen hohen Kapitalbedarf. Mit steigenden Zinsen wird es in Zukunft deutlich teurer werden, sich frische Mittel zu verschaffen, so dies nicht durch immer neue Kapitalerhöhungen passieren soll. Da beide Varianten schlechte Neuigkeiten für Anleger wären, werfen viele schon jetzt das Handtuch. Um Nel ASA vollständig abzuschreiben, ist es aber weiterhin zu früh. Denn grundsätzlich hat sich für das Wasserstoffunternehmen nur wenig verändert.
Wachstumsschmerzen
Ähnliches lässt sich auch von Plug Power (US72919P2020) behaupten. Ungeachtet der schlechten Stimmung der Aktionäre arbeitet der US-Konzern pausenlos am eigenen Wachstum. In Belgien soll dafür nun eine neue große Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff erzielen. Bis zu 12.500 Tonnen des Kraftstoffs sollen künftig jedes Jahr dort entstehen. Bis Ende des kommenden Jahres wird mit der entsprechenden Genehmigung gerechnet; 2025 soll dann schließlich die Produktion aufgenommen werden.
An der Börse interessierte sich dafür gestern so ziemlich niemand. Die Zinsentscheidung der EZB überschattete alles andere und sorgte auch bei der Aktie von Plug Power zu nicht unwesentlichen Verlusten. Mit einem Minus von 6,23 Prozent ging es bis auf 16,60 Euro in die Tiefe. Zumindest für den Juni ist damit ein neues Tief erreicht worden. Die jüngste Erholungsbewegung an sich muss dadurch aber noch nicht am Ende sein.
Krise oder Chance?
Die Börsianer müssen die EZB-Entscheidung vom Donnerstag derzeit erst einmal verdauen, was mit unschönen Szenen bei vielen Aktien einhergeht. Allerdings lässt sich das Ganze auch positiv sehen. Zumindest dürften die endlosen Gerüchte der letzten Tage und Wochen mit der nun herrschenden Klarheit über den weiteren Kurs der Europäischen Zentralbank ein Ende finden. Dadurch können die Anleger sich wieder auf andere Dinge konzentrieren, sobald die Zinswende eingepreist wurde. Möglich ist auch, dass die Reaktionen übertrieben ausfielen und sich genau jetzt hier und da Einstiegschancen ergeben. Die Risiken bei solchen Investments fallen aber nicht eben klein aus.
10.06.2022 - Andreas Göttling-Daxenbichler
Auf Twitter teilen Auf Facebook teilen
Informiert bleiben - Wenn Sie bei weiteren Nachrichten und Analysen zu einem in diesem Artikel genannten Wert oder Unternehmen informiert werden möchten, können Sie unsere kostenfreie Aktien-Watchlist nutzen.
Folgende Artikel könnten Sie auch interessieren
Ihre Bewertung, Kommentar oder Frage an den Redakteur
Haftungsausschluss - Die EMH News AG übernimmt keine Haftung für die Richtigkeit der Empfehlungen sowie für Produktbeschreibungen, Preisangaben, Druckfehler und technische Änderungen. (Ausführlicher Disclaimer)